Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

DOI chapter:
November
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2815#0508

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mittwoch, IS. November

Jnserüonsgebühren fär die Zspaltige Petit-
zeile werden mit 2!r., bezw. 3kr. verechnet.


H Slavische SonLerbestrebungen in
Qesterreich

Wie so mancher spezieklen Kronländer der
österrelchischen Monarchie, als: Ungarns,
Tyrols u. s. w., haben wir auch bereils Bvh-
mens gedacht, wit den Soudernaiivnalitäts-
Tendenzen des dort wohnenden, uiid etwa die
Hälfte der Bevölkernng bildenden slavischen
Volksstammes, der Czechen.

Diese Bestrebungen, welche dem österreichi-
schen Gesammtstaats - Projecte diametral ent-
gegengesetzt find, und zugleich iu ihrem schließ-
lichen Endziele uichts Geringcres bezwecken,
als die Ausrottung des Deutschthums, welches
Czechien von allen Seiten eine verhält-
nißmäßig schmale Slraße nach Mähren ausge-
aommeu — umgibt, haben, wie sv manche
Vvrgänge schlageud nachweisen, leider wieder
in auffallendem Grade zugenommen.

Zn neuerer Zeit scheint es die czechische
Agitativn vorzüglich auf Mährcn abgesehen
zu habcn. Der Operationsplan ist nicht un-
geschickt angelegt, und offenbar wird nach einem
gcmeinsamen Losungsworte gehandelt. Auch
Mähren enthält nämlich eine Menge dcutscher
Enclaven; drc Bevölkcrung ist zumeist groß-
österreichisch gesinnt und jedenfalls der Union
mit cinem czechischen Königreiche abhold.
Mähren trennt nun Böhmen von den Polen
und Rulhenen und von dem Theile von Nord-
Uugarn, der ebensalls vorzugsweise von Slaven
bewohnt ist, nämlich den s. g. Kkovaken. Die
Czechen haben deßhalb.ein naheliegcndes Jn-'
tereffe, Mähren sür ihrc nativnalen Bestre-
bungen zu gcwiniien, damit sie dcn slavi'schen
Brüdern im Neutraer und Trentschiner Co-
mitate die Hand reicheu können. Die czechische
Propaganda hat stch dahcr znnächst aus Mäh-
ren geworfen. Die Tage »vn Pilsen (gele-
gentlich der Erüffnung der nach Baicrn süh-
renden Eisenbahn), svwic von H'ostein und
Wellehräd geben hicrvon Zeugniß. Die Pil-
sener Aufirilte sind bekaunt. Die beidcn letz-
tcren Feste hatten einen entschikden kirchlich-
nationalen Character, wozu auch der Klcrus
sein Contingent liefcrte. Aber auch magya-
rische und russische Sendlinge hatten sich dvrt-
selbst eingefuilden. — Um das Vvlk zu hetzen,
bedient man sich dcr auffallendstcn, ost sehr
verwerflichen Mittel. So habcn die czechischcn
Agitativnen als Schreckmittel und Vogclscheuche
füc das Landvolk das Wort: „Wiencr Cen-
tralist" erfundkn. Hierunter denkt stch nun
dic unzurechnungsfähige Menge den Jnbegriff
alles Schlechten. Auch verbreiten dic czechi-

Amerikani-che Zustände.

Wrr bekamen dieser'Tage einigc Aushiingbogen
cineS Werkcs in dic Hand, das noch im Laufc dcr
näHsien Wochen erschcinen soll und im gcgenwär-
tigen Moment, «o der Krieg der Union gegcn dte
Sondcrbündler Aller Blicke auf Nordamerika lenkt,
von doppeltem Zntcrcffe ist. Es führt den Titel
„Zusiände in Amcrika, Zllustrationcn von Graf
A. Baudissin" (Verlag vvn A. Menzel in Altona)
nnd crzählt die Erlebniffc, Exfahrungen und An-
schauungcn eineS deutschcn EinwandererS auf dcm
„frcien" Bodcn der VereinSstaaten. Gleich eincS
der erstcn Erlebniffe war, daß er — Zeuge cineS
Mordes — zur Führung seincr Zeugenschaft einge-
spcrrt wurdc ünd Gott wciß, wie lange cinge-
sperrt gebliebcn wäre, wcnn ntcht cin Mitgcfan-
gcner, der zum Galgen verurtheilt, durch Geld sich
vom Galgen loskaufte, für ihn 2Ü00 Doll. alS
Bürgschaft crlcgt hätte. Dadurch fret geworden,
lernt er Amerika in solchen Schattenseiten kennen,
daß sich darüber scin Herz bald empört, bald wieder
in verzweiflungsvoller Zronie eine Art Trvst sucht.

