Srschelnt, Montags ausgenomnten, taglich.
Meis vietteljährlich 54i kr.
M; 18L.
Donnerstag. 8. August 18HL.
Bestcllungerr auf die
Heidelberger Aettuug
füt vie Monate August und September
werden für hier mrt 36 Kreozer angenommen
bei der Expedttion.
rr Zur Lage Tyrols.*)
I.
Nachdem wir in unserem Blatte in etntgea
größercn Aufsätzcn die vergangtne nnd gegen-
würtige Lage Ungarns, Böhmens u. s. w. ge-
schilvert habe», wollen wic nunmehr dasselbe
in Bczug auf ein anderweites Kronland der
östrrreichischen Mvnarchie unternehmen, wel-
chcS bisher, so ziemlich im Gegensatze zu
Uügarn, „dem Salze Oesterreichs", als daS
zufriedenste und crgebenste des Kaiserstaatrs
galt. Es wird aus dteser nnserer Schilvc-
tung jedoch ersichtlich werden, daß Man fich
i» dieser Bczikhung mitunter arge» Täuschun-
gen hingegebeil hat. Dic cigentlichc gute alte
Zeit ist nämlich sür Tprol schon mit dem vv-
rigen Jahrhunderi zu Ende gegangen. Daß
dereiNft eigene Fürsten habSburgischen Stam-
mes im Lande saßen, deren Hoflager zu deu
glänzeudsten iN Dcutschland gehörte, daß sei-
nerzeit in Tpröl die Bergwerkd einen währ-
haft großartigen Segen boten und das Land
in ricsem Belange fast zum reichsten Lauvr
wachten, auch großes Bermögen Untrr Sladt-
und Landvolk verbreiteten, daß mannigfache
Jnduftric und etu sehr bedclltcuder TraNsil-
handel uach Ztalien reichlichen Gewinn ad-
warfen, zumal zu ei»er Zeit, wo die Abgaben
noch gering UNd die Einnahmcn groß waren,
und die StäUVe in öffeutlichen Aligelegenheiteu
Nöch kin kräftiges Wort mitsprachen — Alles
dieses gehört schon längst der Geschichte eiuer
»ergangenen Periodc an, nnd wird höchstcns
noch in ver EriNnerung der Jetztzeit als Zbcäl
aufgefrischt und ausgemalt.
Neucrcn N-chrlchteu zufolge zeigt c« fich immer teut-
ltcher, e«ß tie lettigc Protcstaulenhctzc, wodurch daS Kunt
u„d Vol! voa Tyrol im Zahre tktit bet dea Freuadea
te« Foitichritle« mehrmalS ia so a,gm Mißcxedil kam,
l-digltch ein Werl der Gcistlichkeit >»ar, uad daß aur zum
kleinstea Thetl dcßhalb ctn Vorwuif tas btcdere und kcr-
alge Thiolcrvolk sclbst tresfen kaaa. 3u dm Städlcn,
wie Jnasbruck i>. a., hat dcr zclotische Eiscr dc, Geist.
lichkeit aic Etagang gefuadca, und aus dcm Laade, zvy
dteseS thctlwetse geschah, bereitet fich jctzt schoa, z- B. im
Unlerianthalc, cin Umschlag »or. wie eine von dort än
tcn ltberalcn Abgcotbnetcn vr. PfrctfchNcr gcrichtete
Adrisse beweist. — Al« eigenlltche Vcstc dcs Ultramonta-
nismus bleibt zulctzt wohl nur daS voa eiaem bäaerlichcn
Proletariate bcwohate Oberinnthal übrtg.
Der Geisterritt.
