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Die Gartenkunst — 4.1902

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Fritz, Carl: Durch die Centralschweiz nach Oberitalien: Vortrag gehalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0102

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IV, B

DIE GARTENKUNST

95

Aus einer der unteren Grotten heraustretend, befindet man
sich plötzlich in einem Haine von Magnolien- und Kirsch-
lorbeerbäumen mit echtem Lorbeer als Unterholz. Herr-
liche Oleander, die mit den feurigen Blumen an Oleander
erinnernde Lagerstroemiaindica,PlumbagoLarpentae. Riesen-
exemplare von Cypressen, hohe Eucalyptus globulus. Cedrus
Libani, atlantica und Deodara, Korkeichen, Araucarien —
alles dies fafst die geringe Erdscholle auf kleinem Raum
neben den mächtigen Vertretern der Tropenwelt, wie
Bambusa-Arten, von denen die zierlich überhängende
Bambusa gracilis hervorzuheben ist. Fächer- und Fieder-
palmen, Cycas, und die zwischen den Steinen an den
Mauern vegetierenden Kapern und Agaven. An dem grofsen
Terrassenaufbau mit seinem überfüllten statuarischen
Schmuck hat bereits der Zahn der Zeit genagt, so dafs
mehr das Grofsartige des Werkes, der üppige Pflanzen-
wucbs und der Blick von der obersten Terrasse herab über
den tiefblauen See hinweg auf die umgebende Landschaft,
auf die lieblich gelegenen Ortschaften am drübigen Ufer
mit ihren zahlreichen Villen auf den Berglehnen und auf
den fernen Simplongletscher das Auge fesselt. Gerne hätte
ich hier noch länger verweilt, doch leider wird man durch
den Garten ebenso geschäftsmäfsig schnell, wie durch die
reichen Kunstschätze des Palastes hindurchgeführt, so dafs
ich bereits das nachmittags um halb 5 Uhr abgehende
Dampfschiff nach Arona benutzen konnte. Bei einem
Abendspaziei'gang in die nächste Umgebung von Arona
betrachtete ich noch die auf einem Berge gelegene und
schon vom Schiffe aus beobachtete Kolossalstatue des
heiligen Carolo Borromeo, welche wenigstens so grofs ist
wie der Herkules auf Wilhelmshöhe bei Kassel: im übrigen
bot sich mir hier dasselbe italienische Städtebild wie in
Locarno.

Am nächsten Morgen ging's nach Mailand, wo ich
gegen Mittag eintraf Der Hotelomnibus brachte mich in
mein nach Bädeker als Sammelpunkt der Deutschem be-
zeichnetes, im Centrum der Stadt gelegenes Hotel Biscione
et Bellevue, Schon auf der Fahrt durch die Stadt bemerkte
ich nichts mehr von dem den kleinen italienischen Städten
eigenen Typus, sondern ich gewann den Eindruck einer
europäischen Grofsstadt. An der Hand eines im Hotel-
zimmer zur Benutzung der Gäste aufliegenden Führers
durch Mailand suchte ich nachmittags einige Sehenswürdig-
keiten der Stadt auf. Ich begab mich vom Domplatz aus
durch die nach Art der Berliner Passage gebaute Galleria
Vittorio Emanuele auf die piazza dellaScala, wo das Denk-
mal von Leonardo da Vinci steht: rechts abbiegend gelangt
man durch die via Manzoni zum Cavour-Denkmal und von
dort geradezu in den giardino publieo. Dieser Stadtpark
enthält im älteren Teile regelmäfsige, meist mit Rofs-
kastanien bepflanzte Alleen, ist aber im vorwiegend grösseren
neuen Teile im natürlichen Stil angelegt. Hierin befindet
sich ein grofser. 'langgestreckter Wasserlauf mit mehreren
Inseln. Naturholzbrücken, deren Geländer aus starken
Weinreben hergestellt sind, führen auf die gröfseren dieser
Inseln. Am Wasserrande findet man viele starke Taxodien
und Magnolien, als Unterholz Hydrangea paniculata. Der
Wasserlauf wird durch einen Bach gespeist, welcher vor

