M: 27«.
Samstag, 16 Rl>vember
L8VL.
d Der Conflikt zwischen Frankreich
und der Schweiz.
Wenn ver Ksiser von Frankreich wegen des
Dappenthals mit der Schweiz streit an-.
gefange», so sind wir weit enisernt, uns nur
tm Gcrinqsten darüber zu verwundern. Liegt
darin doch nichts ais die einsache Conseqnenz
der Napoleonischen Poiitik, dieses spstcmatischen
Umfichgrkifens und prinzipiellen Durchlöcherns
der Veriräge von 1815. Aber gerade schon wegen
dieser sormeiien Beziehung sollten dic
Mächie die Schweiz mit allcr Energie unter-
stüKcn. Sie sollten es sich nicht gesallen ias-
sen, daß Frankreich, indem rs die auf das
Dappenthal bezügliche Bestiwmnng jener Ver-
trägc verlcßt, diese sclbsi verietze unv in Fragc
stclle. Sie sollten cS nicht ruhig mit ansehen,
daß ein Stein um den ankcreii auS dem Ge-
bäude herausgebrochen werde,,bis dieses seibst
zusammeiisinkt. Abcr sreiiich! waS habcn sich
die Mächie nicht schon Alles gefallcn laffen,
und was haben ste nicht schon Allcs ruhig
Mit angeschen. Daß aber das Recht der Schweiz
auf das Dappenihal ein eben so gutes ist, als
jcdes andere, das sich aus jeneu Verirägen
herleiret, wcr will dics bestreiten? Die auch
von Frankreich unierzeichnete Erkiärung des
Wiener Congreffes heißt ausdrücklich i „Das
vormals zum Canton Waadt gchörige Dappen-
thal wird demseiben zurückgegcben." Und auch
der zweilc Pariser Vertrag bestätigte ebenso
klar den Rückfall des Dappcnthais an die
Schweiz. Und wenn dann auch später einige
allzugefällige Diplomaten Frankrcich verspra-
chcn, sich bei der Schweiz zu vcrwenden, raß
diese aus das Dappenthai verzichte, so ändert
dies an dem rcchtmäßigcn Besttze dcr «chweiz
eben so wenig, äls wenn etwa Ocsterrcich, Ruß-
land und Cngland dcm Kaiscr Napoieon Lie
Rheinlande versprechen oder in Aussicht stcllcn
wolllen. Nur durch eine förmüchc Abanderuug
dcr Verträge, bezichungsweise uur durch Ein-
willigung derSchweiz könntc das Dappenthal
in dic Hände Frankreichs übergehen.
Ader nicht nur aus sormellen, sondern auch
aus matcriclien Bezichungcn sollten die
Mächle diese neuesten sranzöstschen Uebcrgriffe
zurückwcisen. Die miiitärische Wichtigkcit des
DappeiilhaiS sst nämiich nach dem Ausspruche
der aiigcsehensien Sachverständigen eine nicht
geringc. Die Schweiz könnle nach Veriust
deffeiben ihre Ncutraiilät offenbar vici wcniger
gegcn Frankrerch vertheibigcn. Was aber vie
Schweiz schwächt uno gesährdei, muß das nicht
ganz vorzügüch auch Deutschiand schwächzn
und gefährden, indem ja nach Besiegung der
Schweiz seine ganzc iinke Fianke dcm Fdinde
offen liegk? So stnd jddcnfalls Oestekreich und
Preußen gaiiz unmitteibar dabei interesstrt, daß
Frankrcich scinc Ansprüche auf das Dappen-
thal nrche dnrchsetze. Aber anch dcn zwei anderen
GroßlNächtrii kann es nicht glckchgiltig sei'n,
daß ein Lanb, deffcn Ncutralität für das all-
gemeinc Gleichgewicht und die Verthcidigung
Deutschlands gegcn Frankrcich so entscheidend
ist, durch Veriust eincr wichtigen militärischen
Slraße Frankreich gegcnnbrr auf die cmpfind-
lichste Wcis« blosgestcllt werde. Besonders
aber wäre es, wic schon bcMcrkt, Sache der
zwei dcutschiii Großiimchte, dnrch cine kräftige
Unterstützung der Schwcis dcn Fchlcr wo mög-
lich wieder gut ;u machcn, den ste damals
bcgingen, als sie stch zu eiikcr Besürwortung
des sranzösischen BegchrciiS bewegen ließen,
uiid so ihren eigenen Zwcck, der neütralen
Schweiz eine möglichst starke Miiitärgrenze
gcgcu dcn westlichen Großstaat zu verschaffen,
vollstänvig außer Augen sctzten.
