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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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September
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227.


F-reitag, 27. Leptember


L8«1

Actenstückc zum Decker'schen Prozeß.

(Schlüß.)

8-2.

Als Bewelsmlttel sowohl für ben That-
bestand, als für die Schuld des AngAagten
bezelchne tch außer de« eigenen Gestandniffen
des'Letzteren:

Urkiindcn.

1) Dlc schriflllchc Darstellung Sr. Maj. rcS KöalgS
von Preußen vom 14. Jult l. I. mtt ber, sotche beglet-
tenden, schrtftltchen Erklärung des großh. StaatSmintsters
vr. Stabcl und des großh. Gehetmenraths vr. Lamey
vom 15. deffelben MonatS. 2) Dile Poltzetberichte über
Lte tm Besitze deS Angcklägten aufgesündenen Gegenstanide.

3) Dte gertchtltche Beschretbung des TerzerolS und der

durch den Schuß getroffenen KleidungSstücke Sr. Maj. des
Köntgs (s. gestr. Nr.) 4) Die schrtftltche Darstellung dsts
LetbarzteS Sr. Maj. des Köntgs vom 16. Zult und 1..Au-
gust l. I. 5) Das gertchtltche Protoköll über die Besich-
ttgung dös Ortes der That mit dem daffelbe erläuternden
SttuationSplane. 6) DäS Schretben dcS Angeklagtcn,
ck. ä. Badcn, den 13. Zult 1861. 7) Folgende.Zeug-

niffe über den Angeklagten: a) des Rectors Klee tn DreS-
den; b) des Profeffors Schlömilch von dä; e) des Poli-
zetcommissärs Urban in Leipztg; ä) des ProsessorS vr.
Fletscher allda; e) deS ProfefforS vr. Schtlling allda;
k) des Proseffors Jacobt allda; §) hes Studenten Ludwig
Scheible, und b) deS Studenten Satadtn Müller tn Letp-
zig. 8) DaS Schreiben der Stadtpoltzeibehörde Chemnttz
vom 25. Juli l. I. 9) Das VermögenS- und GeburtS-
zeugniß über den Angeklagten.

8. Sachverstandige.

1) Großh. Amtsgertchtsarzt Medicinalrath vr. Fueßlill
in Baden; 2) Büchsenmacher Georg Nagel und 3) Zager ^
Anton Ztegler von da.

6. Zeugen.

1) Frtedrich Graf von Flemmtng, köntgl. preußtscher
Gesandter tn KarlSruhe; 2) Karl Schtll, Referendär in
Achern; 3) Zultus Süpfle, RechtSanwalt tn GernSbach;

4) Karl Michael Brandt, Particulier aus Berltn, zur
Zett tn Baden; 5) Karl Herz, Kutscher in Baden ; 6) Zo-
hann Schaufler, ledig, von da; 7) Eduard Sttnne, Kell-
ner im Gasthaus ^zur Blume" allda; 8) Valentin Schmalz.
Taglöhner von Varnhalt; 9) August Engel aus Berltn,
Kammerdtener Sr. Majestät des KöntgS von Preußen;
10) Charlotte, Ehefrau des BrtefträgerS Zohann Knöfel
in Letpztg; 11) Eduard Victor Falke, Kaufmann in
Hohenstetn, zur Zett tn Dresden; 12) Hetnrich Robert
Jahn, Kaufmann tn Leipzig; 13) Karl August Brupo
Spartg, Handlungscommis in Leipzt^; 14) Emtl Scy-
sarlh, UniverfitätSpedell von da.

Z 3.

Das von dem Angeklclgte» verübte Ber-
brechen besteht darin, daß er mit Vorbedachl
vcn bestimmten Vorsatz gefaßt hat, Se. Maf.
den König Wilhelm von Preußen zü tödten.
nnd daß cr^iese vvn ihm beabstchtigte Dödtüüg
in der Art aüszuführen begonneü 'hat, daß
er Alles that, was vvn seiner Seüe zur Voü-
endung bes beabsichtigten Verbrechens nvth-
wenvig war, wobei jevoch der von ihm beab-
sichtiglc Erfolg der wirkiichen Tödrung nur
durch andere dazwischcn getrelene Uinstände,
welche ihren Grund nicht in dcm Willen, noch

in der eig'knen Ha^hlstngsweise des Thqters
'hatl'kn, abgswendet'wvrden ist. Dieses Ver-
brechcn bildet densThatbestand des beendigten
'MördÄersuchs l'm'Sinne deS §. 205, 106, 107,
114 dts 'Strafgesetzbiichs.

,, 8.4.

^lk^gkößh. Anklagckammer an dikffeitigem
Gerichttzhose hat ig Ukberesnstimmung mit mei-
niem Aii;.rage ugierm 22, Auqust I. I. folgen-
des Verwelsüsigselkeizntniß erlaffen:

,„,J. Ss, S. gcgen Oskar Wilhelm Becker aus
Odcffa, chegen Mordversuchs, wird nach dem
Änsräge'kss größh. Ssaalsanwälis , aüf er-
stätteten Börtrag ünd gepstögene Beralhung,

erkaünt: ^.

