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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2815#0274

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M 215


Freitag, 13. September ^ L8«L.

O Einiges zur Frage über Errich-
tung eiuer hvheren Töchterschule.

II.

Wir haben schon in einem frühern Artikel
uns dahin auSgesprochen, daß es Pfiicht des
einzelnen Bürgers, wie einer Gemcinde und
des Staates ist, für cine geeignctere Erzie-
hung und Ausbildung der Mädchen zu sorgen.
Das, was seither für die Ausbildung der Kna-
ben geschehen ist »nd noch geschieht, steht in
eincm außergcwöhvlichen Berhältniffe zn dem,
was die Gemeinde und der Staat für die
Mädchen thut. Die in vielen Städt'en errich-
teken höheren Töchtcrschulen licfern ben Be-
wcis, daß man die Wichtigkeit einer beffern
weiblichen Erziehuug erkannt hat; allein bie
Fälle stehen immer noch zu vereinzelt da, als
daß der Wichtigkcit der Sache nur irgend cin
entsprechendes Aequivalent geboten wäre. Dcr
Staat hat bis jetzt nur in einer Beziehung
für die Ausbildung der Mädchen gesvrgt, d. i.
durch bie Elementarschule. Mit dieser war
jede weikere Äusbildung der wciblichen Jugend
den Privateü oder der Gemeinde überlaffen.
Auch bieses Berhältniß beklagen wir mit dem
Verfaffer des Artikels ss im Heidelb. Journ.
und wünschen, daß dcr Staat in zweiter Li-
nie mit die Sorge der weiblichen Erziehung
vom 13. Jahre an, wcnigstcns in größereu
Städten theile.

Doch in erster Reihe find es immer die Ge-
meinden selbst, die die Sache ernstlich zur
Hand nehmen und Schritte, ernstlichc Schrttte
thun, um für eine öffentliche, zwcckmäßige AuS-
bildung ber Töchter zu sorgeu. Die Gemeinde
ist es auch, die seithcr dic Errichtung dcr hö-
hern Bürgerschulen beantragte, fundirte und
für dcren Ausstaktung svrgte; der Staat gab
jährliche Beiträge von 250—1000 fl. So bc-
lief fich z. B. der Staatszuschuß der hiefigen
h. Bürgerschulc seilher auf 1000 fl. Dafür
behielt fich die Staatsregierung die Auftellung
der Lehrer vor und führt die Aufsicht über
die Anstalt. Jn andern Städten ist der Bei-
trag geringer. Die Slaatsregierung hat bis
jetzt in kcinem Falle gesagt: Gemeinde, du
mußt eine höhere Bürgerschulc errichten! Eben
so wenig wird er sich in die Lage versetzen,
zu sagen: Stadtgemcinde H./ bu mußt eine
höhere Töchterschule errichten» Aber daran
möchten wir nicht zwcifeln, daß in der Folge
der Staat auch diesem Znstitute eine gleiche
Sorgfalt, oder wcnigstens annähernd gleiche,
wie der höhern Bürgerschule angedeihen laffen
wird; er wird es thun,. weil es in seinem

Unvrrhofft.

Bon Hermann Schmrd.

.(Fortsetzung). ^

Er schüttelte ihr die Hand und ging; Cillt aber
wurde in die Vergnügungen deS Tanzcs hineinge-
zogcn und kam den Tag nicht mehr dazu, Franzen
zu begegncn odcr cin Wvrt'mit ihm zu wcchscln.
Er htelt sich offenbar mit Absicht fern, aber daß
er vergnügt war, zcigtc er bald, denn als man
wieder mit der Bittc um d«s Lied vom Wiedcrhall
angezogcn kam, weigerte er sich nicht mehr. Er
sang das Lied und sang cs so schön, «ie es ihm
noch nie gclungen war. Der Beifall wollte kein
Ende nchmen; die Mädchen aber, dencn das langc
Gcspräch mit Lillt und dcffen Vertraulichkeit nicht
enlgangen, waren nun durchaus cintg in ihren Ver-
muthungen, wem das Lied gelte. Eilli sah dabet
anscheincnd ganz ruhig vor sich hin, abcr «aS die
andern nur vcrmutheten, das hörte sic aus dem
Liede als Gcwißheit heraus. Auch an dem Ge-
spräche, das fich daraus entspann, nahm fie keinen
Theil. Ein alter mzinterer Bauer «ollte durchaus

höchsten Znterrffe ist; er muß eS thnn, weil
er auch sür daS weibliche Geschlecht gcsteiger-
ten Bedürfniffen im Können und Wiffen Rech-
nung zu tragen verbunden ist. Uebrigens darf
eine Gemeinbe wic Heidclberg nicht zuwarten,
bis diese Schritte vom Staate gethan sind;
fie muß in Anbetracht der Nothwendigkeit ei-
ner beffern wejblichen Erziehung, in Anbe-
tracht der veränderten socialen Verhältniffe
u. Ä. m. bic Jnitiati've ergreifen und für
Errichtüng einer höheren Töchtcrschule sorgen.
Wir begründen un.sere Behauptung noch wei-
ter darin, daß

1) Jede HauSfrau zugleich Mutter und erste
Erzieherin ist.

