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DIE GARTENKUNST
IV, 4
Die fruchtbarste Gegend erscheint nüchtern und langweilig,
wenn der Baumwuchs fehlt, wovon in unserer Nähe die
Bördelandschaft ein treffendes Beispiel giebt. Sofort aber
entsteht ein reicheres und das Auge befriedigenderes Bild,
wenn auch nur mit Obstbäumen bestandene Gärten die
Ortschaften und fruchtbaren Felder durchwehen. Bs sind
die kraftvollsten lebenden Naturgestalten, welche das für
landschaftliche Schönheit empfängliche Auge im Vorder-
und Mittelgrunde des Landschaftsbildes verlangt. Un-
bewufst ist die Vorliebe für den Aufenthalt im Walde wohl
auch durch das Wohlbehagen mit veranlafst, das die reine
kräftigende Waldluft mit ihrem Sauerstoffrcichtum beim
Einatmen hervorruft.
Ks ist eine seltsame Erscheinung, dafs ehemals Kultur-
fortschritte und Wohnlichmachen der Erdoberfläche mit der
Lichtung des Urwaldes gleichen Schritt hielt, während
jetzt bei hochentwickelter Kultur der Bewohner die letzten
Reste der Bewaldung mit Vorliebe aufsucht. Im Walde
waren die ersten Wohnstätten unserer Vorfahren, heute
hat er sich weit von den Wohnungen entfernt. Die Vor-
liebe für die letzten Reste der Bewaldung läfst auf tiefere
innere lieziohungen des menschlichen Gemüts zu der ihn
umgebenden Natur schliefsen. Die letzten Spuren der ur-
sprünglichen Schöpfung, die bedeutenden und lieblichen
Gestalten der lebenden Pflanzenwelt ziehen ihn unbewufst
und mit Macht an sich. Wie Offenbarungen göttlichen
Geistes wehen ihn die Formen der schönen Landschaft an,
die noch unberührt ursprüngliche Züge sich erhalten hat,
und geben seiner Seele das fern von der Natur verlorene
Gleichgewicht im Verkehr mit ihr wieder zurück. Keinem
anderen Volke ist so tiefes Naturempfinden und solch Be-
dürfnis nach dem Verkehr mit der Natur wie unserm
deutschen eigen. Mit dem Verlust der Natur würde auch
dieser aus der Natur schöpfende Teil deutschen Wesens,
ein Teil geistiger Volksgesundheit und Eigenart verloren
gehen. Darum dürfte kaum ein Opfer zu grofs sein, das
einer Gemütsverarmung unseres Volkes in dieser Hinsicht
vorbeugen würde.
Hierfür giebt es kein anderes Mittel, als dafs man
danach trachtet, die Naturschönheiten und die noch vor-
handenen ursprünglichen oder ursprünglich seheinenden
Bildungen der Natur zu erhalten und damit die Wechsel-
wirkung zwischen ihr und dem menschlichen Gemüc
dauernd zu erneuern.
Nun könnte man ja fragen, ob hierzu die Mithilfe des
Staates unbedingt notwendig sei, ob es notwendig sei,
Nationalparks oder Schutzgebiete zu schaffen, ob überhaupt
zu befürchten sei, dafs weitere und bleibende Eingriffe in
den jetzt noch vorhandenen Bestand schöner Naturscenen
stattfinden werden.