Eine VolkSgeschichte non Kcodor WLhl.ch)
Es «ar eine von jcnen stillcn, gchcimnißvollen
Nächtcn, «ie fic dcr Hochsommer Dcutschlands so
häufig bietct. Der Mond schicn hellund klar, nur
dann und wann von rasch dayinziehendcn Wolken
getrübt, die «ie «andelnde Schatten goisterhast übcr
dcn Himmel'fiogen, untcr dem rings hernm dic
Landschaft, wclche der Schauplatz unserer Erzäh-
luug ist, «ie im Traume zu liegen schicn. Stille
herrschte über dem Dorfe, übcr Feld nnd Wicsc,
über der ganzen Gegeüd rings umher. Nur die
Mühle, die fernab auf ciner Anhöhe wie ein wach-
samer Vorpösten der menschlichen Wohnungen auf-
gestellt stand, kiipple und klappte mit ihrcn RL-
dern -und Klügeln iustig im Windc, der vowOsten
her wehte und nachdem cr mit dcm Erlengcbüsch,
däS den filbcrn aus dem Thalgrund« heraufschim-
mernden Bach umsäumte, leise tändelnd gcwispert
'j Die „Hamb. Nachr." gebcu diese kleine ErzLhlung
als Probe und VdrlLüfer emer Sammluug „Ustheim-
licher Geschichtm", wclche der Herr Versasser gcgen deu
Herbst hin jn 'den Buchhandel gelangen lassin ivlll.
AÜbekannt ist der UnabhängigkeitSkampf der
Tproler im Zahre 1809, der diesem kernigen
Gebirgsvolke einen Ruf fast in allen Ländern
erworbe» hat. Das Jahr 1814 kam herbei
und mit diesem siel Tprol wieder an Oestcr-
reich. Jm Aahre 1tzi6 zeigte sich der ersehnte
Kaiser Franz zum erstenmale wieder zu ZnnS-
bruck. Man mcinte mil ihm die gute alte
Zeit selbst wiederkehren zu sehen, man sah
einer rosigcn Zukunst entgegcn und ber Jukel
war unermeßlich.
Eineu guten Eindruck machte es namentlich,
daß Käiser Franz sofort die alten Landstände,
welche unter der centralisirenden bairischen
Rßgierung aufgehoben waren, wieder herstellte.
ES waren diese tn 4 Slände gegliedert, Prä-
laten-, Nitter-, Bürger- und Bauernstand.
Kaiser Franz licbtc das Alte, patriarchalische
unb iu diescm Sinne stellte er denn aüch den
Tprolern ihre alte Verfaffung wieder zurccht.
Er mochte die tiefgkwurzelte Anhäuglichkeit
dicses GebirgsvolkeS an das alte Herkommen
gut kennen und zugleich wohl ahncn, daß es
mit den sogen. vielhuudertjährigen Frciheiten
dem fetzigeu Regifrungsspstem gegenüber keine
besvndere Gesahr mehr habe. Diese Freihei-
ten sührten in dcr That nur noch ein amt-
lichcs Kanzleileben. Wcnn nun aber auch
der Tproler von damals kein besonderes Ge-
wlcht auf Antheil an der Gcsetzgebung unb
andere landständische Prärogativc legte, so
mochte er doch die Steuerbewilligung kräftig
uud lebendig gewahrt wiffen. Wie bei an-
dern Menschenkindern äuch, so ist auch bei
ihm dcr Gcldbeutel ein Punkt, wo dic selbst-
genügsame Gcmüthlichkeit zuletzt aufhört. Trotz
einer besondern Eingabe, welche die Ständc
in diesem Bezuge an den Kaiser richteten, und
worin fle namentlich die große strategische
Wichtigkeit ihres Berglandes für Oestcrreich
im Gcgeiisatz zu deffen jetziger geriiiger finan-
zieller Bcbeütung auseinandersetzten, wurde
bereits im Jahre 1817 eine aüßerorbentliche
Steuer in sechs Terminen (zu 543,000 si.)
ausgeschricben. Der Geldbedarf des Kaiser-
staatS war aber schon damalö ins Ungeheure
gewachsen und es erlaubte dieser Umstand
Nicht, die gefürchtetc Grasschaft in Steuer-
sächen gleichsam als einen unabhängigen Frei-
staat zu betrachten. Auch in anbcren Abga-
ben konnte sich bie Regierung in Wien nicht
gefälliger zeigen. Es blieben biese, wie schon
ünter der baierischen Herrschaft, nach wie vor
fortbestehen. Jm Zahre 1818 wurde sogar
die Stempeltare neu eingesührt, vbwohl diese
Tarp von ber Landschaft früher baar abgelöst
hatte, fich mit ciner Art von Wollust in die Wal-
dung hineinwühlte, welche dte jcnseitige Höhe krönte
und mcilcmveit dte Erde bcdecktc.
