M 233
Sonntag, 27. Oktober
18«1
Deutschland
Mannheim, 24. Okt. Prinz Wilhelm
tst nach Beendtgung seincs htesigen Besuches
gestern Abend nach Karlsruhc zurückgekehrt.
Der dentschgestnnte Prinz erfreut fich der
allgemkinsten Sympathien des ganzen Landcs
und darüber hinaus, was sich geradc wieder
in so vielfacher Wcise währcnd seines Hicr-
seins aufs aufrichtigste bekundete.
Freiburg, 23. Oklbr. Bon Seitcn der
Universität wurde heutc für die erste Kammer
der frühere Abgeordnete, Hr. Hofrath Schmidt,
gcwählt.
Bom Rhein, 23. Okt. .Bon eintgen
Ständemitgltevcrn verschiedener deutscher Kam-
mern ist ber Wunsch ausqesprochen worden,
es mvchken alsbald nach den Wohlen tn Preußcn
die hervorragendsten Volksvertreler vvn Zeit
zn Zeit flch irgendwo zusaininensinden, um
über glcichc Behandlung oder Anregung all-
gemeiner deutscher Fragen sich zu besprechen
und schon jetzt einen Zusammenhang zwischen
den etnzelnen Kammern herzustellen. Wie wir
hören, wird sofort »ach den preußischen Wah-
len mit einer kleinc» vorbereitenden Versamm-
lung der Anfang gemacht werdeit, um darauf
die weitern Einleitungen zu besprechen.
(Pf. K.)
Frankfurt, 24. Oct. Wie die „Zeit"
meldet, habe sich der Senat in der Gewcrbe-
frage zu Gunsten ver Gewerbefreiheit entschie-
den und werde ber betreffende Beschluß iu
aller Kürze zur Beröffentlichung gelangen.
Frankfurt, 25. Okt. Der Senat hat in
seiner heutigen Sitzung die Äbhaltunq des all-
gemeinen deutschen Schützenfestes in Frankfurt
im Jahre 1862 genchuiigt.
Dcr „Sieclc" äußert sich wie solgt über
die deutsche Flotte: Die dcnische Flotte bcsteht
selbst noch nicht einmal auf dem Papier und
schon macht Hannover Preußen dic Ehre
streitig, sie zu errichten; was wird das erst
gcben, wenn es sich darum handeln wird, wer
sie führen soll?
Augsburg, 22. Okt. Der Magistrat hat
nach 3tägiger Verhandlnng dpti Antrag der
Magistratsräthe Butz und Hertel auf Entser-
uung der barmherzigen Schwestern aus dem
Couimunal - Krankenhaus verwvrfcn; bei 18
Votanten waren 9 Stimmcn für deu Autrag,
9 Stimmen dagegen; ber Slichentscheib des
Vorsitzenden, Bürgermeisters von Forndran,
gab den Ausschlag.
München, 24. Okt. Ministerialrath
Wcber ist gestern nach Karlsruhe abgereist
und wird sich von da nach Mannheim bege-
ben, um dort mit einem badischer Seits er-
nanntea Kvmmiffär die Verhandlungen über
dic Heidelbcrg-Würzburger Eisen-
bahn und über die Erbauung einer festste-
henden Eisenbahnbrücke zwischcn Ludwigsha-
fen und Mannheim zum Abschluß zu bringen.
(N. Münch. Z.)