Wenn wir die Entwicklung Deutschlands in der Neu-
zeit auch nur flüchtig überblicken, kann es nicht zweifel-
haft sein, dafs die letzte Frage bejahend beantwortet
werden mufs. Die Ausnutzung der Bodenflächen hat in
diesem Zeitraum bedeutend zugenommen. Wohl in jedem
Orte erfährt man von Flächen, die noch im Anfang des
vorigen Jahrhunderts bewaldet waren, jetzt aber Acker
und Wiesen geworden. Jede Bodennutzung ist an Intensität
bedeutend gewachsen. Jeder kloine, früher unbeachtete
Raum wird bestellt. Der wirtschaftliche Aufschwung, in
dessen Zeichen Deutschland seit mehreren Jahrzehnten
steht, macht sich nicht nur in der Zunahme des allgemeinen
Volkswohlstandes bemerkbar, sondern vor allem in einem
regeren Unternehmungssinn, der die nutzbaren Boden-
schätze aufzuschliefsen sucht, wo er sie nur findet. Dabei
wird meist dem augenblicklichen Gewinn jede andere Rück-
sicht untergeordnet. Industrielle und gewerbliche Anlagen
entstehen allenthalben und werden da gegründet, wo die
Anlage die meiste Aussicht auf Gewinn, sei es infolge
günstiger Verkehrslage oder wegen der Nähe der zu ver-
arbeitenden Rohprodukte oder wegen billiger Arbeitslöhne,
verhelfst. Solche Anlagen zerstören nicht allein durch
ihre grofse Flächenausdehnung einen grofsen Teil des
Bestehenden, sondern sie verunreinigen die Luft durch die
mit ihrem Betriebe verbundene Rauchentwicklung und haben
auch sonst, wie durch Ansammlung grölserer Arbeitermassen,
für den Freund dm' Natur und der Landschaft wenig an-
genehme Begleiterscheinungen im Gefolge.
Das geschäftige Erwerbsleben verbunden mit der Ver-
mehrung der Bevölkerung wird immer neue und bessere
Erwerbsquellen aufsuchen. Es'wird trachten, Felder und
Gärten an Stelle von Wiesen und Wald zu bringen oder
Wahl in Wiesen umzuwandeln, weil höherer Nutzen daraus
entspringt. Der Wald selbst wird lediglich mit Rücksicht
auf den höchsten zu erzielenden Gewinn behandelt. Die
unter der Erde lagernden Schätze als Erze. Gestein werden
abgebaut, wo sie nur Gewinn versprechen. Es findet also
eine dauernde, gleichmiifsig fortschreitende Umbildung der
Erdoberfläche zum Zwecke der Nutzbarmachung statt. Es
lieg! klar auf der Hand, dafs diese Umbildung allein an
keinem Punkte halt machen wird, wenn ihr dies nicht von
der Seite, die die Macht dazu hat, geboten wird.
Liegt also das Bedürfnis vor, den jetzigen Zustand ge-
wisser Gebiete in seinen hauptsächlichsten Erscheinungen
zu erhalten, so ist dies ohne das Eingreifen des Staates
nicht ausführbar.
Vorher war erwähnt, dafs gerade dem deutschen
Volkscharakter wie kaum einem zweiten tiefes Natur-
empfinden eigen. Die deutlichen und keine Schranken
kennenden Aufserungen desselben machen sich in dem be-
kannten deutschen Wandertriebe Luft. Alljährlich in der
schönen Jahreszeit strömen dank der erleichterten Ver-
kehrsmittel die Bewohner, wo sie es nur möglich machen
können, nach den landschaftlich bevorzugten Gegenden in
ungezählten Scharen, um sich in der Natur zu erfrischen.
