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Die Gartenkunst — 4.1902

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Schoch, Johann Gottlieb: Heimische Schutzgebiete und Landesverschönerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0074

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66 DIE GARTENKUNST IV, 4

und Heide Gebiete von einigen Quadratkilometern zu
konservieren und in ihrem jetzt wenigstens noch teilweis
vorhandenen Naturzustande unter Ausschlufs weiterer
Eingriffe der Kultur zu erhalten, ehe letztere noch den
letzten Rest der Ursprünglichkeit zerstört. Wetekamp wies
selbst darauf hin, dafs das Beispiel der Nordamerikaner
zu seiner Anregung die Veranlassung gewesen. Weil es
uns aber unmöglich sei, so grofse Gebiete zu belegen, die
in den 5 nordamerikanischen Nationalparks zusammen eine
Fläche wie das Königreich Sachsen einnähmen, so sollten
wir uns mit dem begnügen, was hier erreichbar sei. Er
wendet den Namen „Staatsparks" auf diese Bodenflächen
an, unter gleichzeitiger Verwahrung gegen die Annahme,
dafs man etwa Naturnachahmungen des Gartenkünstlers
hierunter verstände, sondern lediglich Gebiete, deren llaupt-
eigenschaft in der Unantastbarkeit bestände.

Die Nationalparks der Amerikaner sind thatsächlich
das im grofsen, was der Antrag im kleinen für Deutschland
vorschlägt: fest umgrenzte Gebiete, menschlichen Eingriffen
entrückt und dem Walten der Natur frei überlassen. In
Nordamerika war derartiges möglich, wo weite grofse Land-
strecken noch unaufgeschlossen keinem Besitzer gehörig
vorhanden sind, die nur von Indianern oder Jägern durch-
quert werden. Hier konnte leicht, ehe der Verkehr die
Nutzbarmachung der natürlichen Hilfsquellen vermittelte,
ohne jemandes Schädigung ein grofsos Landgebiet heraus-
geschnitten und als Nationaleigentum erklärt werden. Der
Yellowstone-Park z. B. war 1810 entdeckt, aber bis 1870
waren nur wenige Nachrichten über die besonders geologisch
interessanten Erscheinungen dieses Gebietes in die Öffent-
lichkeit gedrungen. 1870 unternahmen Bürger von
Montana unter militärischer Begleitung eine Durchwanderung
des seltsamen Gebiets. Dieser Besuch, der das Gesehene
der Öffentlichkeit übermittelte und weitere Durchforschungen
veranlafste, gab den ersten Anlafs, dafs 1872 das Yellowstone
Gebiet in einer Gröfse von 168 deutschen Quadratmeilen zum
Nationalpark erklärt wurde. Nur wenige Hotels und Strafsen
durften gebaut werden, gerade nur soviel, um das Gebiet
aufzuschliefsen. Die Durchführung von Eisenbahnen ist
ausgeschlossen. Die Schonung der Tierwelt ist streng be-
fohlen, kein lebendes Wesen darf gejagt werden. Nur der
Fischfang ist in beschränktem Mafse gestattet, wenn er
nicht zu Handelszwecken geschieht. Die Schonung der
Vegetation ist selbstverständlich. Aber selbst das Sammeln
von Versteinerungen und Mineralien ist verboten! Es wird
also alles gethan, um ein Stück alten Staatsgebiets in voller
Urwüchsigkeit zu erhalten!

Gebiete derartiger Ausdehnung verdienen den Namen
„Nationalpark" mit voller Berechtigung. Welcher Segen
wird der späteren Bevölkerung aus denselben erwachsen,
wenn die umgebenden Ländergebiete der Ausnutzung durch
Menschenhand verfallen sind, wenn Städte und Ortschaften
sowie intensiv bearbeitete Kulturgebiete entstanden sind.
Dann werden sie nicht nur Belehrung über den Urzustand
des Landes dem Besuche gewähren, sondern von allem
Erfrischung und Erholung dem Tagesarbeiter durch den
Verkehr mit der wahrhaft ursprünglichen Natur! Ein der
Volksgesundheit dienendesGegengewicht gegen das hastende

und aufreibende Erwerbsleben der Neuzeit wird in ihm
heranwachsen, ein Hort idealer Volksgüter!

