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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2815#0244

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Deutschland

Karlsruhe, 3. Sept. Man glaubt fich
ber Hoffnung hi'ngebcn zu dürfen, daß der
Großhcrzog cs eruwglrche, den Tag scincs
Geburtsfcstcs hicr zuzubri'ngen, um' so mehr,
alS dersclbe di'c allgcmeine badi'schc Jndustri'e>
AliSstcllung nvch nicht bcsuchen konnte. —
Unkcr dcn i'nnrrstaatki'chen Rcsoimcn in'mmk
die Neugcstaltung dcr Volksschnle gegenwärtig:
ei'ncn dcr erstcn Plätze ci'n. Di'e Frage heißt
„Communal- nnd Consessionsschnlcn.?" Durch
ihren unmittclbaren Züsaninniihang mit den
großen Princi'pien des Verhältniffcs zwischen
Staat und Kirche ist die Schulfragc stark i'n
den Vordergrund gcstcllt und es machcn sich
die mächtigsten Einflüffe für und wider gel-
tend. Sie ist es auch, welche mit zu dcn
Haupthindcrungsgrüiiden eines endgültigeii Ab-
kommens zwrschen Staat und Curic.gerechnet
wird.

Karlsruhe, 3. Septbr. Hcute haben die
Wahlmänner - Wahlen in hiesiger Stadt be-
gonnen. Gewählt wurden im 1. Bczirk die
HH.: Malsch, Obcrbürgermeister; Dr. Lamep,
Geh.-Rath; von Neubronn, Stadtdirector;
Rödcr, Apolheker: Römhildt, Ad>, Kaufmann;
Busch, C., Advokat; Friß, Ferd., jun., Zim-
mermalcr und Dr. Stabel, Staatsminister.

Heidelberg, 28. August. Ein in New-
Orleans angcseffcner Badener, der einen bc-
deutenden Banmwollhandel betrcibt, war kürz-
lich hier anwcseud und äußerte sich über die
nächste Zukunft des amerikanischen Baumwvll-
marktes in einer Weisc, die viele jetzt anf-
tauchende Befürchtungcn wegcn Stillstandcs der
Bauinwollindustrie und Vertheuerung dcrSloffc
verscheuchen wird. Nach scinen Mittheiliingen
hat er wic andcre große Häuser in Ncw-
Orleans schr beträchtliche Verkäufc in Baum-
wolle zu Livcrpvol abgeschlvffeli und unbe-
kümmert um den Kricg zwischcii dcn nörd-
lichen und südlichen Staaten Nordainerika's
und der bcstehende» Sperrc der südlichcn Hä-
sen dic Licferungszcit auf November sestgesetzt.
Man gcht nämliK in England sowohl, als
i'n den amcrikanischcn Bailiuwolldistrictcn von
der Voraussctzung aus, daß die cnglische Zn-
dustrie die Baumwollc empfgugen muß, wenn
nicht die gefährlichsten Zustände hcrausbeschwo-
rcn werden sollcn, und daß dahcr die englische
Negicrnng Vorkehrungcn trcffcn wird, uiii sich
in den Bcsiß der Baumwolle untcr allen Um-
üändcn zu sctzen, Diese Ansicht besteht bcider-
scitö — zwischcn jiänser und Vcrkäuser — so
fest, baß di'e Vcrträge geradc so abgeschloffen

werden, als wenn kei'n Kricg und kcine Blo-
kade vorhanden wäre. (B. Ctrlbl.)

Z Heidelberg, 3. Sept. So cben gcht
uns die trauri'ge Nachrichk zu, daß Profcffor
Bchaghel, auf dem Rückwegc von einer Er-
holungsrcüc in die Heimath begriffen, im Kreise
seiner Famili'c in Freiburg gestern Abcnd um
10 Uhr an kl'nein Hcrzschlage verschieden sei'.
Jn i'hm verliert das Lpceum, dem er über 33
Jahre scinc ersprießliche Thätigkeit gcwidmet,
einen seiner pfll'chttreuestcii, gcwiffenhafteste»
Lchrer, unsere Stabt einen seiner edelsten Be-
wohner, den treuesten Pfleger der Wiffenschaft,
den uiicrmüdlichsten Freund und Förderer alles
Edlen uiib Gukcn.