Berlin, im Oct. Der traurige Präcedenz-
fall mit dem Twestcn'schen Duell trägt be-
reits seinc Früchtc. Wenn selbst Richter das
Duell durch ihre That wie durch ihr Ver-
dikt entschnldigen, so darf man sich nicht
wundern, wenn die junge Lieutenantsschaar,
in Ermangelung anderer Beschäftigung, mit
dcm Säbel dic Censur von Preßerzeugniffen
besorgt. Bcrliner Blätter melden folgenden
Vorfall: Ein talentvoller junger Novellist,
Herr Mützelburg, gibt einen Rvman, „Der
Engcl des Fricden und das Schwert Dcutsch-
lanvs" hcraus, welcher die Zeit Friedrichs
des Großen behanbelt. Ein Herr v. L. fin-
det, daß ein Fräulein Marie v. L. in diesem
Roman nicht respectirlich genug geschildert
ist. Er stellt archäologische Stubien an, fin<
det, daß Fräulein Maria v. T. nie eristirt,
also auch ein Fräulein v. X. zur Zeit Fried-
richs des Großen keine Liebeshändel irgcnd-
welchcr Art gehabt habe. Mit bieser Ent-
deckung in der Hand, wendete er sich an den
Autor Herrn Mützelburg, und verlangt von
ihm Wiberruf, Ehrenerklärung und wer weiß
was alles bis zum 30. September. Was am
30. September geschehen, wiffen wir nicht;
hoffcutlich wird Herr Mützelburg dem archäo-
logischen Lieutenant es überlaffen haben, seine
Entbcckungen durch die Preffe zu v e r-
öffentlichen, und nicht, wie der wegen
seiner schwcrcn Wunde so tief beklagenswerlhe
Herr von Twesten, den Säbel und das Blci
zum Schiedsrichter über literarische Produk-
tionen machen.
Die Berliner Blätter schwelgen in Ueber-
schwänglichkeitcn aus Veranlaffüng des könig-
lichcn EinzugS in bas reich geschmückte, von
Menschen wogende, des Abends glänzend er-
leuchtete Berlin. Es war einc Fortsetzung
der Königsberger Borkoinmniffe, und insbe-
sondere fehltc auch hier das Gottes-Gnaden-
thum nicht. Zur Bezeichnung diene die Ant-
wort, wclche der Künig dem Bürgermeister
bcr Hauptstadt auf deffen Ansprache ertheilte:
„Jch sage Jhnen Meinen innigsten, wärmsten
nnb herzlichsten Dank für ben Empfang, ven
Sie Mir bei dcm Einzuge in Meine Vater-
stadt hereitet. Zch komme so eben von der
anderen Residenz mit Gefühlen, welche Zch
nicht schildern kann. Jch war dort mit Meiuen
verewigten Eltern unter ganz andcren und
sehr trüben Verhältuiffen, und jetzt habe Zch
eine Feier dort begangen, die biSher nur cin-
mal stattgefunden hat. So liegen Schmerz
und Freude nahe beisammen und dieS gibt dcn
Wink, stets nach oben zu schauen und Gott
zu danken für die Gnabe, die er Mir so sicht-
lich gewährt hat. Darum habe Jch die Krone
von Gott empfangen, ste von Gottes Tisch
genommen und auf Mein Haupt gesctzt, auf
daß Zch sie in Dcmuth trage, weil er sie Mir
verliehcn. Mögen die Gefühle dauernd blei-
ben, die Sie Mir so eben ausgcsprochen. Zn
Mir werden Sie stets den Vater des Volkes
finben." — Ueber die nahe bevorstehenden
Wahleu äußerl sich nur allzuwahr die „Nie-
derrheinische Volkszeitung": „Die Ereigniffe
der jüngsten Tagc bilden eine Aufsordernng
an die Wähler, charakterfeste und cntschieben
freifinnige Abgeordnete nach Berlin zu schickcu,
welche nur von denen mißvcrstgnden wcrben
kann, welche stets nur verstehen wollca, was
in ihren Kram paßt. Es kann kaum noch
ein Zweifel darüber sein, daß stch der vielgc-
rühmte Liberalismus der „neuen Aera" in
einer sehr bebeuklichen Krise befinvet. Es ist
klar gcnug, daß bas freisinnigc System uur
noch geduldet ist. Die großen Angelegenheiten
sind es, welche in ber nachsten Session von
dem Abgevrdnetenhaus behandelt werven müs-
sen: 1) die Beschaffung der Geldmittel für
die überschnell wachsenden Staatsausgaben;
2) die Beseitigilng dcr Reactionsgesetzgebung
over vielmehr die Vorfrage: ob das Herren-
haus in seiner bisherigen Verfaffung fortbc-
stchen soll; 3) dic Aufklärung dcr Stellung
Preußens zu den deutschen Einheitsbestrebun-
gcn. Was die finanzielle Frage betrifft, so
ist es ganz uiimüglich, daß dieselbe von einer
prononcirt ministerieUen Majorität des Abgc-
ordnetenhauses der Lage des Lanbes entspre-
chend gelöst werden köune. Daß der 25 pCt.
