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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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August
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DeirtschlüN-

* Heidelbcrg, 23. Aug. Schon wiedcr
prangt seit gester» unsere Stadt in festiichem
Gcwande zu Ehren ber heutc'iind morgen
tagenden Mitglieber des Nationalvereins. Bis
gestern Abend 8 Uhr waren bereits über 120
Wiigliedcr aus allen Gauen Dcutschlands ein-
gciroffcn, und dic heutigen Morgenzüge haben
noch cinc weitere große Anzahl Gäste hierher
gcführt. Nachbem die Mitglicder des Aus-
schuffes schon seit vorgestern bchufs mannich-
fachcr Vorbcrathungen sich hier eingefultdcu,
beginncn heute nnd morgen früh 11 Uhr dic
Gklieralversammllliigen ii» großen Saale deS
Muscums, worüber wir uns -vorbehaltcn,
Näheres zu berichten.

Stuttgart, 21. Aug. Jn der heutigen
Abgeordncien-Sitzung stand der Bericht der
Finanzcominission über das Kriegsdepariemcnt
auf der Tagesorbnung. Einleitend erhob sich
cine allgcincine Discussion, mit Klagen üher
den Druck des stehcnden Heerwesens und ber
Entgkgiiung, daß dieses fetzt nicht vermindert
werrcn könne. Sodann ward die Frage der
Volksbewaffnung und die des »preußischen
Oberbcfchls" in die Verhandlung gebracht,
doch ohnc wescnilich Neues zu Tage zu för-
bcrn. Bemerkenswcrih scheinen uns nur fol-
gende Aeußcrungen: Kriegsminister: Was die
Wurzburger Verhandlungen beireffe, sv er-
klärte er aus'S Bestimmteste, daß die Würz-
burger Verhandlungen entfcrut nicht gegcn
Preußcn gerichiet gcwesen seien, daß aber dic
dort verlreienen Siaaten dic Frage sich vor-
gclegt haben: wcrden wir in der Stunbe ber
Gesahr von Oesterreich, wcrden wir von
Preußen rcchizeitig veriheidigt werdcn konne'n ?
Dic Antworl sei gewesen: nein, und deßhalb
sei rs sür die durch ihre Vcrtreter zu Würzburg
versammelteii Negierungen ganz natürlich ge-
wcsen, daß sie stch darüber vercinigt haben,
gemeinsam zusammenzustehen unb stch selbst zu
vertheidigen. Dieß sei das ganzc Geheimniß
dcr Würzburger Conserenzcn. (Später nimml
der Kricgsnlinistcr nochmals das Wort): Er
sei voUkoinnien einverstanden damit, daß ciii
einhcitlicher Obcrbefehl hergestellt werden
müffc; cr erkläre, daß die Würzburger Re-
gicrungen dcn preußischen Oberbefehl unbe-
dingt anerkannt haben, wann und sobalv cin
preußtsches Heer zu uns gestoßen sci» und an
dem Kriege gegen Frankreich Antheil genom-
men haben werbe. Die Würzburger Regie-
rungen haben nur für ven erstcn Anprall ge-
sichert sein wollen und haben deshalb unter

sich ausqemacht, daß sie in der Stünde der
Gcfahr mit ihren Contingeüten (200,000
Männ) sögleich an den Rhein vorrücken wer-
den. Die Würzbürgcr Rcgierungcn haben
nichti gesagt und gcglaubt, daß sie mit ihrem
Conkiügente vo» 200,000 Mann gegen Frank-
reich für imiüer ausreichen wcrden, vielmehr
seikn sie von der Ansicht ausgegangcn, daß
Preußen in diesem Falle uachrücken m ü s s e.
Die Wübzburger Regiernngen haben den
preußischen Oberbefchl vvllkommen anerkannt
und erkeunen lhn jetzt noch vollkommen an;
sobald Preußrn zu den süddeutschen
Hecrcn gestoßen sei'» werdc, so könne
der Oberbefchl aü Niemaud anders als
an Preüßcn fällen. Dies verstehe sich
von selbst, denn einer einheitlichen
Leitung bedürfe es unter allen Umständen.
Repscher: Er habe es bedauert, daß dic all-
gcmcine deutsche Frage heute wieder herein-
gezogen worben sei. Wenn es ein Vergehen
sci, Deutschland einig mache» zu wollen, so
bekenne cr sich gern zu diescm Vergehen. Jn
der Natur der Vcrhältniffe liege es, daß ker
mächtigstc dentsche Staat bie cinheitliche Lei-
tung habe. Er halte eS für schlimm, für
nachthcilig, Mißtrauen auszusäcn, gerade im
jetzigen Augenblick Mißtrauen auszusäen gegc»
jene dcutsche Grvßmacht, welchc im Zahr
1813, im Jahr 181ö das Meiste für Deutsch-
land gethan habc. Er danke bem Kriegsmi-
nister für Das, was er als Zwcck der Würz-
burger Conferenzen angegeben habe. Die Un-
terstützung der südbeutschen Truppen durch die
norddeutschen, insbesonoere die preußischcn,
hält Repscher untcr allen Umftändcn sür ge-
boten. v. Varnbüler: Es sei kein Bcrgchen,
wcnn man auf bie Einigkcit DeutschlandS hin-
wirke, aber das sei ein Veigehen, wcnn man
zur Herstellung dcr Einhcit Oesterreich aus
Deutschland hinausdrängen wolle. Er frage,
wie eine Partei, welche Demschland um seine
schönsten nnd ältesten Provinzen bringen wolle,
sich einc nativnalc nennen kvnne? 'Der Prä-
sidcnt findct sich zu der Bcmerkung veranlaßt,
daß nian an der Berathung des Kriegsetms
stehc. Bci diescr Parlei, welche Repscher ver-
. trete, entgegnet Wiest, hanvle es sich um gar
nichts andercs, alS um dcn Ausschluß Oester-
reichs; Kleindeutschland könne sich aber ohne
Oesterreich nicht nachhaltig behaupken. Rep-
scher spricht gegen den Vorwurf, welcher bcr
Nationalpartei gemacht werde, als ob diese
es auf eine Trennung vo» Oesterreich absehe,
welchcn Vorwnrf Repscher als einm ganz
unb gar unbegründetcn bezeichnet und nach-