Dieser spätere Nutzen mufs bei Bewertung einer solchen
staatlichen Einrichtung in den Vordergrund gestellt werden,
und auf ihn gründet sich die Bezeichnung als „Park".

Der Begriff „Park" ist in unserer Betrachtung nicht
im engen gartenkünstlerischen Sinne aufzufassen, wo er
häufig selbst auf verhältnismäfsig kleine Gebilde der
Gartenkunst angewandt wird. Die Nordamerikaner sind
gewöhnt ihr Ziel weiter zu fassen. Sie bezeichnen als
„Parks" grofse Naturgebiete von Hunderten von Quadrat-
meilen Gröfse auf der Westseite ihres Landes, wo die ge-
schlossenen Waldungen allmählich in die offenen weiten
Prairien übergehen und in bunter Abwechslung, Wald,
von Wiesenblöfsen durchsetzt, Bergzüge. Thäler, Flüsse
und Seen die mannigfaltigsten Landschaftsbilder erzeugen.
F.s sind also landschaftlich bevorzugte Gebiete von her-
vorragender malerischer Schönheit. Ursprünglich mag die
Anwendung des Namens „Park" durch den Eindruck her-
vorgerufen worden sein, als ob ordnende Künstlerhand die
vielfältigen Gestalten gruppiert, bis er sich allgemein für
diese weiten Gegenden eingebürgert hat, ohne dafs man
sich beim Gebrauch des Ursprungs oewufst ist. Darum
verbinden die Amerikaner an und für sich schon mit dem
Namen „Nationalpark" den Begriff grofser, ausgedehnter
von der Natur bevorzugter Länderstrecken. Zur Erhaltung
der vorhandenen Naturschönheiten hat die Nation ihre
schützende Hand über diese Gebiete gebreitet. In diesem
Sinne ist auch in unseren Ausführungen der „Park"-Begriff
zu verstehen. Grofse Gebiete, reich an landschaftlichen
Schönheiten, welche die Natur ihnen gewährt, in denen es
sich nur auf Erhaltung und Aufschliefsung dieser Natur-
schönheiten handeln kann, nicht um Neuschöpfungen im
gartenkünstlerischen Sinne, die in solch grofsen Gebieten
kaum anders als kleinlich wirken könnten.

Wenn wir nun die für Deutschland vorgeschlagenen
Gebietsausschnitte von wenigen Quadratkilometern Umfang
zur Bewahrung ursprünglicher Gestalten aus den organischen
Naturreichen betrachten, so können wir sie mit den nord-
amerikanischen Schöpfungen nicht in Parallele stellen. Sie
sind lediglich wissenschaftlichen Charakters, naturwissen-
schaftliche Merkwürdigkeiten, botanische und zoologische
Gärten in erweitertem Mafsstabe auf heimische Individuen
beschränkt.

Die Nützlichkeit, und Zweckmäfsigkeit der Schaffung
solcher Wetekampschen Schutzgebiete soll durchaus nicht
bestritten, vielmehr in vollem Umfange anerkannt werden.
Doch aber Parks im dargelegten gebräuchlichen Wortsinne
sind sie nicht, und gewarnt mufs werden, zu glauben, dafs
mit ihrer Schaffung dem Parkbedürfnis Befriedigung ge-
worden sei; das kann niemals dort geschehen, wo aus-
schliefslich Belehrungszwecke verfolgt werden.

Andererseits mufs voll anerkannt werden, dafs bei
uns das Bedürfnis auf Erhaltung von Gebieten in freier
Natur, die der körperlichen und geistigen Erholung und
Gesundung der Bevölkerung dienen, vorbanden ist und
zwar in noch höherem Mafse als in Nordamerika. Aber
Flächen von wenigen Qu.-Kilometern können diesen Zweck
 
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