Zhr ist viel, sehr viel in die Hände gelegt;
die Pflegc, Erziehung des Kindes in den er-
sten Jahren. Welche Eindrücke hicr entfiehen,
sind blcibcnd nnd schwer nur zn besel'tigeu und
zudem kann nur derjenige oder diejenigc cr-
ziehen, welcher oder welche sclbst gut erzogen
ist. Den Kinderseelen sollen nur gute Grund-
sätze beigebracht warden und in ihnen der
Keim zu einem religiös-sitilichen Leben ent-
wickelt werdcn.

Auch an die Mutter wenden sich die schul-
pflichtigen Kinder um Rath, Hilfe nnd Unter-
weisung in häuslichen Aufgabcn. Wie trau-
rig ist cs, wenn die Mutter bei einfachen Fra-
gen bcschämt dasteht und cine Hilfe nicht bie-
ten ka»n.

2) Sie ist auch zärtliche, trrue Gattin, soll
«s sein.

Schön äußert sich hierüber Penelope: ,,Das
Weib ist vvm Schöpfer nicht blos dazu be-
stimmk, die Kinder, diese hilfebedürfenden Wc-
sen in die schirmenden Arme der.Liebe aufzu-
nehmen, sie zu Pflegen, ihre ersten Schritte zu
leiten, ihnen Schutz und Beistand und später-
hin Lehreriu und Vorbild zu sein, svndern
auch dazu, den Züngling unv Mann durch
Licbe zu beglückeu, unb ciuen erheiternden,
bildenden, vcredelnden Einfluß auf das männ-
liche Geschlecht auszuüben nnd das ewige
Feuer der Humanität im Hciligthum eines
zarten, reinen Hcrzens zu bewahren, glcich
der Priesterin der Vesta, im Znnern deS Hau-
scs den stilleu Gottesdienst ber Unschuld Nnd
Tugend zu eotfalten, damit der Mensch nicht
in der Eiszone des körperlichen Lebens er-
starre und die äußeren Slürme nicht auf das
innere feste Glück des Lebens einstürzen. Die
Frauen sollen Honig in den bittern Kelch des
Schicksals träufeln, das Unebcne und Schnei-
dendc ebnen unb glätten, das feinbliche Stre-
bcn bes Manues auf das Gute und Rechte

«iffen, wie Franz darau gehe, wenn er so einen
neuen Gesang zusammendichte, und wollte es gar
nicht glauben, als ihm dieser versicherte, er setze sich
irgendwo im Walde oder auf dem Felde hin und
kaffe sich die Sächen eben etnfallen. Die kleine
Waldblöße am Wafferfallftctg sei ihm dazu am
liebsten, da sei es so recht ruhig und heimlich, wie
tn einem Kirchlcin. „Aha!" metnte der Alte, „die
mit den einzelnen drei Tannen? Ja die Blöße kenn'
ich «ohl, abcr ich hab' nvch nie nichts B'sonders
dran g'sehn!" — „Besonderes ist auch nicht dort",
antwvrtcte Franz, „aber man find't dort manchmal
wundcrschöne Blumen." — Cilli erröthetc bis an
die Schläfe; Franz sah es gar «ohl, aber er schien
es -nicht zu bemerken — nun «ußte cr doch gcwiß,
woher ihm damalS' die Relken zugeflogen waren.