Aber wie? Könnte Frankrcich den Mächten
nicht Znconscquenz vorwcrftn, wie sic sich
jetzd der Schweiz annehmcn wollteii ? Könnte
es ihnen nicht eiitgegeiihalten, daß ste vicht nur
am Tage vor ber Unterzeichnung des zweiten
Pariser FriedensvertragS, svndern auch noch
zur Zeit des Aachcner Congreffes, die Billig-
keit der französischen Ansprüche hinsichtlich bes
Dappenthals erklärten, unv ihre Verwendung
hiersür der sranzösischen Regierung versprachen,
und in diesem Sinnc dann anch wirklich diplo-
matische Noten ali die Schweiz richteten? So
bedauerlich dieser Mißgriff der Mächke auch
war, indem cr dre Fvlge hatte, daß sich Frank-
reich eine saktischc Herrschast über das Thal
anmaßte, und daß dic Schwciz bis zur Stundc
nicht in den volleuGcnuß des ihr traktalmäßig
zugesichcrten RechtS gelangen konnt«, sv ließe
sich obiger Einwand gewiß ganz guk widcr-
legen und entkräften. Dcnn abgesehen davon,
daß die Mächie auf den Mangel cines durch
unv durch.wcsentlichcn Momentes, nämlich dcr
Zustimmung ber Schweiz hinwcisen könnten, so
ist dic unterdeffen ersolgle Annerion von Sa-
vopen cine Thatsachc, aus welcher dic Mächte
zu eincr anderen Anstcht und eincr andercn
Haltung Gründegenug schöpsen dürsten. Denn
nachdem durch bic Vereinigung jenes Landcs
mit Frankreich die Schweiz auf jener Seite
auf das Bedenklichste blosgrstellt, und ihre
gerechten Ansprüche aus vas Brutalste außer
Achi gelaffen rverden, sollte man da nicht
meinen, oaß die Schweiz, statt nunmehr auch
noch auf einem anderen Punkt geschwächt zü
werden, hier, also an ihrcr wefllichen Grenze,
eher eine Arrondirung imd Verstärküng bean-
spruchen könntc, wie denn schon bei den Ver-
handlnngcn über de» zwciteii Päriser Friede»
ver damalige schweizerische Bevöllmächtigte
aus gcwichtigen militärischen Gründen sich
um die Abtretllng von Ger mit dem Fort de
l'Eclusc, oder wenigstens um die Aufnahme
dieses Ländchens in das eidgenöffr'sche Neutra-
litätsspstem bemühte? Natürlich ifi an eine
solche Abtrctung nicht zn kcnken. Aber wir
führen di'c Sache nur an, um die Ungercchtig-
keit, wömit die Schweiz sowohl durch die An-
nerion von Savopen, als auch wieder durch
den jetzigen fraNzösischcii Uebergriff behandelt
Worden, i'n cin heUcrcs Licht zu stellen.
Jn dcr Schweiz sclbst steht man die Wich-
tigkeit dcs DappenthalS vollkommen cin. Be-
sonbcrs hat sich in dieser Beziehung die
„Hclvetia" ein nicht geringes Vcrdieiist er-
worben, die, als vor einigen Zahren Louis
Napoleon denselben Appetit nach dem Dappen-
thal zeigte, die militärische BedeutuNg deffelbcn
auf daS Eingehendste beleuchtete und dem fraü-
zöstschen Begehren aus das Entschiedenstc ent-
gegentrat. Frcilich soll sich auch in dicser An-
gelegcnheit bcrcits eine Meinungsvifferenz un-
tcr den schwcizerischen Staatsmännern kund-
gebcn, indem vorzüglich die Züricher einem
Arranzement mit Fränkreich das Wört redcn.