Steuerzuschlag nicht bloß verewigt werde,
sondern nicht einmal zureichen wird, um die
sog. Mehrbcdürfniffe zu decken, darüber wer-
den wir in einigen Monaten das Nähere hören.
Es werden also neue Anleihen gcmacht wer-
den müffen, wenn das Abgeordnetenhaus den
ministeriellen Forderungen nachgibt. Neue Au-
leihen und Steuererhohungen und trotzdem nicht
Geld gcnug, um bie ciatsmäßig bestimmte Zahl
von Lehrern wirklich anzustellen! ' Als durch
den italienischen Krieg ein Kampf um die
Rheingrenze wahrscheinlich geworden war,
Die Krönllngsfeierlichkeit in Konigsberg.
(Schluß.)
Es war wüstes Lebcn in dieser Nacht; denn mit-
ten in das sreudige Gewühl hinein erschallte daS
gellende Zeichen dcS Fcuer-Rufcs, die Feucrwehr
raffelte durch dtc Straßcn und gcbot den Hof-Equi-
pagcn oft ein unfrciwilliges Halt; die halbc Stadt
«ar auf dcn Beinen, und an dcn mondbeglänztcn
Himmel schlug die hell aufloderndeFlammc, — ein
furchtbarer Contrast zu dem froh bcwcgten Leben
der lctzten Stunden, dessen Rcste noch in die Ent-
stehungszctt des Feuers hineinreichtcn. Zwölf odcr
vterzehn Speicher find auf dem Lager im Roßgar-
ten niedcrgebrannt; auf den Trümmcrn ihrcr Habe
fitzen, verzweisclnd darcin schauend, die von dcm
Unglückc betroffenen armcn Leute, «clchc in der
Nähe dcr abgebrannten Speicher wohnten, und mit
WindcSeile fahren die Earossen der Festtheilnehmer
daran vorübcr. —
. Jnzwischen hat sich dcr Fahnenschmuck der Stadt
vermehrt; auf den Häusern, in welchen die Ge-
sandtcn wohncn, erblickt man dcren Fahnen, und
ganz in meiner NLHe ist — die Tricolore des Kö-
nigreichcs Atalien entfaltet, ein Gegenstand allge-
meinster Aufmerksamkeit. — Dcr hcutige Morgen
hat wohl den Rest der VolkSvertrcter hergeführt,
dercn hcr'vorragcndste Mitglicder schon seit gestern
anwesend sind. Der Abgcordnete der Stadt KönigS-
berg, Prof. Dr. Schubert, bcgrüßte gestern tn
ciner Versammlung tm Junkcrhofc setne zahlreich
und von allen Kractionen erschienencn Collcgen und
schlug vor, dnrch Acclamation einen Sprechcr vor
dem Könige bci dcrKrönung zu erncnnen; die ein-
stimmige Wahl fiel auf den Präfidenten Simson,
wclcher dtcselbc annahm.