der Mündung sich in zwei Arme teilt und dadurch eine
gröfsere Insel bildet, auf welcher sich Volieren für edlere
Hühner, Fasanen, Pfauen und Störche. Wirtschaftsgebäude
und eine Meierei befinden Eine breite Felsenbrücke führt
unweit der ans einer Tuffsteingrotte hervorsprudelnden
Quelle auf einen Weg mit Felspartien hinter der Quelle
vorbei. In einer der gröfsten Felsblöcke befindet sich eine
Nische mit der Büste des Architekten Guiseppe Balzaretto.
(fber «lieser Felspartie liegt auf einem Plateau die Restau-
ration mit grofsem Konzertplatz. Wendet man sieh von
der Felspartie links, so gelangt man auf den grofsen
Schmuckplatz vor dem naturhistorischen Museum, dem
Museo civico. Die Mitte nimmt eine über 20 m hoch
springende Fontäne ein. umgeben von reichem Blunien-
und Teppichbeetschmuck. Von hier aus geniefst man über
eine weile, gut gepflegte Rasenbahn hinweg einen tiefen
Finblick in den Park. Seit dem Jahre 1897 ist auf dem
zwischen dem Arco della Face und dem Castello (jetzt
städtisches Museum) sich ausdehnenden grofsen Platze,
der ehemaligen piazza d'Armi. ein neuer Stadtpark ent-
standen. Vom Castello gelangt man durch die viaPontaccio
zum Palazzo di Brera. welcher wegen seiner berühmten
Pinakothek sehenswert ist, in welcher sich Werke aus der
biblischen Geschichte von den verschiedenen italienischen
Meistern wie Ferrari, Luini. Veronese, da Vinci, Correggio,
Raflael u. a. befinden. Nachdem ich diese Bildersammlung
wie auch den Dom am nächsten Tage besichtigt hatte,
fuhr ich weiter nach Como, um von dort aus mit dem
Dampfboot nach Bellaggio. dem schönsten Punkte des
Corner Sees, zu gelangen.

Auf der sehr interessanten Dampferfahrt kam ich bald
zur Uberzeugung, dafs der Corner See viel schöner isi und
an beiden villenbesetzten Ufern viel mehr Abwechselung
bietet, als der Lago maggiore. Mein Wunsch, derartige
schöne Punkte und Villengärten am Ufer des Sees kennen
zu lernen, wurde immer reger, je mehr ich mich Bellaggio
näherte. Dort fand ich auch während meines viertägigen
Aufenthaltes die beste Gelegenheit dazu. In der Schweizer
Pension von Melazzi erhielt ich ein billiges Logis. Mein
erster Besuch galt dem auf dem hohen Vorgebirge zwischen
den beiden südlichen Armen des Corner Sees gelegenen
Parke der Villa Serbelloni. Hier imponiert mehr die schöne
Lage als die gärtnerische Anlage, welche mit Ausnahme
der regelmäfsigen Anlage in der Umgebung der Villa nur
als freie, waldartige Anlage gelten kann; für die Unter-
haltung wird wenig gethan. Hohe Cypressen, starke
Magnolien und Paulownien, Quercus Hex und als Unter-
holz Pilsens aculeatus und die in die Bäume rankenden
Rosa Banksii sind erwähnenswert, ferner die schöne Allee
von Latanien und Phönix unweit der Villa am Seeufer
entlang. Vom oberen 'feile des Parkes hat man an meh-
reren Stellen wundervolle Ausblicke auf den nördlichen
Teil des Corner Sees einerseits und auf den See von Lecco
andrerseits.

Am nächsten Tage konnte ich den Garten der Villa
Melzi besichtigen, zu welcher Fremde nur an Donnerstagen
Zutritt erhalten und zwar für ein Eintrittsgeld von einem
Lire. Wie auf der isola bella sollte ich auch hier wieder
 
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