Der Harz, der Thüringerwald, die Alpen, das Seegestade
und viele andere Gebiete werden von Besuchern über-
schwemmt. Meist sind es Stadtbewohner, die aus der
Enge der Mauern und der schweren, stauberfüllten Luft
in die Freiheit der Natur flüchten, um sich von der
hastenden, Geist und Körper aufreibenden Erwerbs- und
Beruf'sthätigkeit zu erholen und neue Kraft«; für die weitere
Arbeit zu sammeln, um ihren Kindern Körperkräftigung
in freier Bewegung uneingeschränki von polizeilichen Ver-
kehrsvorschriften, Fühlung mit der einfacheren und ge-
sunderen ländlichen Lebensweise zu verschaffen. Mit dem
DIE GARTENKUNST
IV, 4
Die fruchtbarste Gegend erscheint nüchtern und langweilig,
wenn der Baumwuchs fehlt, wovon in unserer Nähe die
Bördelandschaft ein treffendes Beispiel giebt. Sofort aber
entsteht ein reicheres und das Auge befriedigenderes Bild,
wenn auch nur mit Obstbäumen bestandene Gärten die
Ortschaften und fruchtbaren Felder durchwehen. Bs sind
die kraftvollsten lebenden Naturgestalten, welche das für
landschaftliche Schönheit empfängliche Auge im Vorder-
und Mittelgrunde des Landschaftsbildes verlangt. Un-
bewufst ist die Vorliebe für den Aufenthalt im Walde wohl
auch durch das Wohlbehagen mit veranlafst, das die reine
kräftigende Waldluft mit ihrem Sauerstoffrcichtum beim
Einatmen hervorruft.
Ks ist eine seltsame Erscheinung, dafs ehemals Kultur-
fortschritte und Wohnlichmachen der Erdoberfläche mit der
Lichtung des Urwaldes gleichen Schritt hielt, während
jetzt bei hochentwickelter Kultur der Bewohner die letzten
Reste der Bewaldung mit Vorliebe aufsucht. Im Walde
waren die ersten Wohnstätten unserer Vorfahren, heute
hat er sich weit von den Wohnungen entfernt. Die Vor-
liebe für die letzten Reste der Bewaldung läfst auf tiefere
innere lieziohungen des menschlichen Gemüts zu der ihn
umgebenden Natur schliefsen. Die letzten Spuren der ur-
sprünglichen Schöpfung, die bedeutenden und lieblichen
Gestalten der lebenden Pflanzenwelt ziehen ihn unbewufst
und mit Macht an sich. Wie Offenbarungen göttlichen
Geistes wehen ihn die Formen der schönen Landschaft an,
die noch unberührt ursprüngliche Züge sich erhalten hat,
und geben seiner Seele das fern von der Natur verlorene
Gleichgewicht im Verkehr mit ihr wieder zurück. Keinem
anderen Volke ist so tiefes Naturempfinden und solch Be-
dürfnis nach dem Verkehr mit der Natur wie unserm
deutschen eigen. Mit dem Verlust der Natur würde auch
dieser aus der Natur schöpfende Teil deutschen Wesens,
ein Teil geistiger Volksgesundheit und Eigenart verloren
gehen. Darum dürfte kaum ein Opfer zu grofs sein, das
einer Gemütsverarmung unseres Volkes in dieser Hinsicht
vorbeugen würde.
Hierfür giebt es kein anderes Mittel, als dafs man
danach trachtet, die Naturschönheiten und die noch vor-
handenen ursprünglichen oder ursprünglich seheinenden
Bildungen der Natur zu erhalten und damit die Wechsel-
wirkung zwischen ihr und dem menschlichen Gemüc
dauernd zu erneuern.
Nun könnte man ja fragen, ob hierzu die Mithilfe des
Staates unbedingt notwendig sei, ob es notwendig sei,
Nationalparks oder Schutzgebiete zu schaffen, ob überhaupt
zu befürchten sei, dafs weitere und bleibende Eingriffe in
den jetzt noch vorhandenen Bestand schöner Naturscenen
stattfinden werden.