Abcr kann denn die Schweiz auch nur, ohne
den ganzen völkerrechtlichen Boden ihrcr Eri-
stenz in Frage zu stellcn, über eine Bestimmung
der großcn i'nternationalen Verträge von sich
aus mir Frankreich llnterhandeln? Gewlß ist
dieS cin Pnnkt, dcn man ja in der Schweiz
nicht außer Auge zu laffen h«t.
Deutschland.
Karlsrutze, 13. Nov. Am 15. Septbr
d. I. warcn von mehreren Gcsangvereinen
des Landes bekanntlich die Vorstände derselbcn
hier versammclt, bci welcher GelegeNheit die
Abhaltung eines badischen Sängersestes auf
Pfingstcn 1862 in Heivclberg auf dem alten
Schloß festgesctzl, glcichzeitig aber auch eine
aus fünf Mitgliedern bestchenve Commiffion
zum Entwurfe der Satzun^en über einen or-
gänischcn Verband sämmtlicher badischen Ge-
sangvereine erwählt wurde. Wir erfahren
nun mit Bestimmtheit, daß zwar der Gemeinde-
rath in Heidelbcrg ver Abhaltung dicses Fcstes
nicht nur nicht cntgegcn, sonbern auch
bereit ist, daffelbe duräi gcldliche Mittel zu
Die Bettlerin im der Rialtobriicke odcr vene-
tianische Justiz.
Novclle von Kcodor Wchl.
(Fortsctzung.)
Dcrselben bcsonders untcrworfen warcn die frcm-
den Gesandten, dercn Dienerschaft, Hausgenoffen,
ja sogar Freunde man zu bestechen suchte. Kcin
vcnctianischer Nobiie burstc mittclbar oder unmit-
telbar mit eincm fremden Botschrfter in Verbin-
dung stehcn, wcnu cr nicht sein Lcben aus's Spicl
sctzcn wollte. DieS war keineSweges eine leerc
Drohung. Dcr Abbe dc Saint Rcal crzählt, daß
im Jahre 1755 ber Gras von Capucefalo, chcma-
liger Gouverncur in Zante, aus Befehl der StaalS-
Znquisitoren hmgertchtet «urde, «eil man ihn tn
Vcrdacht hatte, mit dcm öfterretchischen Charge
d'affaires intimen Umgang gehabt zu haben. Als
dtcscr Gcsandte, v. Rosenberg, im nächstcn Zahre
eiu vertrautcö Verhältntß mit einer vornehmen
Damc angckuiipst hatte, erhielt dic Lctztcre bie Wct-
sung, daß, «cnn sie scincn Besuch noch cinmal an-
nähme, sie zwei Stunden darauf erdroffclt scin'
«ürde.
Pon dieser Drohung erschreckt, hatte die Begün-
sttgt« jeneS CavalterS ntchtS EiligereS zu thun, alS
dic Laguncnstadt auf der Stclle zu verlaffcn und
nach Paris zn gehcn, wo sie auf alle ihr nachge-
fcndcten Briefe Rosenbcrg'S ein Stillschweigcn be-
obachtete, das dcr Verltebtc sich nicht zu crklären
vermochte, und durch wclches cr fast bis zur Vcr-
zwciflung getricben wurde.
Dcr unschulbigstc Lmgang, schreibt Daru, dcr
eine Hinncigung zn gcwiffen mißlicbigen Zdeen vor-
aussctzcn ließ, genügte, um etncunglaublicheStrenge
zu motiviren. Um dic Mttte des vorigen Zahr-
hundertS ging ein Patrizier auS dem Hause Tiepolo
seiner Gefnndhett wegen anf Reiscn. Er crhiclt f
Urlaub, bcsuchte dic Schwciz, hattc dort eintgen f
Umgang mi« Rouffcau, stattete Voltairc ctnen Be- i
such in Ferney ab nnd vergaß zwet Jahre hindurch f
im Auslande, daß er cin Bürger der Republik Ve- !
nebig war. Als er im Bcgriffe stand, dorthin zu- !
rückznkchrcn, ließ ihm die Staatstnquifition anzci- !
gcn, daß ciu vcnetiantschcr Nobile, der so lange von
scincm Vaterlande fern zn bleiben vermöchte, nichr !
tn dasselbe zurückznkchren vevdiente, und daß cr .
vom Gebiete der Republtk, bti Gcfahr de» Kopf !
zu verlteren, »erbannt sei.
