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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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August
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N 3t»3


Freitag, 3«. August


1861

T Die Agitation in Dyrok.

Wkn» m»n wciß, taß das Protestanten-
pateiit vom 8. Apiil ja »ur den Artikel 16
der Bundesaete verwiikllcht, dcr elnfach fcg-
setzt, daß dic Verschiedenhkit der christlichen
Religioiisparteien ln den Ländern des dent»
schen Bundes kelnen Unterschled der bürgcrll-
chen und politlschen Rechte begründen könne,
mußte man da jene beisplellose Agitatlon des
Tpröler CleruS geqen jeneS Patent nicht
äußerst auffaUcnd ftndcn? Frelllch verlierl
dle Sache lnsofern vlel von dc,n Außerordent-
llchen, als ja der Clerus es immer vcrstan-
den hat, elne clnfache polltlsche und rechtllchc
Aiigelegenheit zu eliier durchans rellglp-
sen zu stenipeln. Und ln welcher Welse ge-
schah dles! Unter dnn Vorwande, als handle
es sich um dle Rellglvn, enlblöbete elne ge-
wiffcNlose Partei nlcht, ein vffcnes und ble-
deres Volk zur Erreichung ihrer habfüchtlgen
Zweckc ln wllten Fanatlsmus zu fiürzen,
dle Fackel der Zwictracht und dcs Haffes lu
das, Land und die Famillen zu schlevder»,
und so das Land selbst zum gerechtcn Hohn
nnb Spott der ganzen cvllisirteii Welt zu
machen. Man welß, daß besönders durch
das Protestantenpatcnt die Kluft zwischen
Oesterreich und Deutschlnnd ausgefüllt, Oestcr-
relch ln der öffentllchen Melnung Deutsch-
lands gewissermaßcn rchabllitlrt werden sollte.
Hätte man daher nlcht melnen können, daß
der Clerns auf dleses wichtige Mvment würdc
Nückstcht nehmeii? Ebenso lft bekannt, daß so
zu sagen, dle ganze Eristcnz nnd Macht der
Monarchie an dcr Befestigung constitutlonel-
ler Zustände hängt. Svlltc man daher nicht
glauben, daß der Clerus auf einc Oppo-
sition ge.qen den jungen Coiistltutionalisiniis
verzichten werde? Endllch ist allgemein an-
erkannt, daß in Oesterreich die Einheit und
Macht des Ganzen gegenüber dem zerspljt-
tcrnden nnd schwächenden Partlcnlarismus
vor allein Anbcrn noth thue. Durfte man
daher nicht erwarten, daß der Clerus AüeS
unterlaffen werde, was dic angestrebte Ein-
hcit des Rcichs wiedcr in Frage stellen könnle?
Ader nein! Wie man nichtS unversucht licß,
waS das protestantische Deutschland wieder
aufs neue gegen Oesterreich aufrcizen mnßte;
wie man jüngst in Tprol allc Hebel zum
Sturze deS MinisteriumS Schmerling nnd des
ganzen jungkn Coiistltutionalismus in Bewe-
gung setzte, so stclltc man sich ln dieser An-
gelegenhcit insofcrn ganz auf den Htandpunkt
des ParticulariSmuS, als man eben nicht