Wenn wir die Entwicklung Deutschlands in der Neu-
zeit auch nur flüchtig überblicken, kann es nicht zweifel-
haft sein, dafs die letzte Frage bejahend beantwortet
werden mufs. Die Ausnutzung der Bodenflächen hat in
diesem Zeitraum bedeutend zugenommen. Wohl in jedem
Orte erfährt man von Flächen, die noch im Anfang des
vorigen Jahrhunderts bewaldet waren, jetzt aber Acker
und Wiesen geworden. Jede Bodennutzung ist an Intensität
bedeutend gewachsen. Jeder kloine, früher unbeachtete
Raum wird bestellt. Der wirtschaftliche Aufschwung, in
dessen Zeichen Deutschland seit mehreren Jahrzehnten
steht, macht sich nicht nur in der Zunahme des allgemeinen
Volkswohlstandes bemerkbar, sondern vor allem in einem
regeren Unternehmungssinn, der die nutzbaren Boden-
schätze aufzuschliefsen sucht, wo er sie nur findet. Dabei
wird meist dem augenblicklichen Gewinn jede andere Rück-
sicht untergeordnet. Industrielle und gewerbliche Anlagen
entstehen allenthalben und werden da gegründet, wo die
Anlage die meiste Aussicht auf Gewinn, sei es infolge
günstiger Verkehrslage oder wegen der Nähe der zu ver-
arbeitenden Rohprodukte oder wegen billiger Arbeitslöhne,
verhelfst. Solche Anlagen zerstören nicht allein durch
ihre grofse Flächenausdehnung einen grofsen Teil des
Bestehenden, sondern sie verunreinigen die Luft durch die
mit ihrem Betriebe verbundene Rauchentwicklung und haben
auch sonst, wie durch Ansammlung grölserer Arbeitermassen,
für den Freund dm' Natur und der Landschaft wenig an-
genehme Begleiterscheinungen im Gefolge.
Das geschäftige Erwerbsleben verbunden mit der Ver-
mehrung der Bevölkerung wird immer neue und bessere
Erwerbsquellen aufsuchen. Es'wird trachten, Felder und
Gärten an Stelle von Wiesen und Wald zu bringen oder
Wahl in Wiesen umzuwandeln, weil höherer Nutzen daraus
entspringt. Der Wald selbst wird lediglich mit Rücksicht
auf den höchsten zu erzielenden Gewinn behandelt. Die
unter der Erde lagernden Schätze als Erze. Gestein werden
abgebaut, wo sie nur Gewinn versprechen. Es findet also
eine dauernde, gleichmiifsig fortschreitende Umbildung der
Erdoberfläche zum Zwecke der Nutzbarmachung statt. Es
lieg! klar auf der Hand, dafs diese Umbildung allein an
keinem Punkte halt machen wird, wenn ihr dies nicht von
der Seite, die die Macht dazu hat, geboten wird.
Liegt also das Bedürfnis vor, den jetzigen Zustand ge-
wisser Gebiete in seinen hauptsächlichsten Erscheinungen
zu erhalten, so ist dies ohne das Eingreifen des Staates
nicht ausführbar.
Vorher war erwähnt, dafs gerade dem deutschen
Volkscharakter wie kaum einem zweiten tiefes Natur-
empfinden eigen. Die deutlichen und keine Schranken
kennenden Aufserungen desselben machen sich in dem be-
kannten deutschen Wandertriebe Luft. Alljährlich in der
schönen Jahreszeit strömen dank der erleichterten Ver-
kehrsmittel die Bewohner, wo sie es nur möglich machen
können, nach den landschaftlich bevorzugten Gegenden in
ungezählten Scharen, um sich in der Natur zu erfrischen.
Der Harz, der Thüringerwald, die Alpen, das Seegestade
und viele andere Gebiete werden von Besuchern über-
schwemmt. Meist sind es Stadtbewohner, die aus der
Enge der Mauern und der schweren, stauberfüllten Luft
in die Freiheit der Natur flüchten, um sich von der
hastenden, Geist und Körper aufreibenden Erwerbs- und
Beruf'sthätigkeit zu erholen und neue Kraft«; für die weitere
Arbeit zu sammeln, um ihren Kindern Körperkräftigung
in freier Bewegung uneingeschränki von polizeilichen Ver-
kehrsvorschriften, Fühlung mit der einfacheren und ge-
sunderen ländlichen Lebensweise zu verschaffen. Mit dem