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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2815#0029

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-M Srscheist, Moatags ausgenominen, taglich.

Preis vierteljährlich 54 kr.

Dienstag, S. Zuli

JnsertionSgebührea für die Zspaltige Petit- M ^

zeile werde» mit - kr., bezw. 3 kr. oerechnet.

Der Prozeß Mirss

(Fortsrtzung.)

Paris, 29. Iuni. Der Zeugc Richardiere,
der von Herrn v. Germinp ernannte provi-
sorische Abministrator, welcher später vom
Handels-Tribuoal zum Liquibator der Lsisso
ä«8 ckemins ckc ksr crnannt wurbc, theilt
hieraus übcr den Stand ber Casse Folgcndcs
mit: Es befanben sich in Casse, oder sollten
sich darin befinden für 25,800,000 Fr. Titel,
nämlich 12,400,000 Fr. fehlenbc Titel und
13,000,000 den Kunben angehörige; dieselben
waren am leßten 10. Febr. abgeschätzt worden.
Unter den letzteren befanden sich die Titel des
Hcrrn Mirss und des Herrn Salamanca.

Präs.: Die fehlenden Titel betrugen also
die Summc von 12,400,000 Fr.

Der Vertheidiger Mathieu: Bon diesen 12
Mill. müffen die voir den Kunden geschuldeten
Summen abgezogen werden.

Mirss: Außer den Titeln des Hrn. Sala-
manca schuldetcn wir 11 Mill.

Der Slaatsanwalt wünscht, daß Herr Ri-
charbi'erc scine Aussagen vervollständige.

Er sagt: Wir konnten dic fehlenden Titel
nicht zurückgeben und mußten sie' kaufen. Zu-
erst gaben wir die Werthpapicre zurück, dic
wir auffinden komitrn, «nd für den Mehrbc-
trag gabcn wir andere Werthpapiere, die wir
in Eaffe hatten und bei Gelegenyeit eine Ver-
gütung in Geld.

Der Zeuge Bordeaur, mit dem vorigen Li-
qnidatvr der Caiffe, sagt, daß cr mit seinem
Collcgen eine große Anzahl Fordcrungen li-
quidirt habe. Es wurbe constatirt, baß im
Iahre 1859 eine großc Anzahl Tiiel verkauft
wvrden war; da wir alsv die ursprünglichen
Titel nicht zurückgeben konntcn, so machten
wir dcn Gläubigern den Vorschlag, ihnen die
nämlichen Titel zum Börsencourse, wie sie
am Lage der Transaktion standen, zn gebe».

Präsibent: Sic constatire» ein Deficit. —
Dcr Zeuge Bordeaur: Za; es betrug im Gan-
zen 13 Millionen, von denen 7*/, Millionen
Verschiedeuen, 3 Millionen Herrn Salamanca
und 1 Million Herr» MirsS zukamen. Un-
ter den Titel-Gläubigern befanrcn sich Per-
sonen, bie Titel gut hatten, aber Geld schnl-
beten. Wir machten den Abschluß am 21. Fc-
bruar; er stellte sich fvlgender Maßen: die
Activa beliefen stch auf 119,711,000 Kr., die
Passiva auf 161,000,000 Fr., so daß diese
fchlenben 42 Millionen auf das Gesellschafts-
Capital kommen, das 50 Mill. betrug.

Der StaatS-Anwalt: Es sind also nur 119

Millionen vorhanden, um 161 Millionen zu
repräsentiren. — Bordeaur: Ja; man muß
aber die 50 Millionen hinzufügen, so daß nur
8 Milll'oncn zur Verthcilung an die Actionäre
übrig bleiben. — Dcr Staats-Anwalt: Die-
ses ist richtig. — Mirss:-Jch unterziehe mich
sedem schicdsrichterlichen Spruche und untcr-
werfc mich demselben im Voraus. Jch bin
hier, um zu bewcisen, daß ich ein ehrlicher
Mann bin; das ist das Einzige, worauf ich
halte. ' .

Der Zcuge Bordeaur, einer dcr Liquidato-
ren, deffen Bernehmung hierauf fortgcsetzt wird,
bemerkt weiter, daß das Deficit (42 Millio-
nen) entsprungcn ist aus der Fordcrung des
Herrn v. Pontalba (1,700,000), aus dcr auf
der Eisenbahn von Pampeluna vorzimehmen-
den Rcduction, dcren Concession um 22 Kilo-
meter verringert worden ist (1,890,000), aus
der willkürlichen und zu hohen Abschätzung
der Jmmobilien und der Kundschaft des ckoni-
oal,,ckes cdewins cke ksr (1,720,000), auS
der Entwcrthnng der zum Pari-Course be-
rechnetcn Werthpapiere (14 Millionen), aus
dem Verluste auf die laufenden Rcchnungen
(12 Millionen) und endlich aus 8,750,000)
Fr-, Ziffern, auf wclche die Commission für die
römischc Eisenbahnen reducirt werdcn muß.