sragte, waS das Jntereffe und daS Wohl
des Ganzcn, der Monarchie übcrhaupt erheische,
svn-crn a!s man rein nur Tprol, die kirch-
licheii Znstände daselbst, ins Auge saßte. Dcr
Clerus war in dieser Sache ganz magparisch,
insofern er jcde Unkerorduung bes Theils uu»
ter das Ganze und Allgemeine zurückwies,
und für Tprol ebenso eine Sonderstcllung
beanspruchte, wie die Magparen für Ungarn.
Und so kann dem Clerus gewiß mit vollem
Nechte der Borwurf gemacht werden, daß er
in dieser schweren Krisis dcr Monarchie den
Kalser unb seinc Rathgeber in der Aussüh-
rung ihres sv schwierigen Vcrsuchs nicht nur
nicht unterstützt habe, sondern ihnen gerade-
zu auf allc mögliche Weise entgegengetreten sei.
Za, in einer Abrcffe a» ben Papst klagten
die allezeit treuen Tprvlcr, beziehungsweisc
Cleriker, sogar unmlttelbar den Kaiser an
und krohten ihm inhirect mit Kündigung ih-
res Gchorsains, indem sie Gott baten, cr
niöge doch ja bie Rathgeher des Kaisers er-
leuchten uiid bie Geduld des Landes stärken,
damit die Treue gegen den so schwer heim-
gesuchteii Mongrchen nicht erschüttcrt werde..
Grcnzt nicht das Alles nahe an Hochverrath,
wenn man in einer rcin politischen Angele-
genhcit sich an cinen fremdcn Herrscher wen-
det, und ihm andeutet, daß unter Umständen
bie Gednld ein Ende haben, und dic Treue
gkbrochen werden könute? Freilich hat sich
der Clerus noch immer über Alles hinausge-
setzt, wenn sein Zn'teresse im Spiel war.
Wenn der Kaifer bte Gencymigung Les dc-
kannten Landtagsbeschluffes versagt hat, so ift
er sogar laut Hirtenbriefcu nur durch frcm-
bey Einfluß dapl vermocht worden: es sind
besvnderS die „Lnlherischen" und dic Zudcn,
die das Ohr des Kaisers uwlagern, und ihm
auch nicht eine Spur von Frciheit mehr las-
sen. Zetzt, wo es gilt, dem Clerus entgegcn-
zutreten, dem Clerus ein Halt zuzurufen,
jctzt spll der Kaiser sich gänzlich beherrschen
laffcn. Aber als cr bas Cvncordat schloß,
als er dix Monarchie zn den Füßen des ka-
iholischcn Clerus legtc, damals stunv er natür-
lich uicher keinen fremden Einflüffen, sonvern
war pollkvmmen frci: es war der spontauste,
aus seincm eigensteu Entschluffe eutspringendc
Act.

Aber guch nur Tprol kvnnte zu jenem trau-
rigen Schauspiele, das wir daselbst aufführen
sahen, der Boden seln. Denn wvhl in kei-
nem Lande ist die Herrfchaft der Priestcr eine
so fcst bxgründel«, wle in Tprvl. Seit der
blfttigen Strengv gegen die Prokestanten unb

seit der Einführunq der Jesuiten hat dic Bi-
gottcrie, der religiöse Aberglaube, vie blinde
Ergebung in den Willen dcr Seelenhirten
iwmer mehr Raum gewonrien. Von Schul-
nnterricht und Bildung war immer nur sehr
weuig zu verspüren; Clerus und Polizei war
in rührendster Freundschaft schon längst iiber-
eingckommen: was dcr Bauer als Mensch ge-
wiune, könne er als Christ und als Unter-
than nyv verlieren. Jn keinem Lande wer-
den daher so albcrne Wnndergeschichten ver-
breitet, unv zumal an Wallfahrtsorten mit
geweibten Zetteln, Roscnkränzen, Wässerchcn
N, s. w. ein so einträglicher Handel getrikben,
als gerade in Tyrol. Ein besonders kräfki-
gesMittel, ausdenLandmann zu wirken, waren
die Misstonen, dic mit dem festlichsten Gepränge
abgehalte» wurden, und dergestalt theatra-
lische Nührungsstücke darstelltcn, dsß am Endc
Aües in Thränen schwamni, unb sogar in
Zammern und Heulen ausbrach.

Doch mag auch bie Agitation gegsn das
Protestantenpatcnt in Tprol eine noch so be-
trübende Erscheinung se,'n: so ist es auf ver
anyern Sxite gewiß erfrculich, iijcht nur, daß
der Clerus seinen unmittelbgrcn Zweck doch
nicht erreicht, sondern auch, daß er vorzüglich
dyrch sein Auftreten und Gebahren in Tprol
die Ueberzeugung von ter Nothwcndigkeit ei-
ner Reviston des Loncordats nicht wcnig bc-
förderte.

Deutschlan-.

rrug. Ivon vcn für ble
Lotterie vcr GewerbeauSstellsng bestimmten
50,000 Stück Lvosen stnd nahezu 37,000 schon
abgesctzt. Rie für die Uhreuindustrie fest-
gkseHte Anzaht Loose, 15,000, siub gauz ver-
griffen unv weitere Loose wcrden nichl mehr
ausgegeben.

KarlSruhe, 26. Aug. Hen.te fr.üh starb
unerwartet ber hochverdiente bad. Oberbauraih
Zvh. Sauerbeck, 62° Zahre alt. Der Verstor-
benc war seit 1822'in Staaksdienstcn thätig
gewesen und hatte besonderS seit 1832 als
Mitglied der Wasser? undSlraßenbaudikection,
als Baurath unb Oberbaurath segensreich ge-
wirkt. Er war Rittcr des Zähringcr Löwen-
ordens und der französischen Ehrenlegion.

(K. A.)