Seit 9 Uhr ist der Bahnhof wicder von dichten
Maffen umdrängt, welche der Ankunft der Truppcn-
Deputationen cntgegenharren. Dtese erfolgte um
10 >/» Uhr. Es war ein interessantcr Anblick, diesc
so buntgemischtc Soldatenmenge. Auf dem Perron
war eine deffen ganze anschnliche LLnge einnehmende
Tafel aufgestellt, auf wclcher sich für jcden Mann
eine Taffe Kaffec bcsand, währcnd zum Ambiß kalte
Küche in Unmaffe aufgetragen wurde. Nachdem
dersclbe cingenommcn u»d daS Gepäck besorgt war
— beiläufig gesagt cine wahrhaft herculische Auf-
gabe, — xrdneten sich die einzelne» Abtheilungen,
die Fahncn voraus, um unter klingendem Spiele
letztere in das Schloß zu tragcn, «o fie tn dcm
Empfangs-Salvn aufgestellt wurden. Der König
und dic Prinzen empfingen den Fahncnzug vor dem
Schloffc, Se. Majcftät ging die Front herauf nnd
hinunter, bevor dic Abtragung dcr Fahnen crfolgt«.
Eine dichtc Menschenmenge empfing ren Zug auf
dem Schloßplatzc, wo man bereits der Auffahrt der
Gcsandten entgcgenharrte, welche gegen 1 Uhr cr-
folgte. Noch etnmal wurden dic Tribünen in der
NLHe des Schloffes benutzt, ein zahlreiches Publt-
kum hatte nicht ohne Kampf für schweres Geld
Plätze erftanden. Um 12 Vr Uhr erschienen dte
ersten Wagen. Die überaus glänzenden Equtpagen
und Gcschirre, dic prachtvollcn Livreen der Bedte-
nung im buritcsten Wechscl machte» cinen imposan-
ten Eindruck. DaS Haupt-Jntereffe gewährte der
Marschall Mac Mahon. Die Reihc eröffneten die
Krönungs-Botschafter: Hcrzog von Offun», der,
Graf della Rocca, Lord Clarendon und der Her-
zog von Magenta. Es folgten die ständigen Ge-
sandten, und zwar: Marquis dc VaSconcelloS (Por-
tugal), von Baumbach (Kurheffen), Graf Beust
(Sachsen-Weimar), v. Quaadn (Dänemark), von
Sonntag, 27. Oktober
18«1
Deutschland
Mannheim, 24. Okt. Prinz Wilhelm
tst nach Beendtgung seincs htesigen Besuches
gestern Abend nach Karlsruhc zurückgekehrt.
Der dentschgestnnte Prinz erfreut fich der
allgemkinsten Sympathien des ganzen Landcs
und darüber hinaus, was sich geradc wieder
in so vielfacher Wcise währcnd seines Hicr-
seins aufs aufrichtigste bekundete.
Freiburg, 23. Oklbr. Bon Seitcn der
Universität wurde heutc für die erste Kammer
der frühere Abgeordnete, Hr. Hofrath Schmidt,
gcwählt.
Bom Rhein, 23. Okt. .Bon eintgen
Ständemitgltevcrn verschiedener deutscher Kam-
mern ist ber Wunsch ausqesprochen worden,
es mvchken alsbald nach den Wohlen tn Preußcn
die hervorragendsten Volksvertreler vvn Zeit
zn Zeit flch irgendwo zusaininensinden, um
über glcichc Behandlung oder Anregung all-
gemeiner deutscher Fragen sich zu besprechen
und schon jetzt einen Zusammenhang zwischen
den etnzelnen Kammern herzustellen. Wie wir
hören, wird sofort »ach den preußischen Wah-
len mit einer kleinc» vorbereitenden Versamm-
lung der Anfang gemacht werdeit, um darauf
die weitern Einleitungen zu besprechen.
(Pf. K.)
Frankfurt, 24. Oct. Wie die „Zeit"
meldet, habe sich der Senat in der Gewcrbe-
frage zu Gunsten ver Gewerbefreiheit entschie-
den und werde ber betreffende Beschluß iu
aller Kürze zur Beröffentlichung gelangen.
Frankfurt, 25. Okt. Der Senat hat in
seiner heutigen Sitzung die Äbhaltunq des all-
gemeinen deutschen Schützenfestes in Frankfurt
im Jahre 1862 genchuiigt.