Mires: Jch muß hier einc Bemerkung über
die Geschästsführung der Liquidatoren machen.
— Prästdent: Wir haben Jhre Geschäftsfüh-
rung nicht zu beurthcilen. Wenn Sic dcnsel-
ben eincn Prvceß zu machen haben, so wenden
Sic Sich an die competente Gerichtsbarkeit.

Mires: Gvtt bewahrc mich vor einem Pro-
ceffe! Ich erkläre im Gcgcntheil im Voraus,
alle von Jhncn gemachten Transactionen zu
ratificiren. Jch wünsche von den Rechnungs-
abschlüffen zu sprechen. — Dcr Staatsanwalt
will vieükicht den Rechnungsabschluß des Jah-
res 1860 angreifen, indcm er sich auf ven
Bericht der Liquidatvren stützt. Nun wird
män aber nicht begrcifen, daß das Deficit von
42 Mill. das Resultat einer brutalen That-
sache ...., die mich nach der Denunciation dcs
Herrn v. Pontalba traf. (Forts. f.)

* Faucher in Heidelberg.

Zwütlr Vortrag.

Heidelberg, 6. Juli. Scincn zweiten
Vortrag hat Faucher heute vor einer Zuhörer-
schaft gehalten, die wie bei dem erstcn, aus
Gewerbsleuten und zu einem großen Theil
aus wiffenschaftlich Gcbilvetcn bestand und
fast noch zahlreicher erschicn wie jene.

Bevor dcr Volksredner, äls welcher Faucher
stch charakterisirt, zu dem eigentlichen Gegcn-
stand seiner heutigen Darstellung, zur Frei-
zügigkeit, überging, hatte cr noch einen für
das cnglische Gewerbsleben wichtigen Gewerbs-
zweig nachzuholen, nämlich das Monopol der
Schankwirthschaften. Er zeigte uns zunächst
ihr Entstehen, ihre Beschaffenheit, ihre wirth-
schaftliche Bedeutung und ihr Vcrhältniß zu
andern freien Gcwerben, insbesondere ihre
Abhängigkeit von dem frcien Gewerbe der
Brauerei. Diese Wirthschaftcn stnd ein aus
dem Klima uNd dem Volkscharakter hcrvorge-
gangcnes Bedürfniß. Die Konzesston zur Er-
richtung einer Schankwirthschaft ertheilt der
Friedensrichker nach Anhörung der Nachbaren.
Sie muß alle Jahre erneuert werden; die
öffentlichc Sicherheit ist dabei zunächst maß-
gebend. Die Schankhäuscr sind der Anlage
und Beschaffenheit nach von den gewöhnli'chen
Wohnhäusern verschieden. Das Wirthshaus
hat gemeiniglich zwei Schilde, ein röthes und
darüber ein blaues. Auf letzterm ist der
Name der Brauerei z. B. 'l'rutrvon uock
Loxer entiis zu lesen, von welcher dcr Wirth
das Bier zu nehmen hat, kraft besondern Ueber-
cinkommens. Zu Schankwirthen eigncn stch
dort vorzüglich und fast allein die butlsis
(Oberkellner, Geschäftssührer, Geschäftsauf-,
schcr u. dgl.), Dle Schankwirthc gehen also
aus der dienendcn Klaffe der Bevölkerung
hervor; ste werden selten selbstständig, wie
z. B. der Commis, der sich zum Kaufmann
aufschwingt und als solcher zu den höchsten
Bürgerwürden gelangen kann, weil ihrc Ge-
werbe sie den Hänben der Bierbrauer über-
antwortet. Das Monopol wird dcm freien
Gewerbe der letztern tributpflichtig. Der
Schankwirth bezieht sein Bicr von dem Bier-
brauer. Er erhält keine Rechnung bis er
überschuldet ist; dann muß cr chm alles vcr-
pfänden iivd wird scincr Schuld nicht mchr
los. Zn London gibt es 7000 konzesstonirte
Schankrechte, darunter 6000 abhängige.