'Tcr ziveilsnbzwänzigjährige Oskgr Wi'l-
Plm Hecker äns 'Oöestä, biSher Siudent
der Nechie nnd Eämeraliviffciischaften in
Leipzig, sei "ünter der'Anschuldigüng:
dgß cr'sn Zölgc .eines init Vorbedacht
gefaßten'bksti'mmteniÄntschluffes, Se. Maj.
dcn König Wilhelm von Preußen zu tödten,
ünd in Ausführüng dicses bestimmten Bor-
sätzes ain 'l'4. .Juli d, Z, , Mörgens gcgen
8?/^. llhr, i'n .der. yoii Baden gegen Lich-
tenthal hinziehendcn Allee beide mii je cüier
Kugel geladene Länfe eines Döppelterzerols
aüs ver Rähe vyn 4 bis 5 Schri'jien 'glrich-
gelijqZ>uf.De..Majestät abgeschoffen habe,
durch welchen Schuß die Halsbedecküng Sr.
Maj. dcs Königs von ciner, den Rockkragen
dürchdriugcnden Kugel gefireist wurde und
schr. Se, Mgjestät ciiie Contusion am Halse
entstanden ist,

'ünd somi't ^'üfolgc d'er §§. 205, 106, 107
MS S.töäfgese'hbiichs wegeü t>ckndiglen Mord-
ch.ersizchs,.verühl an Sr.,.Maj. dcm König
von Prcnßkn, ^or daS ^chwurgcricht des
Mittklrhkinkiiisps. zu vermeisen."

An. eden diksls.Schwü.igcricht stclle ich hier-
nach dcn rechtlichk.ii. Äntrag: ....

bäß.der ÄlMklagte Oskar Wilhelm Becker
gus L).deffa de.s.itzln jn qegcliwärtiger An-
klagrschriit znr Hast gelegien Vcrbrechens
dgs bkezchigten..Mordversuchs für schuld.ig
erklärt. und .bajür zu der gesktzlichen Strafe
veriirtheilt werde.

B r uchsal, dsii, 28, August 1861.

Der größherzogliche, Siaatsanwalt.
(gez.) H a a ß.

tl. E'igench'änhtge Erklärung Sr.
Majestät deö Königs Wilhelm v.
P'reutzen über das Ätt'entät.

Als ich beute, den 14. ZuU 1861, in der
Lichtenthaler Allee ging, früh ^9 Uhr, ging

eiu jnnged, etwa 20jährigcr Manv ber mir
vorüber, von hinten kommend, und grüßte
mich auf eine besonders freundliche, fast herz-
lichc Art, indem er, dcn Hüt abnehmend, den-
selbcn mchrmals grüßend senkte. Da cr bald
darauf seine Schritte verkürzte, so ging ich
wicder an ihm vorüber, wvbei er nochmals
grüßte. Dies geschah wenige Schritte vor
ünd hinter dem Hause, in welchem früher der
Maler v, Baper wohnte, An der Ket-
tenbrücke .begegnete mir mejn Gesandter,
Graf Flemming, der mich nun beglcitete, Viel-
leicht 150 Schritte jenseits, des Hirtenhäns-
chens fiel ein Schuß in solcher Nähe'von h,ü-
tei, auf mich, daß ich sofort einen Schmerz
an der linkcn 'Sciie dcs Halses fühlte, eiue
Dröhniing im ganzen Kopf empfand, imd init
der linkcn Hand soglcich nach der vcrletzten
Stelle griff, ausrusend: „Mein Gots, mas
war Das!" — Graf Flcuiming und jch drch-
ten uns gleichzcitig um und ich sah oben be-
schriebenen jungcn Mann ganz ruhig hinter
uns aus drei Kchrittc stehen. Graf Flemming
sragte ihn: Wer hat geschoffen? Haben Sie
geschoffen? woraus der Mann ganz gelaffen
erwiderte: „Jch habe auf den König geschos-
sen." — Graf Flemming griff ihm nun in
die Halsbiiide und hielt ihn,f.est, fragend:
womit haben Sie geschoffen? npd er zeigte
auf einen in's Gras hingewsrsenen Regen-
schirm, unb einige Schrittc von demlelben
lag ein DopPelterzervl, an dem heide Läufe
abgeschvffen warcn. Da sosoxt ei» Hcrr,
der der Rechtsanwalt Süpfie aus Gernsbach
sei'n soll, und ein anderer Mann, Amtsver-
weser Referendär Schill aus Achern, zuge-
.sprüngen warcn und Ve,n jungen Many zu
Boden warjkn, aysrufend; „Das jst, einr
Schmach und Sch'ande für Baden; dqs ?nuß das
Volk rächen", — so.hatte Gras.Flcmming.Zlit,
d.ie Pistol^ äuszunehlncn und den Regeqschi'rm.
Äjttlerw.eile war der.Hotelbesitzer Brand qus
'Berlin hinzugesprungen und. diese drei Hcr-
ren brachten den Menschen in einen Mieth-
wagen, der gerade vvrübersuhr. — Jch er-
suchte die Hcrrcn, ihm nichts zu Leid zu thu«,
und bestimmte, daß dieselben unter Gcleit des
Grafen Flemming ihn zum Ssadtdircctor
Kunz tränsportiren solltgn. Ein vicrtcr Herr,
Blanquct, oeMvisnt llo ksris, sagle mir auf
französisch, daß meiu Rockkragen von einer
Kugcl zerrissen sei und ebenso die Halsblnde
gestrcist wäre; ich zoq den Rock aus und
überzeugtc inich von ver Richtigkcst der An-
gabe. — Die Contuston am Halse blutete
nicht, verursachte aber cinen leichtcn, bren-

