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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2815#0368

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Freitag, 4. Oktober




Bestellungen aüf-ie Hei-
-elberger Zeitung für -as 4 Luartal
werden fortwähren- bei -en auswär-
tigen Pvstämtern angenommen, fnr
Heidelberg bei -er Cxpedition.

Prozeß Baumbach.

(Schluß.)

Dl« hcutlge Sixung begann Mlt ber münb-
lichen Anklagebegründung bes Staatsanwalts-
Substitulen, Hofgerichtsaffessvrs Zunghanns.
Hleim wirb zunächst anerkannt, daß eine an
sich räthselhafte Sache vorliege, deren Beur-
theilung bcsonders schwierig sci, weil selbst
ber Ehemann der Angcklagten, gegen den doch
das Berbrechen verübt worben sein sollte, die-
selbe deffen mit größtcr Bestimmthcit für un-
fähig erklärt habc. Der Staatsanwalt schei-
det sobann die unerheblichen Anschulriglingen
aus, wclche er fallen läßl, unb bcfchränkt
sich auf Ausführung der wesentlichen Jnzich-
ten. Der in dem Bierc gefundene Phosphor
könne nicht burch Znfall hineiiigcratheii sein.
Von dem Rattengifte, welches fruher in daö
Baumbach'sche Haus kam, könne bas Gift
nicht herrühren, weil dies schon früher ganz
verbrauchl worden. An Zufall sei um so
weniger zu denken, als daöselbe dreimal an
drei verschiedenen Tagen im Baumbach'schen
Hause in Bier und Zucker vorkam, unb als
das Untersuchungsgericht sclbst auf bem Tisch-
teppiche noch Phosphor fand, und als bäs
Raltengift nach bem Gutachlen bes Apoihe-
kers verschieben sei von jcnen Grftstoffcn.
Älso müffe eine vcrbrechcrischc Hand im Spicle
sein, unb bics kvune man von vcn drei Dienst-
botcn nicht denken, weil sie tm gestrigen
Verhöre ben besten Eindruck machten, und
weil ihnen sämmtiich gute, theilweise glän-
zende t!eumundszeugniffc zur Seite stehen.
(Dies wird dcs Weiteren ausgcführt).' Die
Untersuchung gegen die Dicnstdoten habc be-
ren Unschulb glänzend bewiesen, also seien
eö klassische Zeugen, durch beren Aussagen
der vdjeclive Thatbestanb vom Pfingstsonnrag
und Pfiiigstmontag voükvmmen bewicsen, wäh-
rend der spätere Vorfall vom 2ö. Mai l. I.
räthselhast sei und eyer den Anschein habe,
als ob uian badurch habe Jemand in Ver-
dacht bringcn wvüen. Der Staatsanwalt
konimt nun auf die Motive der Unlhat, wel-
cher die Angeklagte beschuivigt werde. Hicr
sei ber schwierigste Punkt der Umstand, daß
alle Zeugen das Glück der Baumbach'schen