Dcr „Sieclc" äußert sich wie solgt über
die deutsche Flotte: Die dcnische Flotte bcsteht
selbst noch nicht einmal auf dem Papier und
schon macht Hannover Preußen dic Ehre
streitig, sie zu errichten; was wird das erst
gcben, wenn es sich darum handeln wird, wer
sie führen soll?
Augsburg, 22. Okt. Der Magistrat hat
nach 3tägiger Verhandlnng dpti Antrag der
Magistratsräthe Butz und Hertel auf Entser-
uung der barmherzigen Schwestern aus dem
Couimunal - Krankenhaus verwvrfcn; bei 18
Votanten waren 9 Stimmcn für deu Autrag,
9 Stimmen dagegen; ber Slichentscheib des
Vorsitzenden, Bürgermeisters von Forndran,
gab den Ausschlag.
München, 24. Okt. Ministerialrath
Wcber ist gestern nach Karlsruhe abgereist
und wird sich von da nach Mannheim bege-
ben, um dort mit einem badischer Seits er-
nanntea Kvmmiffär die Verhandlungen über
dic Heidelbcrg-Würzburger Eisen-
bahn und über die Erbauung einer festste-
henden Eisenbahnbrücke zwischcn Ludwigsha-
fen und Mannheim zum Abschluß zu bringen.
(N. Münch. Z.)
Berlin, im Oct. Der traurige Präcedenz-
fall mit dem Twestcn'schen Duell trägt be-
reits seinc Früchtc. Wenn selbst Richter das
Duell durch ihre That wie durch ihr Ver-
dikt entschnldigen, so darf man sich nicht
wundern, wenn die junge Lieutenantsschaar,
in Ermangelung anderer Beschäftigung, mit
dcm Säbel dic Censur von Preßerzeugniffen
besorgt. Bcrliner Blätter melden folgenden
Vorfall: Ein talentvoller junger Novellist,
Herr Mützelburg, gibt einen Rvman, „Der
Engcl des Fricden und das Schwert Dcutsch-
lanvs" hcraus, welcher die Zeit Friedrichs
des Großen behanbelt. Ein Herr v. L. fin-
det, daß ein Fräulein Marie v. L. in diesem
Roman nicht respectirlich genug geschildert
ist. Er stellt archäologische Stubien an, fin<
det, daß Fräulein Maria v. T. nie eristirt,
also auch ein Fräulein v. X. zur Zeit Fried-
richs des Großen keine Liebeshändel irgcnd-
welchcr Art gehabt habe. Mit bieser Ent-
deckung in der Hand, wendete er sich an den
Autor Herrn Mützelburg, und verlangt von
ihm Wiberruf, Ehrenerklärung und wer weiß
was alles bis zum 30. September. Was am
30. September geschehen, wiffen wir nicht;
hoffcutlich wird Herr Mützelburg dem archäo-
logischen Lieutenant es überlaffen haben, seine
Entbcckungen durch die Preffe zu v e r-
öffentlichen, und nicht, wie der wegen
seiner schwcrcn Wunde so tief beklagenswerlhe
Herr von Twesten, den Säbel und das Blci
zum Schiedsrichter über literarische Produk-
tionen machen.