Vvr dieser Waldung, auf einer Hügelplakte, lag
das FörsterhauS, daS der junge, auf der Forst-
Acadcmic gebildete Förstcr Elers mit seiner Gat-
tin, einem Revieejäger, rinem Knccht und zwci
Mägden inne hatte. Die um das Amtsgebäude
herum crrichteten Ställe und Schcuncn, die cin
ganz anschnlrches Gchöft auSmachten, bewieftn, daß
dcr Bcfitzer von dicstm Allen fich nicht blos anf
sein eigcntliches Geschäft befchränktc, sondern da-
mtt 'anch etwas Landwirthschaft verband, für die
er von Hauft aus bestimmt und erzvgen war und
dic er auch getrieben hattc, bis er endlich nach dcm
Tode ftines Vatcrs, cines alten, rcichen Bauern,
ftiner Lust zum edlen Waidwerk ntcht mchr gebie-
ten konnte und fich deren Studium auf's Eifrtgste
widmete.
Nach Vcrlauf »on etwa vicr Jahren «rlangte er
dic Amtsförsterei hier auf Rvdewald und nachdem
er fich ordcntlkch darin zurecht gcrückt nnd hcimisch
gemacht, holte cr fich Elisabcth Volger als Haus-
ftau heim, die er «Lhrend der Zeit ftines Austnt-
war l Zn derselben Zeit erschien eine Erwerb-
nebst ciner Classen- und Personalsteuer. Zm
Zahre 1828 wurde die bisher frcke Befugnkß,
Tabak zu erzeugen, ausgehoben und wurde
dteses Protukt, wie in den übrigeo Erblanden,
Staatsmouopol. Das Zahr 1829 brachte
eine allgeweine Consumtionssteuer, wogegen
die Claffcn- und Personensteuer crtosch. DaS
Heer der Gcfäll- und Steueraufseher (Fmanz-
ler) vermehrte sich znsehends. Hiezu kamen
an viclea Orten aoch schwere Gemcmdkumlagen.
Wenn sich nun der Tproler nach Allem die-
sem fragte, um wie viel er beffer daran sei,
als im Zahrc 1803, so lautete die Antwort
im Allgemeinen nicht günstig. Zedenfalls schi'en
ihm dje Wiedererlangnng der alten Frciheiten
um diese» Preis zu thcuer erkaust. Sv ür»
theilten bald Bnrger und Bauer bei aller
Vorliebe für Pas angestammtc Herrscherhaus.
Der in Tprvl zwar nicht stark vertretene ge-
bildete Mittelstand hattc zumal so mavche an-
dere Vortheile, dic man unter der frühercn
Regierung genoß, nicht vergessen. Die grö-
ßere Milde der Censur, der zwanglosc, lite-
rarische Verkehr mit ganz Deutschlanv, die
Freihcit, bie besteu deutschen Hochschulcii auch
für tprolische Zstnglinge benußeu zu können,
das regere kehen, welches stch da nub dort
eingestellt hatte — biese und audere neuen
Freiheiten wünschtc wan doch gerne mit deu
„alten" vereiaigt.
Unter diesen alten Freiheiten war nicht dic
unwichtigste die Besreinng von einer förm-
lichcn Conscriptipn.- Kaiser Zoseph gedachte
dieselbe zwar einzuführen, atlcm diesc Neue«
rung war so verhaßt, daß er bald wieder
hievon Umgang nehmen mußtc. Die Tproler
hatten von Alters her nur dre cinzige militä-
rische Psiicht, i'n Kriegszeiten als Landwehr,
gewöhnlich in Schützencompagiiien vereinigt,
auf den Sammelplätzen zu erscheincn. Auch
hierin trat unter Äaiser Franz eine Aende-
rung ein, indem man aus Tprolern «in re-
gulüreS Jägerregimevl, anfänglich von fünft-
halbtausend Mann errichtele. Der Mißliebig-
keit dieser Maßregel suchte man dadnrch zu
steuern, daß man die Dicnstzeit auf nur 8
Jahrc festsetzte, und ausdrücklich die Garni-
sonirung dieser Truppen in Tprol selbst zu-
sicherte. Auch stellte stch der Kaiser selbst als
Chef und Znhaber des Regiments dar. Troß-
dem wnrden die „Kaiserjäger" später an Zahl
vermehrt, theilweise nach Ztalien verlegl und
soust in der Monarchie zcrstreut.