Ehe bestäkigen. Dvch fehle es nicht ganz
an Jnzichtcn, daß dieses eheliche Glück ein
gänz ungestörtes sei, wofür er sich insbeson-
dere auf den Vorfall beruft, wo Herr vvn
Baumbach seinc Frau mit der Pistole bedrohte,
woraus bei der gesellschaftlichen'Stellung die-
ser Ehegätten nothwendig auf ein tiefgehen«
des Zcrwürfniß geschlvssen werden müffe, zu-
mal die Gcheimniffe dieser Ehe sorgfältig
verschloffen wurdcn. Der Ehemann habe schon
aus Edelmuth und nvL mehr aus Rücksicht
auf scin Hofamt Gründe genug, seinc Frau
zu vertheidigen, waS für das Gewicht seiner
Entlastungsangaben sehr erheblich sei.
Erwäge man daher die Aussage dcr
Dienstbvten über dic Handbewegung der An-
gcklagteo, so sei dic Möglichkeit von deren
Thäterschaft nicht zu bcstreiten, und alles
Uebrige zeige, daß nur die Angeklagte das
Gift in das Bier gelcgt haben könne. Eine
weitere schwere Jnzicht liege darin,'daß das
Morgenkleid dcr Angcklagten dort, wo die
Rocktasche ist, stark nach Phosphor roch, also
die Angeklagte sich mit Phosphor zu thnn ge«
macht haben muß rc. Dte Absicht der Ange-
klagtcn könne bei der Beschaffenheit deS Gife
tcs wohl nur unbestimmt auf Tödtung odcr
Gesundheitsbeschädigung gerichtct gewcsen sein.
Es wird daher der Antrag auf Schuldiger-
klärung gestellt. Der Vertheidiger Oberge-
richtsadvvkat Kusel, erzählt zuerst die Ge- ^
schichte der Untersuchung und hebt namentlich
hervor, daß der dritte Vertrcter der Staats-
behörde als öffentlicher Ankläger fungire. Bei
dem Verweisungserkenntniß könne wohl auch
der Gedanke mit unterlaufen sein, daß man
dcr Angeklagtcn Gelegenheit geben müffc, sich
vor der Oiffcntlichkeit zu rechtfcrtigen. Zm
Verlauf wirv zugegeben, daß eine verbrcche-
rische Handluug vorliegc, jedoch bchauptet,
daß gar kcin Vergiftungsvcrsuch verübt wor-
den sei/ sondcrn das Ganzc auf einer Jntri-
guc beruhe, um einen Skandal hervorzuru-
fen und der Familie von Baumbach Unan-
iiehmlichkeitcn zu bereiten. Die Untersuchungs-
führung wird kritisirt, hauptsächkich weil Än-
fangs die Dienstboten als Angcschuldigte be-
hanvelt und verhaflet, dadurch aber diesc
verleitct wurden, zu ihrcr eigenen Selbstver-
theidigung die Angeklagtc zu bcschuldigcn.
Trotz alledem habe tie Untersuchung nichlS
gcgen die Angeklagte erbracht. Die Dienstbv-
ten scien vv» dem Staatsanwalr nach Ein-
druck und Character sehr glänzend geschilbcrt
worben; allein die Gerechtigkeit verlange an-
zuführen, daß alleS Dies in noch weit höhe-

rem Maße der Angeklagtcn zür Seite stehe.
Der eigentliche Urheber dcr ganzen Sache
sei dcr Bediente Fritsche (wie des Räheren
ausgeführt wird). Ob und in wic weit die
beidcn D'ienstmädchen ursprünglt'ch an der
Sache Theil genommen haben, sci ungewiß;
allcin im Lanfe der Untersuchung hätten sich
diesclbcn dem Spstemc des Fritsche angeschlos«
sen, wvbei auf die Möglichkeit zu gemeinsa-
men Unterrcdungcn im Amtsgcfängnisse hin-
gewicsen wird. Deffenunqeachtet seien Wider-
sprüche übrig gebliebcn. Keines der Dienstboten
habe gesehen, daß dieAngekl. etwas in das Bier
geworfen habe. Die Vertheidigung glaubt dcn
Anschuldigungsbcweiszerstörtzuhabcn.Jndeffen
solle auch dargethan wcrden, daß dic Ange-
klagte unschuldig sci. Trotz der sorgfältigsten
Rachforschung habe man nichts als Motiv
auffinden können, als Eifersucht und eincn
gewiffen Vorfall. Vvn ersterer set im Cha-
racter der Angeklagten nichts zu bcmerken,
und daS Verhältniß zu der fraglichen Dame
habc sich als cin durchaus unverfängliches
herausgestellt. Die Geschichtc mi't der Pistole
zwischen den Baumbach'schen Eheleutcn sei
hervorgesucht worden, um die Lücke eines
Motivs auszufüllen rc. Also kein Beweg-
grund, mithin auch kcin Thäter. AUe Zeu-
gen hälten dic Baumbach'sche Ehe für eine
glückliche crklärt. Ohne ganz besondere Vor-
kommniffe könne man nicht denken, daß das
Glück einer 21jährigen Ehe plötzlich i» tödt-
liche Feindschaft umschlage. Die Angeklagte,
krank und nicht mehr jung, habe von dem
Tode ihres Mannes keincn Vortheil erwarten
können, während sic bci dcm Lcben ihres
Manncs dic Bortheile seiner ausgezeichncten
Stcllung als Hofmarschall, sowohl bezüglich
ihres Rangcs, äls auch bezüglich pekuniärer
Vcrhältniffe genieße rc. Um alles DieS zu
vergeffen, müffe man an eine furchtbarc Lei-
Lenschafl denken, und eine solche Lcidenschaft
müffe sich doch einpial kund geben; aber da-
von wisse man nichts. Die Thät selbst sei
unbegreiflich, denn die Angeklagte hätte als
Hausfrau vicl bessere Gelcgenheit gehabt,
Gift ohne Zeugen in Speisen oter Gclränke
zu mischen. Anch habe ja die Angeklagte
selbst von dem vcrgifteten Zuckcr genoffen
und gestattet, daß ihre Tochter davon ge-
nießc. Dcr größte Beweis der Unschuld der
Angeklagten sei der, daß sie hicr im Schwur-
gerichtsfaale sitze, während sie seit Wochen ge-
gen Caütiou auf frcien Fuß gesetzt worden
sci. Schließlich bittct der Verthkibiger, daß
die Geschworenen durch cin rasches und ein-

Dir Huberbäurrin.