Die Hubrrbäuerin.

Von Hermann Schmid.

(Fortsetzung.)

Der Huberhof lag ganz ällein, eingeschlöffeü vön
zusammengechörigen Aeckern, Wiesen und Wal-
dung, auf einer schönen, sanft ansteigenden Anhöhe.
DaS stattlichc mehrstöckige Haüs mit semen blan-
ken «cißen Wänden, den viclen hellen Fenstern
und dcn sreundlichen grünen Läden war stuüden-
weit sichtbar. Seine Pracht ünd die zahlreichcn
Nebengebäude verriethen dte Wohlhabcnheit des
Befltzcrs, und Manchcr, der am Fuße deö Hügcls
auf der Landstraße durch das brettc trübftlige Moor
dahinschritt, mochte cincn Augenblick stillc chalten
und den Glücklichen beneiden, dcm ein solches Eigen-
thum geworden.

Gegenüber jenftits des MovrS stieg cine ähü-
ltche Hügelreihe cmpor. Aufihr, fast eingefchloffen
von einem kleincn Tannengehölz, lag das in der
vergangencn Nacht beraubtc Brandlgut.

Auf der Bank vor dem Huberhofe saß dcffen Be-
fitzcr; er hatte die Hände über den etwas hinauf-

gezogene'n Knieen zusammengclegt und blickte in
d'en blitzenden Älorgen und die lcnchtende Land-
schaft hinaus. Sein Blick war aber nicht der cines
frcudkgen Natürfreundes odcr des frohcn Bcsitzcrs,
dcr stch ä'n dem Erreichtcn crfreut — ftin Blick war
stärr ünd glanzlvs und streistc an den gedankcn-
loft'n Äüsdruck deö Blödsinns. Die Züge des Ge-
stchts wären abgespannt nüd schlajf und 'bildeten
einen ahstcchenden Gegensatz zü der Kraft, die sich
in dem gaüzen gedrüngeneikKörpcrbau des Männes
ausxrägte.

Unfern des BauerS, um ihn völlr'g unbekümmert,
lehüte än einer Zaunbrüstung ciü junger Meüsch
in bäücrlichcr SönntagStracht, eine schlanke, fast
ftingebautc Gestält mit einem hübscheä ausdrucks-
vollen Gesichte, dem nur der etwas nnstäte Blick
Eintrag that. Auch die Bläffe desftlben war stö-
rend, weil sie nicht zu dem ganzcn Ausfthen der
Gestalt paßte und unwillkürlich den Gcdankcn an
das wüstc Lcben hervvrricf, dem.flc ihre Entstehung
dänkte. Äuch der Bursche sah starr vor sich in die
Gegend hinauö, aber auch cr sah nichts von der
Schönheit bes Morgens nnd dcr Gegend; wilde
leidenschaftliche Gedanken gingcn in ihm hiü und

«ieher, und wenn ftin Auge an irgend eincm Ge-
gcnstande mit dcm Ausdrucke des Bcwußtftinh haft
ten blieb, «ar es das einzelne cipsame Brandlgut
gegcnüber. . ...

Das Geräusch eines auf der Lqndstraße dahcp-
rollenden Wagens störte Beide aus ihrem Brüten
auf.

Es war etne cinfache Landkutsche/ in wstcher eiu
Herr in Untfvrm mit eincm zwcitcn unscheinhar
auSfthenden Menschen. saß. Es war dcr.vom Land-
gerichtc abgeordnetc Äffcffor nebst Schreiher, dft
wegcn dcs in der Nacht vcrübten Raubiis den Au-
geüschcin vorzunehmen hatten. Der zn Pferdc nach-
trabende Gerichtsdiener machte die Commisfion voll-
Zählig.

DcrBaucr hatte eineSecunde lang aufgeschaut,
sank aber sogleich in ftine vvrige thcilnahmslvft
Stellung zurück. Der Bursche dagcgen richtck jich
hoch anf, — wft krainpstg, als wvllte er ctwas zur
Abwehr ergrciscn, faßtc er nach einem der Zann-
psählc und blickte fest an den beranrollenden Wagen.

Zetzt war dcrselbe an dcm Feldsträßchen angc-
kommen, das von der Hanptstraße nach dcm Hnber-
hofe »bzweigte. Der Beamtc wcchftUe etn paar
 
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