Daß für gewiffc Falle ein von räthfekhafter Hand
gcführtcr Dolchstoß odcr die Anwcndung von Gift
officiell anempfohlen waren, steht unzwcifelhaft fest.
Viclc der Rcgierung Verdächtige fand man plötz-
lich ermordet, ohnc daß jc eine Untcrsuchung an-
gestellt wurde, durch wen das gcschehen. Der eng-
lischc Reisendc Burnet berichtet, daß es zu Venedig
cincn eigcnS angestclltcn nnd brsoldetcn Vergtster
gegebcn, der im Dienste der Anquisitron Dtcjenigcn
inSgehcim auS der Wclt schaffen mnßte, deren öffcnt-
liche Hinrichtung zu'viel Aufsehen erregt HLtte.
Allc diese Dinge, die ziemlich bckannt und auch
unscrn bciden Reifenden kein Gchctmniß waren,
gaben dem Aufcnthaltc dcrselben in der wunver-
baren und fabelhaften Stadt nur etnc» um so
hoheren Reiz. Sie durchschtfften dic Laguncn, fia-
nirten unter dcn Säulenhallen des St. MarcuS-
platzeS, dem sogcnanntcn Broglio, besuchten dic
öffentlichen Vergnügungsortc und darunter auch
jene Sptelsäle, wo ein Senator in Amtstracht und
großer Perrücke sich an einen Tisch setztc, den mas-,
kirtc Personen umringten, und da so gravttätisch
die Bank hiclt, wie er einem fcierlichen Tribunal
prasidirt haden würdo.
Samstag, 16 Rl>vember
L8VL.
d Der Conflikt zwischen Frankreich
und der Schweiz.
Wenn ver Ksiser von Frankreich wegen des
Dappenthals mit der Schweiz streit an-.
gefange», so sind wir weit enisernt, uns nur
tm Gcrinqsten darüber zu verwundern. Liegt
darin doch nichts ais die einsache Conseqnenz
der Napoleonischen Poiitik, dieses spstcmatischen
Umfichgrkifens und prinzipiellen Durchlöcherns
der Veriräge von 1815. Aber gerade schon wegen
dieser sormeiien Beziehung sollten dic
Mächie die Schweiz mit allcr Energie unter-
stüKcn. Sie sollten es sich nicht gesallen ias-
sen, daß Frankreich, indem rs die auf das
Dappenthal bezügliche Bestiwmnng jener Ver-
trägc verlcßt, diese sclbsi verietze unv in Fragc
stclle. Sie sollten cS nicht ruhig mit ansehen,
daß ein Stein um den ankcreii auS dem Ge-
bäude herausgebrochen werde,,bis dieses seibst
zusammeiisinkt. Abcr sreiiich! waS habcn sich
die Mächie nicht schon Alles gefallcn laffen,
und was haben ste nicht schon Allcs ruhig
Mit angeschen. Daß aber das Recht der Schweiz
auf das Dappenihal ein eben so gutes ist, als
jcdes andere, das sich aus jeneu Verirägen
herleiret, wcr will dics bestreiten? Die auch
von Frankreich unierzeichnete Erkiärung des
Wiener Congreffes heißt ausdrücklich i „Das
vormals zum Canton Waadt gchörige Dappen-
thal wird demseiben zurückgegcben." Und auch
der zweilc Pariser Vertrag bestätigte ebenso
klar den Rückfall des Dappcnthais an die
Schweiz. Und wenn dann auch später einige
allzugefällige Diplomaten Frankrcich verspra-
chcn, sich bei der Schweiz zu vcrwenden, raß
diese aus das Dappenthai verzichte, so ändert
dies an dem rcchtmäßigcn Besttze dcr «chweiz
eben so wenig, äls wenn etwa Ocsterrcich, Ruß-
land und Cngland dcm Kaiscr Napoieon Lie
Rheinlande versprechen oder in Aussicht stcllcn
wolllen. Nur durch eine förmüchc Abanderuug
dcr Verträge, bezichungsweise uur durch Ein-
willigung derSchweiz könntc das Dappenthal
in dic Hände Frankreichs übergehen.