Bom Main, 2. Sept. Gutem Verneh-
men nach hat die Bunvesmilitärcommission,
als sie die letzten Creditc sür die Bunbes-
festiingcn beantragte, die „begründete Aussicht"
eröffnct, daß mit denselben „das umfaffendc
Wcrk der vollstänbigcn Artillerieaus-
rüstung dcr Bundesfestungen, cin-
schließlich ber 250 Stück gezogcnen Geschütze,
bis zum Schluffe dicses Zahres vollendet sein
werde."

Kaffel, 2. Septbr. Es kann nicht sehr
Wunder nehmen, daß dic Betheili'gung der
Staaisdiencr am Festcffen zur Feier deS kur-
fürstlichcn Geburtstags in diesem Zahr noch
weik geri'ngcr war als sonst und baß, wer
von den Staatsviencrn nur irgend konnte,
scine ErholungSrcise heim Herannahen jenes
Tages antrat; diese Aenßerungen der Gleich-
gültigkeit ist man ganz gewohnt, neu aber
und erwähnenswerth ist, daß beim Fcstcffcn
zu Rotcnburg am 20. v. Mts., obwohl der
Lanorath anwesend war, gar kei» Toast aus-
gebracht wordcn ist.

Zwickau, 28. Aug. Den hicsigen Anwäl-
ten L>chubert und Haustein, welchc wcgen ih-
rcr Betheiligung an dcn Ereigniffen des Zah-
rcs 1849 von dcr Abvvcatenliste gestrichen
worden waren, lst durch Verordnung des Ge-
sammtministeriums die Advvcatur wicder ver-
liehen worden. Dcßglcichcn sind den Advo-
caten Hrubner und Skeinert hicr, welchen aus
glcicher Ursache die bürgcrlichcn Ehrenrechte
entzvgcn waren, dieselben durch Vcrordnung
der Kreisdirection wieder crthejlt worden.

Dresden, 31. Aug. Der gestern gcschlos-
senc zweite deutsche Zuristcntag hat eine Neihe
freisinniger Bcschlüffe gefaßt; für dic Anbah-
nung ciner aUgemcin deutschcn Volksvertretung
zu einheitlicher Rechtsgesctzgebuiig, für allgc-
meine Einsührung ver Schwurgerichte, für die
Nichtausschließung der schwurgerichtliche» Com-

petenz bei politischen und Preßverqehen, für
das unabhüngige Urtheil dcr Gerichte übcr
ihre eigene Zuständigkeit. Dicsc Bcschlüffc
sind um so durchschlagcnder, als ste in Gegcn-
wart zahlreicher hvher Staatsheamten aus
den reactionärsten deutschen Regierungskreisen
gefaßl wurdcn, und als der Zuristentag Staats-
recht, Kirchenrecht und Vdlkerrecht noch immer
ausdrücklich von scinen, Verhandlungen aus-
schließt. — Der dcutsche Zuristentag hat zu
Mitgli'edern seiner ständigen Deputation er-
wählt: Dr. Bergcr, Advocat aus Wien; Dr.
Bornemann, Gch. Rath und Präsident des
Obertribunals in Berlin; Faber, Obertribu-
nalrath ans Stuttgart; Dr. Glaser, Professor
aus Wieü; Hiersemenzcl,, Stadtrichter aus
Berlin; Dr. Jhcring, Geh. Zustizrath und
Prvfeffor aus Gießen; 'Dr. Keller, Obcrstaats-
anwalt aus Wien; Koblschütter, Rechtsanwalt
aus Dresden; Dr. Pseiffcr, Obergerichksan-
walt aus Bremen; Planck, Obergeri'chtsassks-
sor a. D. aus Göttingen; Dr. Schneider, Ap-
pellationsgerichtspräsivcnt aus Dresdcn; von
Stößer, Hofgerichksrath aus Bruchsal; Dr.
Schwarze, Generalstaatsanwalt aus Drcsden;
Volkmar, Zustizrath aus Bcrlin; Dr. v. Wäch-
tcr, Geh. Rath und Prvfeffor aus Leipzig;
Dr. Walveck, Obertribnnalrath aus Bcrlin;
Graf v. Wartenslebcn, Stadtgerichtsrath aus
Berlin; Wilke, Geh. Zustizrath aus Dresden.
— Hcute hat sich der Juristcntag für Abschaf-
fung der Competcnz-Gerichtshöfe mit großcr
Mehrheit ausgesprochen.