schen Emmiffäre überall die Meinung, die ma-
gyarische Tendenz diene zugleich dem Wohle
der verschiedenen andern »i'chtdrutschen Nativna-
litüten Oesterreichs. — Die Religion wird
als Substrat für den nationalen Fanatismus
benutzt, und der Klcriis bedient sich dieses
Mittels oicht ohne Erfvlg , um ähnlich, wie
»n Polen, den kcktholischen Kultus mit dem
Kultus der Nationalitäts-Theorien zu idenli-
fiziren'. Rjegers und Rakozky's Bildniffe hängt
man neben die Heiligenbilder. Der Minister-
präsident v. Schmerling aber wird dem Volke
als der leibhaftige „Antichrist", als der böse
Dämon des Monarchen geschildert. Man geht
so weit, fisr den Kasser Gebete anzustellen,
damit er dem „Judas" und den chosen Rath-
gebern kem Gehör scheiike. Daß eine derar-
tige unausgcseßte Agisation nicht geeignet ist,
das Vertrauen in die Regierung zu heben,
und dic Achtung vor derselben zu vergrößern,
liegt klar am Tage. Es ist schon keinesfalls
gleichgültig, wenn der Klerus, oder doch cin
Theil^ desselben, die staatlichen Autoritäten
als Verächter dcs Slaventhums darstellt und
dem Volkc förwlich denunzirt. Was hjerbci
noch besondcrs auffällt, ist der Umstand, wie
wenig es der österreichischen Negierung ge-
lungen ist, durch das Concordat und andere
Concesstouen die Kirche bezw. die Geistlichkcit
für sich zu gewinnen. (Es ist diese Erschei-
nung, die sich auch in Jtalicu zeigte, ein war-
nender Fingerzeig.)

Um von den Nordslaven zu den Südslaven
überzugchen, wclche vvn den Czcchen und
Polen vurch die mqgyarischen Bewohner ber
uiigarischen Niederungen, sowic durch die
deutsche Bevölkerung des Erzhcrzogthums
Oesterrcich getrcnut ist, so zeigen sich auch bei
dicsen ähnliche Symptoiiic, wic bei dcn nord-
wärts wvhnenden Czechen und Polen. Wenigcr
auffallend zwar zeigt sich dixse Erscheinung
bei den in den deutschcn Provinzen Kärnkhen,
Krain nnd Steycrmark untermischt wohnendcn
'Slaven (der Slovenen, Jllyrier u. s. w ),
desto machtiger abcr tritt dieselbe bei den in
Südungarn, Kroatien undSlavonien angeseffe-
nen Kroatcn, Serben u. s. w. auf. Jnsbesondcre
möchten sie gerne die Kroaten(die den Serben an
Kultur ctwas überlegen, aber dafür auch mehr
corrumpirt sind, während letzterc an natur-
wüchsigcr Frische ste überragen), als Vor-
kämpfcrdcrösterreichischenSüdslavengewinnen,
und crhcben faft diesclben Sondernationalitäts-
Ansprüche wie im Norden der Monarchie dic
Czechen. Erst in neuester Zeil soüen dieselben,
durch ihr Organ, den Landtag in Agram ver-

; Mag auch in den allzu Grau in Grau, oder viel-
mehr Schwarz in Grau gehaltenen Schildcrungcn
manchcs »uf Richtung der llebertrcibung zu setze»
sein, iinmerhin ist die Wahrheit darin cinc so dü-
stere, daß auch dcr eingefleischtcste Amerikaschwärmer
aus den Zllusionen, die er von dem gelobten Landc
der Freihcit gehegt und gcpflegt, bitter enttäuscht
hcrauSgertffcn wtrd. All dcr surchtbare Volksdes-
^ potismus, die Schwindelei, Heuchelei, Gauncxet,
Unsicherhcit, Bestechlichkeit, und was sich sonst nvch
»on derlci aufcrbaulichen Eigeuschaften in Amerika
in dcn Mantcl dcr Freihcit hüllt, wird dem Leser
in eincr Reihe sehr lebhaft, mitunter amusant ge-
haltener Bilder aufgerollt. Wir wollen nur einige
Pröbchcn hervorheben.