Ader nicht nur aus sormellen, sondern auch
aus matcriclien Bezichungcn sollten die
Mächle diese neuesten sranzöstschen Uebcrgriffe
zurückwcisen. Die miiitärische Wichtigkcit des
DappeiilhaiS sst nämiich nach dem Ausspruche
der aiigcsehensien Sachverständigen eine nicht
geringc. Die Schweiz könnle nach Veriust
deffeiben ihre Ncutraiilät offenbar vici wcniger
gegcn Frankrerch vertheibigcn. Was aber vie
Schweiz schwächt uno gesährdei, muß das nicht
ganz vorzügüch auch Deutschiand schwächzn
und gefährden, indem ja nach Besiegung der
Schweiz seine ganzc iinke Fianke dcm Fdinde
offen liegk? So stnd jddcnfalls Oestekreich und
Preußen gaiiz unmitteibar dabei interesstrt, daß
Frankrcich scinc Ansprüche auf das Dappen-
thal nrche dnrchsetze. Aber anch dcn zwei anderen
GroßlNächtrii kann es nicht glckchgiltig sei'n,
daß ein Lanb, deffcn Ncutralität für das all-
gemeinc Gleichgewicht und die Verthcidigung
Deutschlands gegcn Frankrcich so entscheidend
ist, durch Veriust eincr wichtigen militärischen
Slraße Frankreich gegcnnbrr auf die cmpfind-
lichste Wcis« blosgestcllt werde. Besonders
aber wäre es, wic schon bcMcrkt, Sache der
zwei dcutschiii Großiimchte, dnrch cine kräftige
Unterstützung der Schwcis dcn Fchlcr wo mög-
lich wieder gut ;u machcn, den ste damals
bcgingen, als sie stch zu eiikcr Besürwortung
des sranzösischen BegchrciiS bewegen ließen,
uiid so ihren eigenen Zwcck, der neütralen
Schweiz eine möglichst starke Miiitärgrenze
gcgcu dcn westlichen Großstaat zu verschaffen,
vollstänvig außer Augen sctzten.
Aber wie? Könnte Frankrcich den Mächten
nicht Znconscquenz vorwcrftn, wie sic sich
jetzd der Schweiz annehmcn wollteii ? Könnte
es ihnen nicht eiitgegeiihalten, daß ste vicht nur
am Tage vor ber Unterzeichnung des zweiten
Pariser FriedensvertragS, svndern auch noch
zur Zeit des Aachcner Congreffes, die Billig-
keit der französischen Ansprüche hinsichtlich bes
Dappenthals erklärten, unv ihre Verwendung
hiersür der sranzösischen Regierung versprachen,
und in diesem Sinnc dann anch wirklich diplo-
matische Noten ali die Schweiz richteten? So
bedauerlich dieser Mißgriff der Mächke auch
war, indem cr dre Fvlge hatte, daß sich Frank-
reich eine saktischc Herrschast über das Thal
anmaßte, und daß dic Schwciz bis zur Stundc
nicht in den volleuGcnuß des ihr traktalmäßig
zugesichcrten RechtS gelangen konnt«, sv ließe
sich obiger Einwand gewiß ganz guk widcr-
legen und entkräften. Dcnn abgesehen davon,
daß die Mächie auf den Mangel cines durch
unv durch.wcsentlichcn Momentes, nämlich dcr
Zustimmung ber Schweiz hinwcisen könnten, so
ist dic unterdeffen ersolgle Annerion von Sa-
vopen cine Thatsachc, aus welcher dic Mächte
zu eincr anderen Anstcht und eincr andercn
Haltung Gründegenug schöpsen dürsten. Denn