Von den sog. LandstSndcn war d'iese ganze
Zeit über (d. h. während der Regierung der
haltes auf dcr Forstacademie kennen und liebcn
gelerni hatte. Er war nun Jahr uvd Tag uild
wic die ganze Landschaft wußte, auf'S ällerglück-
lichste mit 'ihr verhcirathet.
Wie hätte das aber auch anders stin können?
War Elisabeth, oder «ie sie Elers immer nannte,
Elisi doch ein wahrcS Muster derFrauenwelt. Hoch-
gewachftn, schlank und fein gcbaut, ekschien ste.da-
bei doch zicmlich kräftig und ihrem ganzen Weftn
nach von rofigstcr Wlle und Frlschc. Jhr volles,
feineS, im wahren Sinne dcS Wortes gvldgelbeS
Haar, lang und voll', wic cs war, in zierliche Flech-
ten geschlungen, Aeidsam vcrthetkt und geordnet
um ihren edelgeformten Kvpf, dcm tiefe, duntel-
blaue Augen, ein artiges Stumpfnäschcn, zarte
Grübchen und fcingeschntttmc Lippen mit wciß-da-
hinter hervvrglänzcndcn Petlcnzähnen ein reizen-
des Aussehcn gaben.
Elkfi war nicht entschicden schön, aster jcdenfalls
anmuthsvöll und lieblich zn nennen, und das Letz-
tere hauptsächlich wegen cines ungemctn sanftcn
Zuges um den Mnnd und eincs BlickS, für dcn
cs schwcr ftin möchte, eine rechtc Bezekchnung zu
finden. Er «ar nicht traurig, ntcht schmerzvoll
Meis vietteljährlich 54i kr.
M; 18L.
Donnerstag. 8. August 18HL.
Bestcllungerr auf die
Heidelberger Aettuug
füt vie Monate August und September
werden für hier mrt 36 Kreozer angenommen
bei der Expedttion.
rr Zur Lage Tyrols.*)
I.
Nachdem wir in unserem Blatte in etntgea
größercn Aufsätzcn die vergangtne nnd gegen-
würtige Lage Ungarns, Böhmens u. s. w. ge-
schilvert habe», wollen wic nunmehr dasselbe
in Bczug auf ein anderweites Kronland der
östrrreichischen Mvnarchie unternehmen, wel-
chcS bisher, so ziemlich im Gegensatze zu
Uügarn, „dem Salze Oesterreichs", als daS
zufriedenste und crgebenste des Kaiserstaatrs
galt. Es wird aus dteser nnserer Schilvc-
tung jedoch ersichtlich werden, daß Man fich
i» dieser Bczikhung mitunter arge» Täuschun-
gen hingegebeil hat. Dic cigentlichc gute alte
Zeit ist nämlich sür Tprol schon mit dem vv-
rigen Jahrhunderi zu Ende gegangen. Daß
dereiNft eigene Fürsten habSburgischen Stam-
mes im Lande saßen, deren Hoflager zu deu
glänzeudsten iN Dcutschland gehörte, daß sei-
nerzeit in Tpröl die Bergwerkd einen währ-
haft großartigen Segen boten und das Land
in ricsem Belange fast zum reichsten Lauvr
wachten, auch großes Bermögen Untrr Sladt-
und Landvolk verbreiteten, daß mannigfache
Jnduftric und etu sehr bedclltcuder TraNsil-
handel uach Ztalien reichlichen Gewinn ad-
warfen, zumal zu ei»er Zeit, wo die Abgaben
noch gering UNd die Einnahmcn groß waren,
und die StäUVe in öffeutlichen Aligelegenheiteu
Nöch kin kräftiges Wort mitsprachen — Alles
dieses gehört schon längst der Geschichte eiuer
»ergangenen Periodc an, nnd wird höchstcns
noch in ver EriNnerung der Jetztzeit als Zbcäl
aufgefrischt und ausgemalt.