Den Tag nach dcr Hochzeit ging Cilli wicdcr der
Ar.beit im Hause ngch; sie war schweigsam und gab
auf dic Frage» deS Vatcrs, wie es dcnn bei der
Fcstlichkeit zugegangen sei, nur die nöthigsten kür-
zesten Antworten. Dieser war durch Unwohlsein
abgchaltcn wordcn, auch dabei zu sein, und mußte
fich an die Base wenden, «enn er setne Neugierde
besriedigt haben wollte. Diese «ar dagegen um so

hinlenken und im eigenen Gärtchen holdc Blu-
men der Unschuld und Liebe sorgsam pfle-
gen. Sie sollen dic eigenthümlichen Fähig«
keiten, welche die Natur in ihre sseele gclegt
hat, entwickeln, schärfen und erhöhen; jene
Behendigkeit, das Schöne aufzufaffen, jene
Leichtigkeit, es auSzubildcn und darzulegen, jene
Blüthe der Einbildungskraft, jenen hcitern
Humor, jenen unsichtbaren Zauber, welcher
Todes belebt und Dürres brfruchtet, jenen
schnellen tiefen Blick in die Herzen Anderer
und die unnennbare Gewalt, die sich ihrer
bemächtiget.« Wahrlich eine große, schwere,
bedeutsame Aufgabc, und wie soll sich denn
das Weib all diefe Eigenschaften und Tugen-
den und Fertigkciten aneignen? Zft ihrer
Bildung in der Elementarschule so weit Rech-
nung getragen, daß sie aü dicsen hohen An«
forderungen genügen kann? Antwort: nein;
bis jetzt fehlt ein westntlicher Theil der öf-
fentlichen Erziehung, namen.tlich für Löchter
in größeren Städten, an die anch bie Anfor-
derung in weit höherem Maße gestcllt werden.
Und wahrlich, faffen wir vas von Penclope
nochmals ins Auge, so werden wir uns be-
schämt gestehen müffen, daß wir Männer unS
an der weiblichen Erziehung wahrhaft ver-
sündigen, daß wir nicht dahin wirken, daß ihr
für ihrcn schweren Wirkungskreis, für ihren
hohen Bcruf keine weitere und gediegenere
öffcntliche Ausbildung gewährt wird. Daz«
kommt ferner:

3) An dem Weibe kleben nicht minder die

Sorgen des zeitlicheu ehrbaren Fortkom-

mens.

Hören wir, was Penolvpe auch darüber
sagt: „dem Weibe liegt überdies als HauS-
frau die Pflicht ob, für bas HauS zu leben
unv Sorge zu tragen, daß der gemeinsame
Besttz crhalten werbe, daher vorzüglich daheim
daS Nächstliegcnve zu ordnen und zu verwaltcn
und wie den Gcist eer Tugend und Sittsamkeir,
so auch dcn Sinn für Ordnung, Reinlichkeit,
Sparsamkeit im häuslichen Kreise zu.wecken
unv zum vocherrschenven zu machen.« Und
fügen 'wir dem bei, wie oft, ja gar zu ost
hängen aüe Sorgen an dem Werbe. DaS
Kfnd schreit nach Brod, die Mutter will, fie
känn, sie muß reichen. Wo die lieb.
lose Hand des Vaters Tausende von Gulde«
in schnödem Leichtsinn vergeudet, sorgt, schafft,
spart und wirkt dic zärtliche Mutter, noch
das zu erhalten, was ihr möglich »st. Um
ste schaaren sich liebend dic Kinber und Ue-
bende Blicke dankbarer Hcrzen träufel» Bal,
sam in das tiefgebeugte und bekümmerte Herz.

bereitwilliger, aus dem Schatze ihrer Erfahrungm
mitzutheilen.

Der alte Harrasbauer saß in der Stube in dem
hohen alten Lederstuhl und sah in den Hofraum
und ins Freie hinaus. Es kam das in dcr letzten
Zett tmmer öfter »or, daß er eine grvße Müdig-
keit in den Bcinen verspürtc und daß ihm das
Ruhen so wohl that, «Lhrend er es »or kurzem
nicht einc Viertclstunde in dem Stuhl ausgehalteu
HLtte. Es mochte ihm allcrlcidurchdenKopfgehcn;
denn manchmal nahm er die schwarze Zipfelmütze
ab und hiclt sic zwischen den zusammcngefalteten
Händen. Dann suhr er sich wieder über denhalb-
kahlen Scheitel und brummte einige unverftänd-
liche Laute vvr sich hin. Als Ctllt cbe» wieder an
der offenen Stubenthür vorbeiging, rief er fie'herein.
„Da setze dtch her zu mir", sagte er; „ich hab' waS
zu reden mit dir. Die Base soll schau'n, daß ge
allein fertig «ird in der Kuchel.«

Cilli setzte fich ihm gegenüber an den blankge-
putztcn mächtigen Eßtisch, er sctzte sich recht bequem
die Zipfclhaube auf und begann. „Jch muß dir
sagen, Cilli, ich glaub', ich geh'auf dic lctztcn Füß'.
Die Schwachheit kommt jetzt allkwetl öster ü-ep
 
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