nachdem durch bic Vereinigung jenes Landcs
mit Frankreich die Schweiz auf jener Seite
auf das Bedenklichste blosgrstellt, und ihre
gerechten Ansprüche aus vas Brutalste außer
Achi gelaffen rverden, sollte man da nicht
meinen, oaß die Schweiz, statt nunmehr auch
noch auf einem anderen Punkt geschwächt zü
werden, hier, also an ihrcr wefllichen Grenze,
eher eine Arrondirung imd Verstärküng bean-
spruchen könntc, wie denn schon bei den Ver-
handlnngcn über de» zwciteii Päriser Friede»
ver damalige schweizerische Bevöllmächtigte
aus gcwichtigen militärischen Gründen sich
um die Abtretllng von Ger mit dem Fort de
l'Eclusc, oder wenigstens um die Aufnahme
dieses Ländchens in das eidgenöffr'sche Neutra-
litätsspstem bemühte? Natürlich ifi an eine
solche Abtrctung nicht zn kcnken. Aber wir
führen di'c Sache nur an, um die Ungercchtig-
keit, wömit die Schweiz sowohl durch die An-
nerion von Savopen, als auch wieder durch
den jetzigen fraNzösischcii Uebergriff behandelt
Worden, i'n cin heUcrcs Licht zu stellen.
Jn dcr Schweiz sclbst steht man die Wich-
tigkeit dcs DappenthalS vollkommen cin. Be-
sonbcrs hat sich in dieser Beziehung die
„Hclvetia" ein nicht geringes Vcrdieiist er-
worben, die, als vor einigen Zahren Louis
Napoleon denselben Appetit nach dem Dappen-
thal zeigte, die militärische BedeutuNg deffelbcn
auf daS Eingehendste beleuchtete und dem fraü-
zöstschen Begehren aus das Entschiedenstc ent-
gegentrat. Frcilich soll sich auch in dicser An-
gelegcnheit bcrcits eine Meinungsvifferenz un-
tcr den schwcizerischen Staatsmännern kund-
gebcn, indem vorzüglich die Züricher einem
Arranzement mit Fränkreich das Wört redcn.
Abcr kann denn die Schweiz auch nur, ohne
den ganzen völkerrechtlichen Boden ihrcr Eri-
stenz in Frage zu stellcn, über eine Bestimmung
der großcn i'nternationalen Verträge von sich
aus mir Frankreich llnterhandeln? Gewlß ist
dieS cin Pnnkt, dcn man ja in der Schweiz
nicht außer Auge zu laffen h«t.
Deutschland.
Karlsrutze, 13. Nov. Am 15. Septbr
d. I. warcn von mehreren Gcsangvereinen
des Landes bekanntlich die Vorstände derselbcn
hier versammclt, bci welcher GelegeNheit die
Abhaltung eines badischen Sängersestes auf
Pfingstcn 1862 in Heivclberg auf dem alten
Schloß festgesctzl, glcichzeitig aber auch eine
aus fünf Mitgliedern bestchenve Commiffion
zum Entwurfe der Satzun^en über einen or-
gänischcn Verband sämmtlicher badischen Ge-
sangvereine erwählt wurde. Wir erfahren
nun mit Bestimmtheit, daß zwar der Gemeinde-
rath in Heidelbcrg ver Abhaltung dicses Fcstes
nicht nur nicht cntgegcn, sonbern auch
bereit ist, daffelbe duräi gcldliche Mittel zu
Die Bettlerin im der Rialtobriicke odcr vene-
tianische Justiz.
Novclle von Kcodor Wchl.
(Fortsctzung.)