Neucrcn N-chrlchteu zufolge zeigt c« fich immer teut-
ltcher, e«ß tie lettigc Protcstaulenhctzc, wodurch daS Kunt
u„d Vol! voa Tyrol im Zahre tktit bet dea Freuadea
te« Foitichritle« mehrmalS ia so a,gm Mißcxedil kam,
l-digltch ein Werl der Gcistlichkeit >»ar, uad daß aur zum
kleinstea Thetl dcßhalb ctn Vorwuif tas btcdere und kcr-
alge Thiolcrvolk sclbst tresfen kaaa. 3u dm Städlcn,
wie Jnasbruck i>. a., hat dcr zclotische Eiscr dc, Geist.
lichkeit aic Etagang gefuadca, und aus dcm Laade, zvy
dteseS thctlwetse geschah, bereitet fich jctzt schoa, z- B. im
Unlerianthalc, cin Umschlag »or. wie eine von dort än
tcn ltberalcn Abgcotbnetcn vr. PfrctfchNcr gcrichtete
Adrisse beweist. — Al« eigenlltche Vcstc dcs Ultramonta-
nismus bleibt zulctzt wohl nur daS voa eiaem bäaerlichcn
Proletariate bcwohate Oberinnthal übrtg.
Der Geisterritt.
Eine VolkSgeschichte non Kcodor WLhl.ch)
Es «ar eine von jcnen stillcn, gchcimnißvollen
Nächtcn, «ie fic dcr Hochsommer Dcutschlands so
häufig bietct. Der Mond schicn hellund klar, nur
dann und wann von rasch dayinziehendcn Wolken
getrübt, die «ie «andelnde Schatten goisterhast übcr
dcn Himmel'fiogen, untcr dem rings hernm dic
Landschaft, wclche der Schauplatz unserer Erzäh-
luug ist, «ie im Traume zu liegen schicn. Stille
herrschte über dem Dorfe, übcr Feld nnd Wicsc,
über der ganzen Gegeüd rings umher. Nur die
Mühle, die fernab auf ciner Anhöhe wie ein wach-
samer Vorpösten der menschlichen Wohnungen auf-
gestellt stand, kiipple und klappte mit ihrcn RL-
dern -und Klügeln iustig im Windc, der vowOsten
her wehte und nachdem cr mit dcm Erlengcbüsch,
däS den filbcrn aus dem Thalgrund« heraufschim-
mernden Bach umsäumte, leise tändelnd gcwispert
'j Die „Hamb. Nachr." gebcu diese kleine ErzLhlung
als Probe und VdrlLüfer emer Sammluug „Ustheim-
licher Geschichtm", wclche der Herr Versasser gcgen deu
Herbst hin jn 'den Buchhandel gelangen lassin ivlll.
AÜbekannt ist der UnabhängigkeitSkampf der
Tproler im Zahre 1809, der diesem kernigen
Gebirgsvolke einen Ruf fast in allen Ländern
erworbe» hat. Das Jahr 1814 kam herbei
und mit diesem siel Tprol wieder an Oestcr-
reich. Jm Aahre 1tzi6 zeigte sich der ersehnte
Kaiser Franz zum erstenmale wieder zu ZnnS-
bruck. Man mcinte mil ihm die gute alte
Zeit selbst wiederkehren zu sehen, man sah
einer rosigcn Zukunst entgegcn und ber Jukel
war unermeßlich.
Eineu guten Eindruck machte es namentlich,
daß Käiser Franz sofort die alten Landstände,
welche unter der centralisirenden bairischen
Rßgierung aufgehoben waren, wieder herstellte.
ES waren diese tn 4 Slände gegliedert, Prä-
laten-, Nitter-, Bürger- und Bauernstand.
Kaiser Franz licbtc das Alte, patriarchalische
unb iu diescm Sinne stellte er denn aüch den
Tprolern ihre alte Verfaffung wieder zurccht.