Jm Gcfangniffc ficl dem Helden deS Buchcs eine
Schrift, „Der Banknotendedector", in die Hand,
wclche einige Tauscnd cchte und falfche Banknotcn
zu dcrcn leitbtercr Erkcnntniß beschricb'nnd abbil-
dete. „Mir gab", sagt der Erzählcr, „das Werk
einen hohen Begriff von der Vvrzüglichkett der
amerikanischcn Polizei, welchc all dcn Bctrngereicn
anf die Spur kommen kounte, und zuglcrch von
der Thätigkeit der ainerikanischen Schwindter, die

treten, geneigt sein, zu Gunsten des Gesammt-
staats etwas emzulenken, und vtellel'chk noch
den Reichsrath in Wien zu beschicken, was fic
bisher unterlaffen hatten. Jn ihrm Sonder-
bestrebungen gehcn die Kroaten, obwohl sie
stch Ungarn als Nebenland so wem'g unter-
ordnen wollen, als dem Gesammtstaate Oestcr-
reich als Kronlanb, mit den Magyaren ge-
Wiffermaßen Hand in Hand. Dieses ginge
jedoch, wenn man die fraglichen Tendenzen
überhaupt sich verwirklichen ließc, nur bis zu
einer gcwiffm Grenze forr. Schließlich wür-
dm dann dic slavcn, wenn es anf sie an-
käme, drc von ihncn umgebmm Magyarm
und Deutschen verei'nt durch ihre Maffe er-
drücken. Es i'st dieses ein weiterer Finger-
zeig für die Ungarn, stch mit Oesterreich und
Deutschland auf giitm Fuß zu steüen, dm ste
aber bis jetzl nicht beachtet habm. — Was
die übrigen, in der Türkei wohnendm, >süd-
slaven betrifft, so hängt die im jetziqen Mo-
ment ebmfalls im Fluffe bcfindlichc Bewegung
dieser mit der orienkalischen Frage zusammm,
welche wir — durch die Gährung in Polm
und selbst in Rußland zur Zcit zu einer ost-
europäischen »nv panslavischen crweilert —
einer besondercn Betrachtung unterbrciteu
werdm.

Deutschland.

Karlsruhe, 8. Nov. Heute früh 9 Uhr
wurde die irdische Hüüe des verstorbeoen Gas-
direktors I. N. Spreng der Erdc übcrgeben.
Ein großer Zug Leivtragmder aus allen Stän-
den, darunter Vcrtreter der allerhöchstm und
hohen Hcrrschaften, der gr. Siadtdirektor nnd
sämmtliche Mitglieder des Gemeinderaths, der
Handelskammer, des Gewerbcvereins, Abge-
ordnete der Gcwerbevereine in Heidxlberg,
Mannheim rc. folgten bcm mit Lorbccrkränzm
geschmückten Leichenwagm, auf deffen 'oberem
Boden die bciden Orden des Verblichenm aus
einem schwarzen Sammtkiffen angebracht waren.

(Bad. Lztg.)

Karlsruhe, 8. Nvv. Auf dm 30. d. M.
sind die Actionäre der Badischm Gesellschaft
für Tabaks - Produktion und Händel zur Ab-
haltung der jährliche» Generalversammlung
hieher cingelade». Nachdem dic vorjührigen
ausgezeichneten Tabake, durch dcn diesjährigen
geringen Erwachs, in ihren Preisen merklich
gestiegcn stnd, und ein so großer Vorrach vor-
handcn sein soll, um sich an die Spitzc der
merkantilischen Bewegimg stellm zu könnm,
auch die Absatzgcbiete stch erweitert habxn, —

jährlich Millioncn falsches Geld unter die Leute
bringen. Es passirt ihncn bisweilen, daß dte No-
ten, nach welchen sie ihrc Copien nehmen, wcrthlos
werden, ehe dre Copicn fertig sind; doch stehen fie
meistcns mit den Bankcn in Verbindung, so daß
sie ihre Fabrikate abfttzcn können, bevor dic Mutter-
bank sallirt. Wte, sicher und ruhig aber kann der
amerikanischc Gefchäftsmann ftin! Bekommt er eine
Note, so schlägt er tm Taufrcgister (dcm Banknoten-
dedcctor) nach, und überzeugt sich, ob ste echt oder
unecht ist, vb sie s> xsri oder bO—90 Perc. untcr
x»ri steht, und ist somit gcgcn jedcn Bctrug gesi-
chert. Hat er cin HLuffcin Noten beisammen, vo»
dencn dcr Dollar zehn Cents «erth ist, so bezahlt
er damit ftine Arbeiter aus, die in ihrcr Einfalt
den Dollar für einen Dollar annehmen, läßt fich
eine Quittung ausftellen, und pfcift den Aankec
doodle."

Die Fälschungen beschränkcn stch natürlich ntcht
auf dic Banknotcn, Alles wird in den Bcreich der
Fälschung gezogcn, mit bcsoiiderer Vorliebe werfen
sich dtc Fälscher auf die Eisenbahnkarten. „Ach war",
erzählt dcr Hcld unftrer Amerika-Odqffee, „so vor-
sichtig gewcftn, mir in Newqork die Karte« zn lö-
 
Annotationen