Dcrselben bcsonders untcrworfen warcn die frcm-
den Gesandten, dercn Dienerschaft, Hausgenoffen,
ja sogar Freunde man zu bestechen suchte. Kcin
vcnctianischer Nobiie burstc mittclbar oder unmit-
telbar mit eincm fremden Botschrfter in Verbin-
dung stehcn, wcnu cr nicht sein Lcben aus's Spicl
sctzcn wollte. DieS war keineSweges eine leerc
Drohung. Dcr Abbe dc Saint Rcal crzählt, daß
im Jahre 1755 ber Gras von Capucefalo, chcma-
liger Gouverncur in Zante, aus Befehl der StaalS-
Znquisitoren hmgertchtet «urde, «eil man ihn tn
Vcrdacht hatte, mit dcm öfterretchischen Charge
d'affaires intimen Umgang gehabt zu haben. Als
dtcscr Gcsandte, v. Rosenberg, im nächstcn Zahre
eiu vertrautcö Verhältntß mit einer vornehmen
Damc angckuiipst hatte, erhielt dic Lctztcre bie Wct-
sung, daß, «cnn sie scincn Besuch noch cinmal an-
nähme, sie zwei Stunden darauf erdroffclt scin'
«ürde.
Pon dieser Drohung erschreckt, hatte die Begün-
sttgt« jeneS CavalterS ntchtS EiligereS zu thun, alS
dic Laguncnstadt auf der Stclle zu verlaffcn und
nach Paris zn gehcn, wo sie auf alle ihr nachge-
fcndcten Briefe Rosenbcrg'S ein Stillschweigcn be-
obachtete, das dcr Verltebtc sich nicht zu crklären
vermochte, und durch wclches cr fast bis zur Vcr-
zwciflung getricben wurde.
Dcr unschulbigstc Lmgang, schreibt Daru, dcr
eine Hinncigung zn gcwiffen mißlicbigen Zdeen vor-
aussctzcn ließ, genügte, um etncunglaublicheStrenge
zu motiviren. Um dic Mttte des vorigen Zahr-
hundertS ging ein Patrizier auS dem Hause Tiepolo
seiner Gefnndhett wegen anf Reiscn. Er crhiclt f
Urlaub, bcsuchte dic Schwciz, hattc dort eintgen f
Umgang mi« Rouffcau, stattete Voltairc ctnen Be- i
such in Ferney ab nnd vergaß zwet Jahre hindurch f
im Auslande, daß er cin Bürger der Republik Ve- !
nebig war. Als er im Bcgriffe stand, dorthin zu- !
rückznkchrcn, ließ ihm die Staatstnquifition anzci- !
gcn, daß ciu vcnetiantschcr Nobile, der so lange von
scincm Vaterlande fern zn bleiben vermöchte, nichr !
tn dasselbe zurückznkchren vevdiente, und daß cr .
vom Gebiete der Republtk, bti Gcfahr de» Kopf !
zu verlteren, »erbannt sei.
Daß für gewiffc Falle ein von räthfekhafter Hand
gcführtcr Dolchstoß odcr die Anwcndung von Gift
officiell anempfohlen waren, steht unzwcifelhaft fest.
Viclc der Rcgierung Verdächtige fand man plötz-
lich ermordet, ohnc daß jc eine Untcrsuchung an-
gestellt wurde, durch wen das gcschehen. Der eng-
lischc Reisendc Burnet berichtet, daß es zu Venedig
cincn eigcnS angestclltcn nnd brsoldetcn Vergtster
gegebcn, der im Dienste der Anquisitron Dtcjenigcn
inSgehcim auS der Wclt schaffen mnßte, deren öffcnt-
liche Hinrichtung zu'viel Aufsehen erregt HLtte.
Allc diese Dinge, die ziemlich bckannt und auch
unscrn bciden Reifenden kein Gchctmniß waren,
gaben dem Aufcnthaltc dcrselben in der wunver-
baren und fabelhaften Stadt nur etnc» um so
hoheren Reiz. Sie durchschtfften dic Laguncn, fia-
nirten unter dcn Säulenhallen des St. MarcuS-
platzeS, dem sogcnanntcn Broglio, besuchten dic
öffentlichen Vergnügungsortc und darunter auch
jene Sptelsäle, wo ein Senator in Amtstracht und
großer Perrücke sich an einen Tisch setztc, den mas-,
kirtc Personen umringten, und da so gravttätisch
die Bank hiclt, wie er einem fcierlichen Tribunal
prasidirt haden würdo.