Er mochte die tiefgkwurzelte Anhäuglichkeit
dicses GebirgsvolkeS an das alte Herkommen
gut kennen und zugleich wohl ahncn, daß es
mit den sogen. vielhuudertjährigen Frciheiten
dem fetzigeu Regifrungsspstem gegenüber keine
besvndere Gesahr mehr habe. Diese Freihei-
ten sührten in dcr That nur noch ein amt-
lichcs Kanzleileben. Wcnn nun aber auch
der Tproler von damals kein besonderes Ge-
wlcht auf Antheil an der Gcsetzgebung unb
andere landständische Prärogativc legte, so
mochte er doch die Steuerbewilligung kräftig
uud lebendig gewahrt wiffen. Wie bei an-
dern Menschenkindern äuch, so ist auch bei
ihm dcr Gcldbeutel ein Punkt, wo dic selbst-
genügsame Gcmüthlichkeit zuletzt aufhört. Trotz
einer besondern Eingabe, welche die Ständc
in diesem Bezuge an den Kaiser richteten, und
worin fle namentlich die große strategische
Wichtigkeit ihres Berglandes für Oestcrreich
im Gcgeiisatz zu deffen jetziger geriiiger finan-
zieller Bcbeütung auseinandersetzten, wurde
bereits im Jahre 1817 eine aüßerorbentliche
Steuer in sechs Terminen (zu 543,000 si.)
ausgeschricben. Der Geldbedarf des Kaiser-
staatS war aber schon damalö ins Ungeheure
gewachsen und es erlaubte dieser Umstand
Nicht, die gefürchtetc Grasschaft in Steuer-
sächen gleichsam als einen unabhängigen Frei-
staat zu betrachten. Auch in anbcren Abga-
ben konnte sich bie Regierung in Wien nicht
gefälliger zeigen. Es blieben biese, wie schon
ünter der baierischen Herrschaft, nach wie vor
fortbestehen. Jm Zahre 1818 wurde sogar
die Stempeltare neu eingesührt, vbwohl diese
Tarp von ber Landschaft früher baar abgelöst
hatte, fich mit ciner Art von Wollust in die Wal-
dung hineinwühlte, welche dte jcnseitige Höhe krönte
und mcilcmveit dte Erde bcdecktc.
Vvr dieser Waldung, auf einer Hügelplakte, lag
das FörsterhauS, daS der junge, auf der Forst-
Acadcmic gebildete Förstcr Elers mit seiner Gat-
tin, einem Revieejäger, rinem Knccht und zwci
Mägden inne hatte. Die um das Amtsgebäude
herum crrichteten Ställe und Schcuncn, die cin
ganz anschnlrches Gchöft auSmachten, bewieftn, daß
dcr Bcfitzer von dicstm Allen fich nicht blos anf
sein eigcntliches Geschäft befchränktc, sondern da-
mtt 'anch etwas Landwirthschaft verband, für die
er von Hauft aus bestimmt und erzvgen war und
dic er auch getrieben hattc, bis er endlich nach dcm
Tode ftines Vatcrs, cines alten, rcichen Bauern,
ftiner Lust zum edlen Waidwerk ntcht mchr gebie-
ten konnte und fich deren Studium auf's Eifrtgste
widmete.
Nach Vcrlauf »on etwa vicr Jahren «rlangte er
dic Amtsförsterei hier auf Rvdewald und nachdem
er fich ordcntlkch darin zurecht gcrückt nnd hcimisch
gemacht, holte cr fich Elisabcth Volger als Haus-
ftau heim, die er «Lhrend der Zeit ftines Austnt-
war l Zn derselben Zeit erschien eine Erwerb-
nebst ciner Classen- und Personalsteuer. Zm
Zahre 1828 wurde die bisher frcke Befugnkß,
Tabak zu erzeugen, ausgehoben und wurde
dteses Protukt, wie in den übrigeo Erblanden,
Staatsmouopol. Das Zahr 1829 brachte
eine allgeweine Consumtionssteuer, wogegen
die Claffcn- und Personensteuer crtosch. DaS
Heer der Gcfäll- und Steueraufseher (Fmanz-
ler) vermehrte sich znsehends. Hiezu kamen
an viclea Orten aoch schwere Gemcmdkumlagen.