weist. Mohl: Er sei entfernt davon, Miß-
trauen zu säen; wohl aber glaube er, daß
dicjenigc Partei Mißtrauen säe, welchc mit
cincm gcwiffen Fanatismus bestrebt sei, Preu-
ßen an dic Spitze Dcutschlands zu stellen.
Die Debatte wird gcschloffcn und dic Kam-
mer gelaügt an die Berathüng des Kriegs-
etatS.

Berlin, 19. August. Seit Kurzem geheu
Enthüllungen aus Rußland durch die Zeitun«
gen, bie so pikant zugerichtet sind, daß sie deü
Zweck der Reizung nicht vcrfehlen. Die Re-
action hat eine Strategic und cine derartige
Solidarität in der Prcffe etablirt, daß cs stch
wohl der Mühe verlohnt, an cincm gegcbenen
Beispiele die ganzc Machinativn aufziidecken.
Die Großfürstin Helene von Nußland ist als
Vertrctcrin der liberalen Prlncipien in Aus-
führung dcr Lei'beigenen-Emancipaiivn und in
Gleichberechtigung der nichtgricchischen, soge-
nanntcil fremden Confessionen bekannt; man
kennt ihre Geltung bci dcm edel gesinnten
Kaiscr. Dic Reaction und ihre Organe wen-
den sich nun klüglich dahin, die genannte Groß-
fürstin als Mittelpunkt einer Verschwörung
unb als vie gcheime Quelle der von Hertzen
formulirten ^ostulatc herzustellen. Es wird
Zhnen nuu von Zntercffe sci», tie einfachcn
Quellen biefer Jntrigueu zu kcnncn. Der in
Wahnsinn verfallene Scnator (Chruschkschow)
war Director ber geistlichcn Angelegenhciten
und leitetc bie Jntcreffen der fremdcu Con-
fessionen (dcr kathvlischcn unb proiestankischen)
im Gcistc des Freisinncs. Jhiii fölgte Graf
Sievcrs, der nach venselben Priiicipien ver-
fuhr. Diese beidcn Männcr sind durch mit-
wirkende Empfehlung der Großiürstin Helcne
vom Kaisec iii ihre Stcllung eingesetzk wvr-
den. Der unmittelbareVorgänger voli Chrnscht-
schow aber war ein Fanaüker der Lanres-
kirche, der dcn fremben CoiifcssioiieN die Zu-
schüffe vom Siaat entzichen wolltc, hierin
aber besonders auch durch bic Einwirkunz des
edeln und großdenkenden Geistes jkner Für-
stin gehemmt — ünd verletzd wurke. Nun
wird beim Wahnsinn Chriiichtschöw'b uiiv der
ganz geschäflsmäßigen Ordnüng sciner Pa-
piere burch ben Grafen Sievers, der dazu
von der Familie sklbst veraulaßt war, eiN er-
giebiger Klätsch gcbildet üiid von den Feiiiden
alles Fvrtschrittes und allcr Gerechtigkcit ge-
schickt gruppirt unv sogar bie nicdrigsten, sclbst-
fabricirten Oo-Üit's eittgkflochtcn, bäuiit es
möglich sein soll, jedcn für den sreien Gedan-
ken heilbriiigcnden Einstuß der Großfürstin
zu vernichte». Gelingen wird das nicht. Es

Unverhoffl.