Von Hermann Schmid.

(Fortsetzung.)

Der Schwcigsamste war Hans und ein ganz jungcS
Bürschltin von kaum siebzehn Jahren, daS crst vor
wenigcn Wochcn auf dem Huberhofe in Dicnst ge-
treten war.

„Nun, waS istDir über'SLcberlgelaufen, Pauli?"
ries Einer «ährend eincr augenblieklichen Paufe
den jungcn Menschcn an. „Du schaust ja d'rcin,
alS wenn Dir derHund daS Brod genommen hätt',
und auch der HanS macht ein Gesicht, als wenn er
nicht fünfe zählen könkt'!"

„DaS kann ich Dir schon sagcn", lachtc cin Zwei-
tcr, „sie sind alle zwei verliebt und Jedcr lamen-
tirt um sein' Schatz; dcr Pauli, wetl er ihn nicht
kriegcn kann, und der Hans, wcil er idn ange-
bracht hat!"

„Du wirst viel wtffen von unscrc Schätz', Hies",
sagte Hans kalt und ein Bischen vcrächtlich. „Zch
mcin', Du bist noch nie botenweis' gegangen für
mich!"

„DaS braucht'S nicht", rief der Andere «ieder,
„deswegen hab' ich doch die Spatzen auf'm Dach
pfeifen hören! Kcnnst Du etwa dic Blumhuber-
Rosel gar nimmer, weil Du fie hast fitzen lasscn?
Oder reut'S Dich, weil sie sich heut' Nacht so tapfcr
gehalten hat?"

„Was meinst Du damit?" fragte Hans verwun-
dert. „Jch weiß von nichts."

„Stell' Dich nicht so unschuldig", «ar die Ant-
wort, „man red't ja schon überall davon. Sie ist
llnterdirn auf dem Brandlgut, und tst heut' Nacht
dte Einzige gcwesen, der dic Schelmen nicht Herr
gcworden sind. Sie hat mit dcm rothen Hannickcl
gerauft, wie ein MannSbild, und hat fich loSge-
macht und auf dcm Dach daS Freßglöckl gcläut't.
Der Hütbub hat sich unterm Holz verkrochen ge-
habt und hat AlleS mit ang'schaut!"

Hans ward etncn Augenblick roth, als ob ihm
Blut in's Gesicht geschüttet worden; im nächsten
aber war er wiedcr bleich, wi« zuvor, und stand
ganz ruhig auf. „3ch hab' davon gehört", sagtc
er, „abcr nicht gewußt, daß das die Rosel war...
Mich wundert's aber nicht, fie «ar allewetl' eine
kreuzbrave Person..." Damit ging er dem Tanz-

boden zu und lehnte sich in rtnen Winkcl, mehr
um ungestört zu sein, als um den Tanzenden zu-
znschauen.

Die Bursche draußcn lachtcn ihzn nach. „Es ist
schon so, Hies", riefcn fie, „Du hast schon dcn rech-
ten Flcck getroffen! Wollen seh'n, ob Du beim
Pauli auch so gcschickt bist!"

„Za, bci Lem ist's schon schwcrcr", spöttcltc Hies,
„dcr fallt ganz vom Flcisch; das kommt abcr blos
dahcr, «eil «r mit dcm Löffel dcn Weg in'S Maul
nimtner findct, so oft er bcim Essen seine schöne
Dienstbäuerin ansieht..."

Dic Flammenröthe dcs jungen Menschen verricth,
daß dcr Spöttcr auch hier schr «ohl zu zielen ver-
standen hatte. Zornig sprang er auf, schlug heraus-
fordernd mit dcr Faust auf den Tisch und rief:
„Wer unterstehtsich, dcr HubcrÜVwas nachzureden?"

Allgcmeines Gclächter scholl ihm cntgcgen. „Wcr
redet davon?" schrieen sie durcheinander. „Wir
«iffen schon, daß fie von Dir nichts will, aber das
«iffen «ir auch, daß Du verschossen bist in die
schönc HuberiN!"

Der Bursche faßte den zunächst Stehenden am
Krage«, dieser griff ihm dagegen an die Kehle,
 
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