Wenn sich nun der Tproler nach Allem die-
sem fragte, um wie viel er beffer daran sei,
als im Zahrc 1803, so lautete die Antwort
im Allgemeinen nicht günstig. Zedenfalls schi'en
ihm dje Wiedererlangnng der alten Frciheiten
um diese» Preis zu thcuer erkaust. Sv ür»
theilten bald Bnrger und Bauer bei aller
Vorliebe für Pas angestammtc Herrscherhaus.
Der in Tprvl zwar nicht stark vertretene ge-
bildete Mittelstand hattc zumal so mavche an-
dere Vortheile, dic man unter der frühercn
Regierung genoß, nicht vergessen. Die grö-
ßere Milde der Censur, der zwanglosc, lite-
rarische Verkehr mit ganz Deutschlanv, die
Freihcit, bie besteu deutschen Hochschulcii auch
für tprolische Zstnglinge benußeu zu können,
das regere kehen, welches stch da nub dort
eingestellt hatte — biese und audere neuen
Freiheiten wünschtc wan doch gerne mit deu
„alten" vereiaigt.
Unter diesen alten Freiheiten war nicht dic
unwichtigste die Besreinng von einer förm-
lichcn Conscriptipn.- Kaiser Zoseph gedachte
dieselbe zwar einzuführen, atlcm diesc Neue«
rung war so verhaßt, daß er bald wieder
hievon Umgang nehmen mußtc. Die Tproler
hatten von Alters her nur dre cinzige militä-
rische Psiicht, i'n Kriegszeiten als Landwehr,
gewöhnlich in Schützencompagiiien vereinigt,
auf den Sammelplätzen zu erscheincn. Auch
hierin trat unter Äaiser Franz eine Aende-
rung ein, indem man aus Tprolern «in re-
gulüreS Jägerregimevl, anfänglich von fünft-
halbtausend Mann errichtele. Der Mißliebig-
keit dieser Maßregel suchte man dadnrch zu
steuern, daß man die Dicnstzeit auf nur 8
Jahrc festsetzte, und ausdrücklich die Garni-
sonirung dieser Truppen in Tprol selbst zu-
sicherte. Auch stellte stch der Kaiser selbst als
Chef und Znhaber des Regiments dar. Troß-
dem wnrden die „Kaiserjäger" später an Zahl
vermehrt, theilweise nach Ztalien verlegl und
soust in der Monarchie zcrstreut.
Von den sog. LandstSndcn war d'iese ganze
Zeit über (d. h. während der Regierung der
haltes auf dcr Forstacademie kennen und liebcn
gelerni hatte. Er war nun Jahr uvd Tag uild
wic die ganze Landschaft wußte, auf'S ällerglück-
lichste mit 'ihr verhcirathet.
Wie hätte das aber auch anders stin können?
War Elisabeth, oder «ie sie Elers immer nannte,
Elisi doch ein wahrcS Muster derFrauenwelt. Hoch-
gewachftn, schlank und fein gcbaut, ekschien ste.da-
bei doch zicmlich kräftig und ihrem ganzen Weftn
nach von rofigstcr Wlle und Frlschc. Jhr volles,
feineS, im wahren Sinne dcS Wortes gvldgelbeS
Haar, lang und voll', wic cs war, in zierliche Flech-
ten geschlungen, Aeidsam vcrthetkt und geordnet
um ihren edelgeformten Kvpf, dcm tiefe, duntel-
blaue Augen, ein artiges Stumpfnäschcn, zarte
Grübchen und fcingeschntttmc Lippen mit wciß-da-
hinter hervvrglänzcndcn Petlcnzähnen ein reizen-
des Aussehcn gaben.
Elkfi war nicht entschicden schön, aster jcdenfalls
anmuthsvöll und lieblich zn nennen, und das Letz-
tere hauptsächlich wegen cines ungemctn sanftcn
Zuges um den Mnnd und eincs BlickS, für dcn
cs schwcr ftin möchte, eine rechtc Bezekchnung zu
finden. Er «ar nicht traurig, ntcht schmerzvoll