Von Hermann Schmid.

(Fortsetzung).

,,Nun, Vater", rief das MLdchen, indem eS die
Arme kreuzte und den Kopf in den Nacken warf,
„ich bin fcrtig! Schau mtch an und srg', ob's Nicht
det Müh' werth «ar, daß ich vor'm Spiegel sitz',
«ie ein Stadtfränlcin!" -- „Ja, ja, du bist sertig",
erwidcrtc dcr Bauer. „Nichts geht ab, als daß bald
der Prinz kommt, der die Bauernprinzessin abholt!"
„Brauchst mich nicht föppeln, Vater!" ricf LiUi,
indcm eS ihr dunkelroth über'S Gesicht stog und
die Augcn funkclten. „Dcr Prinz mußt' cben auch
erst zusehn, ob ich ihn mag, und wcnn ich cinmal
wtll, werd' ich nicht lang feil habcn, mein ich. Da
muß abcr crst dcr Rcchtc kommen.... Wenn du
mich aber los scin willst, so darfst du's nnr sagen,
— ich kann alle Stund' gehn, dcnn wenn ich mich
auch putze «ie cin Stadtfraulein, so kann ich auch
arbeiten wie eine Baucrndtrn'!"

Der Alte schob den -Hut rasch von einem Ohre
zum andcrn. Das war ein gcwöhnliches Zeichen,
daß ihm dcr Unmuth zu Kopf sticg, aber er hielt
ihn nieder und sagte ruhig, mit etwas herbem Lä-

cheln: »Ja ja, drs bin ich schon von dir gewohnt,
daß ich alle Finger lang den Strohsack vor der Thüre
habe! — Aiso bcr Rcchte muß kommcn, du hof-
färtigcs Ding? So bin ich nut'bcgierig, wie der
einmal ausschaut! DaS muß schon eine Rarität
von Schwiegcrfohn werden. Vcrgiß nur nicht, daß
der alte Harrasscr aüch ein Wort drein zu reden
hat und daß es mir nicht gleichgültig ist, was für
einen Windbcutel du mir vicllcicht in mein schönes
Sach' hereinsctzcn möchtest! Aber mach' fort jetzt,
damit wir noch zur Prcdigt recht kommcn — sie
geben schon das zweite Zeichen drüben über'm See."

Damit wandte er sich ab und wollte geh«, hiclt
aber verwundert inne, bcnn an dem eincn Fcnstcr
der Stube wurde cin lcichtes Klopfen hörbar. Der
krause Schcitel eincs Kinderkopfs zcigte sich davor
und darüber cine Hand mit etncm großen, sanber
gebundenen Büschcl von Almrosen und Edelwciß.
„Was haben wir da ffür etne Bcschecrung?" rief
dcr Alte, während Cilli nicht ohne Verlegcnhcit
hinzutras und das Fenstcr öffnete. Draußen wurde
eine hclle munterc Kinderstimme laut. „Einen
schönen Gruß vom Edlinger Toni", klang eS herein;
„den Buschen schickt er der Eilli, sie soll thn- auf ^

der Marbacher Ktrchwcih tragcn."

Cilli hatte den Bufch ergriffcn und dankte deitt
Kinde, das soglcich wicdcr singcnd davon sprang.
Der Strauß war tn dcr That von übcrraschcndek
Schönhcit. Dcr dunklc Larmin dcr Almrosen zwi-
schcn dcm ticfen Grün dcr Blättcr hob sich reizend
von der mattcn Karbe dcs Edclweiß ab. DieS war
von dcr schönsten und scltcnstcn Art, wic fic spär-
lich auf dcn steilsten und höchstcn Gcwändcn vor-
kommt und nur mit großer LcbcnSgcfahr zu er-
langen ist. Die Pstanzen «arcn noch vollkommen
frisch; der llcberscndcr miißtc dic Nacht auf dem
Bcrgc zugcbracht haben, um sie in solcher Schvn-
chcit und so früh bringcn zu können.

„Dcr Edlingcr Toni?" untcrbrach dcr Altc die
kleine Pause, die eingetrctcn war, und wahrend
«elchcr Lilli den Strauß unentschlofffn betrachtete'.
„Mit dem mußt du ja rccht vertraut sein, daß er
dir den Kirchweihbuschen schickt. Das thut man ja
sonst nicht eher, als bis es auf'S Stuhlfest loSgeht?"
„Warum nicht gar!" rief Lilli unmuthig. „Ach
hab' kaum drcimäl mit ihm gcredt! Wer kann da-
für, wenn die Mannslcut' so citel sind und sich
gleich, Gott «etß «as, eiubildcn? D» liegt der
 
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