Die Berliner Blätter schwelgen in Ueber-
schwänglichkeitcn aus Veranlaffüng des könig-
lichcn EinzugS in bas reich geschmückte, von
Menschen wogende, des Abends glänzend er-
leuchtete Berlin. Es war einc Fortsetzung
der Königsberger Borkoinmniffe, und insbe-
sondere fehltc auch hier das Gottes-Gnaden-
thum nicht. Zur Bezeichnung diene die Ant-
wort, wclche der Künig dem Bürgermeister
bcr Hauptstadt auf deffen Ansprache ertheilte:
„Jch sage Jhnen Meinen innigsten, wärmsten
nnb herzlichsten Dank für ben Empfang, ven
Sie Mir bei dcm Einzuge in Meine Vater-
stadt hereitet. Zch komme so eben von der
anderen Residenz mit Gefühlen, welche Zch
nicht schildern kann. Jch war dort mit Meiuen
verewigten Eltern unter ganz andcren und
sehr trüben Verhältuiffen, und jetzt habe Zch
eine Feier dort begangen, die biSher nur cin-
mal stattgefunden hat. So liegen Schmerz
und Freude nahe beisammen und dieS gibt dcn
Wink, stets nach oben zu schauen und Gott
zu danken für die Gnabe, die er Mir so sicht-
lich gewährt hat. Darum habe Jch die Krone
von Gott empfangen, ste von Gottes Tisch
genommen und auf Mein Haupt gesctzt, auf
daß Zch sie in Dcmuth trage, weil er sie Mir
verliehcn. Mögen die Gefühle dauernd blei-
ben, die Sie Mir so eben ausgcsprochen. Zn
Mir werden Sie stets den Vater des Volkes
finben." — Ueber die nahe bevorstehenden
Wahleu äußerl sich nur allzuwahr die „Nie-
derrheinische Volkszeitung": „Die Ereigniffe
der jüngsten Tagc bilden eine Aufsordernng
an die Wähler, charakterfeste und cntschieben
freifinnige Abgeordnete nach Berlin zu schickcu,
welche nur von denen mißvcrstgnden wcrben
kann, welche stets nur verstehen wollca, was
in ihren Kram paßt. Es kann kaum noch
ein Zweifel darüber sein, daß stch der vielgc-
rühmte Liberalismus der „neuen Aera" in
einer sehr bebeuklichen Krise befinvet. Es ist
klar gcnug, daß bas freisinnigc System uur
noch geduldet ist. Die großen Angelegenheiten
sind es, welche in ber nachsten Session von
dem Abgevrdnetenhaus behandelt werven müs-
sen: 1) die Beschaffung der Geldmittel für
die überschnell wachsenden Staatsausgaben;
2) die Beseitigilng dcr Reactionsgesetzgebung
over vielmehr die Vorfrage: ob das Herren-
haus in seiner bisherigen Verfaffung fortbc-
stchen soll; 3) dic Aufklärung dcr Stellung
Preußens zu den deutschen Einheitsbestrebun-
gcn. Was die finanzielle Frage betrifft, so
ist es ganz uiimüglich, daß dieselbe von einer
prononcirt ministerieUen Majorität des Abgc-
ordnetenhauses der Lage des Lanbes entspre-
chend gelöst werden köune. Daß der 25 pCt.
Steuerzuschlag nicht bloß verewigt werde,
sondern nicht einmal zureichen wird, um die
sog. Mehrbcdürfniffe zu decken, darüber wer-
den wir in einigen Monaten das Nähere hören.
Es werden also neue Anleihen gcmacht wer-
den müffen, wenn das Abgeordnetenhaus den
ministeriellen Forderungen nachgibt. Neue Au-
leihen und Steuererhohungen und trotzdem nicht
Geld gcnug, um bie ciatsmäßig bestimmte Zahl
von Lehrern wirklich anzustellen! ' Als durch
den italienischen Krieg ein Kampf um die
Rheingrenze wahrscheinlich geworden war,
Die Krönllngsfeierlichkeit in Konigsberg.
(Schluß.)