Karlsruhe, 27. Aug. FSr die Landes»
gewerbeausstetllliig ist nun die Lotteric-CvM-
missivn zusammengesetzt worden. Sse bcsteht
aus den Obmännern der vcrschiedeven Lb-
thcilungen, den Herrcn Spielwaarenhändler

«nvrrhofft.

Von Hcrmann Schmid.

(Fortsetzung).

„Mernst", sqgte er, „daß ich errathe, was du so
in das rothe Gewötk hineinschaust?"^ „Jch glaub'
kaum, daß du so gescheut bist", erwiderte Cilli.
„Was soll ich denn gedacht haben, meinst du?" —
„Daß die Marbacher Kirchweih bald herum tst und
daß sie nur einmal im Zahr kommt!" — „Das
wär' freilich ganz was Nenes und Besondcres...
abcr an das hab' ich wirklich nicht gedacht!" — „So?
Auch an das nicht, daß wtr bald auscinandcr müsscn
und daß wir noch immer von dcm nicht gcredt haben,
was wtr doch »or allem mitetnandcr auszureden
haben?" — „Jch mit dir? Was «Lr' denn 'das?"
— „Verstell' dich nit, Cilli. Du «etßt es recht gut,
daß wir zwci zusammengehören, daß «ir für ein-
ander bestimmt find und daß wir dcswegen ein Paar
werden müffen."—„Jch deuk' das «ärcn wirschon...
threr Zwei sind allemal ein Paar." — „Du willst
mich foppen, Cilli. Laß das bleiben, denn ich bin
kin Hitzkopf und vertrag'S nicht. 34 sag' dir grad

und psscn 'paus, daß ich dich gcrn hab' — warum
willst yrir perbergeii, daß du mich auch gern hast?"

Cill.i »erdroß die Sicherheit, dte tn diesen Wor-
ten lag. H-tte sie auch Toni's Annähexung und
Bewerbung geduldet und setbst ermuntert, so hatte
sie dpch eine viel zu hohe Weinung »vn sich, als
daß sie sich fo anf den erften Angriff crobern und
btnden lassey solltc. „Du bist. deincr Sach' schvn
gayz gewiß, du cinbilderischer Bnb!" erwidertc sie
spitzig. „Gib acht, daß du nicht dic Rechnung »hnc
den Wirth «achst!" — „Warum wtllst du dich zie-
ren ?" fragte Toni hastig c»tgcgen. „Hast dn nicht
meinen Strauß angenommcn und hast thn noch am
Mieder stcckcn? Hast du mir ntcht den ersten Tanz
aufgehoben und am meisten mit mir geredt und
getanzt? Was gtanbst du dxnn, daß dic Leute nach
all dem von uns denken?" — „D.ie Leut' können
denken und reden, «as fic wolleu. Woher «eißt
du dcn», daß tch »icht dich und sie zum Rarren
gehabt habe?"

Toni's Geficht wurdc dunkctroth; er sprang einen
Schrttt zurnck n.nd hob den wuchtigen Arm mit
einer nicht mißzuverstehcnden Geberde empor. Jm
Augenblick aber besann er fich «kder, trat niiher

und sagte mit dem mildcsten Tone, den er seiner
Stimme abnöthigen konnte: „Du bist wild und
unbändig, wi« etn jährigcs Füllen; abcr ich nehm's
hin vpn dir, bamit bu siehst, daß memc Aicb' zu
dir kräfttg ist. -^etzt aber tratz' mich nicht langer;
mach' ein End' und gestch' mir auch, was du mir
doch schon »errathcn hast." Damit schlang er den
Arm um ihre Hüftc, zog sie sanst an sich uud »er-
suchtc.fix zu knffen, als wcnn er ihr dadurch d«S
schwere Bekenntmß crlcichtcrn wollte.

Cilli widerfrrebie, aber nur schwach, denn fie woüte
dcn Burschen doch nicht ganz oon sich stoßen und
sann darauf, wie sie ohne einc bestimmte Aniwort
mögiichst glimpflich davonkommcn könne. Da fiel
ihr Blick zufalltg seitwärts auf di« Lreppe und blreb
in dcm Angesicht nnd dcn brcnmnden Augen des
Buckligcn haftcn. Er «ar die Stiegc heraufge-
kommen, hielt, als er das Paar erbltckte, einen
Augenblick inne und wolltc so eben geräuschlos und
ohne Störung zurückgehen. LM zitterte vor Anf-
regung — so war der verwünschte Bnckligc überall!
Mit einer raschen Anstrengung und einem Wioer-
willen, dcr weit «enigcr bcm fie umfaffenden Toni
aks dem Störer galt, ftteß ft« Erftern s» unsanst
 
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