Aof dic Freizügigkeit übergehend, sagt Fau-
cher: Wahre Gewerbfrciheit kann ohne Frei-
zügigkeit nicht gedacht wcrdeu. Ansbesonderc
hat diese den unmittelbarsten Einfluß auf die
Lage der arbeitenden, nicht selbstständigcn
Klaffen; Freizügigkeit ist dic Bcfogniß, scin
Geschäft wo man will zu treiben. — Zn Lng-
land darf Zeder sich niedcrlaffen, wo er will
und zu jeder Zeit treibcn, was er tretben
mag. Er ist vvm crsten Tage an, wenn er
Steuer zahlt und sich einregistriren läßt, in
der Gemeinde wahlbcrechtigt ünd wählbar nnd

D»rch Lacht zum Licht.

Lcbensbild von Joseph Rank.

(Fortsktzulig).

„Wrffcn ist Wacht", laS er eines TageS, und ob-
gleich scinc Jugcnd noch nicht im Stande war, die
ganze Tragwcite dicses Satzes zu ermeffen, somachte
dcr Gedankc ihm'doch zu schaffen und er hing ihm
lange ernsthaft nach. . .

Drer Jahrc warcn so untcr kleinen WechselfSllen
drS Lcbens, im Ganzen aber ohne Störnng der
Liißeren Verhältuiffe Eduard's, vorüber, als der
Lag erschien, wo seinc noch lebende Schwester ans
dem länblichen Znstitute entlaffen «urbe und zu
ihrem Bruder auf Besuch in die Stadt kam.

.Es handelte sich jctzt darum, für die nahczu sechs-
zchnjährigc Hcrmine theils in Bezug anf ihren lln-
terhalt, theils um ihre Ausbildung zu »ollenden,
Sorge zu tragcn.

Und Eduard war für diese Aufgabe nicht unvor-
bereitet.

Nachdem er seine überraschend schön aufgeblühte
Schwester mit herzlicher Freude «illkommen ge-

heißen, sagte er ihr, daß cr bereits mit der Vor-
steherin dcS bcsten Stadtinstituis gesprochen habc,
um stc zu bewcgen, Herminc gcgen den üblichen
Gchalt «in Iahr lang in ihrc höhere Anstalt auf-
zunchmen und dercn Ausbildnng so weit zu vollcn-
den, daß fie mit gutem Wiffcn. und Gewiffen dic
Stclle einer Erzieherin in eincm wohlhabendercn
Haufc übcrnehmcn könne.

Auf die Fragc dcr Schwester: ob denn derBru--
der die Kosten dieses Borschlages würde bestreiten
können, trat Eduard heiteren AugeS zu cinem Wand-
schrank hin und holtc cine Blechbüchse, wclche seinen
Schatz von Ersparniffcn cnthiclt.

„Da, liebes Schwestcrlein", sagtc er und schüt-
tete den zicmlich ansehnlichen Jnhalt auf den Tisch:
„Das hier habe ich von meinem Stipendium zurück-
gclegt, welches bereits zu dreihundcrt Gulden jähr-
lich angewachsen ist; und das da habc ich durch
englrschc Stunden, die ich jctzi zwcimal die Woche
gcbe, crworbcn. Zusammen reicht eshin, Dich ein
Iahr lang gut zu untcrhalten und zugleich zu sor-
gen, daß Du ordenilich stadimäßig gcklcidet wirst!"

Hermine bkicb nun einige Tagc bei dcm Bruder
in der Wohnung seiner Quariierleui«, und die Er-

zählung beiderseitiger Erlebniffe wollie krin Endc
nehmen. Es zeigte fich auch hier, daß Grschwister
ihren Werth und ihre Liebe erst recht erkenncn ler-
nen, wenn ste nach langer Trennung und schweren
Prüfungen fich «ieder findcn.

Während ihres AnfenthalieS bei dem Bruder ging
Hermine ofi mii Lctzterem durch die jchönsten Theile
der Stadt, bctrachietr fich das Haus, wo fie mit
dcn Eltcrn cinst gewohnt, und einmal besuchte sic
auch dte väterliche Villa, wo sir als Kind sv fchöne
Tage »erlebi. Der Eindruck auf sie sowoht als
auf ihren Bruder war ein iiefer, und frohe und
irübe Erincrungen drängtcn fich auf ihre Zunge.

„Du kannst mir gkaubcn, Schwester", sagte Edu-
ard einmal, von eincr svlchen Wandcrnng znrück»
kehrend — „Du kannst mtr gkauben, daß ich nur
einen Hauptwunfch in mir iragc Nyd hege, und der
iß: cs recht bald ^i viel Gcld unö Gui zu bringen,
dantii ich es wieder habe, wie im lieben Eltern-
Hause. Kcine Sorgc soll mich plagen, für allc er-
laubtcn Genüffe soll «ie von selbst gesvrgt sein,
ich will mich zurückziehcn, stillc halten — freuen,
nichts als steuen und mir dcnken, noch immer 'in
der Obhut der Mutter, im Behagen des Eltern-
 
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