Es war wüstes Lebcn in dieser Nacht; denn mit-
ten in das sreudige Gewühl hinein erschallte daS
gellende Zeichen dcS Fcuer-Rufcs, die Feucrwehr
raffelte durch dtc Straßcn und gcbot den Hof-Equi-
pagcn oft ein unfrciwilliges Halt; die halbc Stadt
«ar auf dcn Beinen, und an dcn mondbeglänztcn
Himmel schlug die hell aufloderndeFlammc, — ein
furchtbarer Contrast zu dem froh bcwcgten Leben
der lctzten Stunden, dessen Rcste noch in die Ent-
stehungszctt des Feuers hineinreichtcn. Zwölf odcr
vterzehn Speicher find auf dem Lager im Roßgar-
ten niedcrgebrannt; auf den Trümmcrn ihrcr Habe
fitzen, verzweisclnd darcin schauend, die von dcm
Unglückc betroffenen armcn Leute, «clchc in der
Nähe dcr abgebrannten Speicher wohnten, und mit
WindcSeile fahren die Earossen der Festtheilnehmer
daran vorübcr. —
. Jnzwischen hat sich dcr Fahnenschmuck der Stadt
vermehrt; auf den Häusern, in welchen die Ge-
sandtcn wohncn, erblickt man dcren Fahnen, und
ganz in meiner NLHe ist — die Tricolore des Kö-
nigreichcs Atalien entfaltet, ein Gegenstand allge-
meinster Aufmerksamkeit. — Dcr hcutige Morgen
hat wohl den Rest der VolkSvertrcter hergeführt,
dercn hcr'vorragcndste Mitglicder schon seit gestern
anwesend sind. Der Abgcordnete der Stadt KönigS-
berg, Prof. Dr. Schubert, bcgrüßte gestern tn
ciner Versammlung tm Junkcrhofc setne zahlreich
und von allen Kractionen erschienencn Collcgen und
schlug vor, dnrch Acclamation einen Sprechcr vor
dem Könige bci dcrKrönung zu erncnnen; die ein-
stimmige Wahl fiel auf den Präfidenten Simson,
wclcher dtcselbc annahm.
Seit 9 Uhr ist der Bahnhof wicder von dichten
Maffen umdrängt, welche der Ankunft der Truppcn-
Deputationen cntgegenharren. Dtese erfolgte um
10 >/» Uhr. Es war ein interessantcr Anblick, diesc
so buntgemischtc Soldatenmenge. Auf dem Perron
war eine deffen ganze anschnliche LLnge einnehmende
Tafel aufgestellt, auf wclcher sich für jcden Mann
eine Taffe Kaffec bcsand, währcnd zum Ambiß kalte
Küche in Unmaffe aufgetragen wurde. Nachdem
dersclbe cingenommcn u»d daS Gepäck besorgt war
— beiläufig gesagt cine wahrhaft herculische Auf-
gabe, — xrdneten sich die einzelne» Abtheilungen,
die Fahncn voraus, um unter klingendem Spiele
letztere in das Schloß zu tragcn, «o fie tn dcm
Empfangs-Salvn aufgestellt wurden. Der König
und dic Prinzen empfingen den Fahncnzug vor dem
Schloffc, Se. Majcftät ging die Front herauf nnd
hinunter, bevor dic Abtragung dcr Fahnen crfolgt«.
Eine dichtc Menschenmenge empfing ren Zug auf
dem Schloßplatzc, wo man bereits der Auffahrt der
Gcsandten entgcgenharrte, welche gegen 1 Uhr cr-
folgte. Noch etnmal wurden dic Tribünen in der
NLHe des Schloffes benutzt, ein zahlreiches Publt-
kum hatte nicht ohne Kampf für schweres Geld
Plätze erftanden. Um 12 Vr Uhr erschienen dte
ersten Wagen. Die überaus glänzenden Equtpagen
und Gcschirre, dic prachtvollcn Livreen der Bedte-
nung im buritcsten Wechscl machte» cinen imposan-
ten Eindruck. DaS Haupt-Jntereffe gewährte der
Marschall Mac Mahon. Die Reihc eröffneten die
Krönungs-Botschafter: Hcrzog von Offun», der,
Graf della Rocca, Lord Clarendon und der Her-
zog von Magenta. Es folgten die ständigen Ge-
sandten, und zwar: Marquis dc VaSconcelloS (Por-
tugal), von Baumbach (Kurheffen), Graf Beust
(Sachsen-Weimar), v. Quaadn (Dänemark), von