Berlin, 1. «ept. Wenn in einzclnen
Blättern und Correspondenzcn über deu jüngst
erfolgten Besuch des Königs vvn Schweden
bei dem Kaiser der Franzosen, nachdem man
kieses Ercigniß anfänglich mit bedenklicher
Mikne betrachtete, nachträglich wicder mit
ziemlicher Leichtigkeit hinwcggegangen wird,
sv entspricht diese letzterc Anschauung dcr
Ansicht, wclcher man in dcn Krciscn dcr Di-
plomatie über die Sache begcgnet, durchaus
nicht. Man hegt in diesen Kreisen aus dem
fraglichen Anlaffe ganz crnste Besorgnisse,
und man würde solche ganz gewiß nicht he-
gen, wcnn man nicht ebcn aücn Grund dazu
zn haben glaubte. Daß irgend ein dcfinitives
Abkommen zwischen Frankreich und Schwc-
den noch nicht vorhanden, das ist allerkings
richtig; Thatsache ist es dem gegenübcr aber
auch, baß zu einem solchen Abkommen oder
Bündniffe der Grunb bercits vollständig ge-
legt worden ist, und zwar bis zu dcm Grade,
daß der förmliche Abschluß deffen, worüber
man principiell bereits ganz cinig ist, eben

Unvrrhofft.

Von Hermann Schmid.

(Kortsetzung).

Der Bauer sctzte sich ihr gcgcnüber derb nieder.
„Was werd' ich haben?" ticf er. „Ein dummeS
Ding von ciner Tochter hab' ich, die mir Vcrdruß
macht und sich und mich ins Gered' bringt bei den
Leuten!" — Verwundert sah ihn Cilli an und fragte,
waS sie gethan? — „Frag' nicht so!" fuhr der Alte
in scincm Eifer fort. „Es ist freilich arg, daß ich
der Letzte bin, der'S erfahren hat t— äbcr die Leut
werdcn sich halt gcschämt haben, eS mir zu erzäh-
len! Wie kannst du fragcn und weißt doch, «aS
du auf der Marbacher Kirchwcih mit dem Richt-
hamm'er Franz für cine G'schicht'angefangcn hast!"
— Cilli crwidcrtc nichts; sic sctzte sich wiedcr und
sah schwcigend und verlegen vor sich hin. „So,
hängst du jctzt den Kopf?" polterte dcr Altc. „Wär'
gcscheutcr gewescn, du hättcst ihn damalS nicht gar
so hoch getragcn! Du bist dock sonst in allcn Sa-
chen die Siebengescheute und bcleidigst einen kreuz-
bravcn Menschen, der in allen Ehren kommt und

dir einc Ehr' anthun will! Wirfst ihm vor, daß
er buckclig tst und schickst ihn zu seines Gleichen,
zu dcr altcn Hcr, der Botcnlies? Wo hast du denn
deincn Verstand und das Biffel Christenthum ge-
habt, wenn dich doch dein gutes Herz nicht abge-
halten hat, einem unglücklichcn scinc Krüppclhaf-
tigkeit vorzuwcrfen? Du hast wohl gemeint, daß
er eigcnS cinc Bittschrift cingcgcbcn hat bei unserm
Hergott, er soll doch so gut scin und itzm einen
Buckcl schicken? Verdankst du's denn dir sclber, daß
du dctne gradcn Glicder hast?" — „Zankt nur,
Vatcr", erwidcrte Cilli demüthig. „Jhr habtganz
rccht und ich hab' mich inwcndig auch schon recht
ausgezankt — aber cs war mir dort gar so cigen
ums Herz, und ich weiß jetzt noch nicht, wie mir
die dummc Red' herauSgefahren ist."

Sic crzählte nun den Hergang offen und ehrlich;
der Alte hörte kopfschüttelnd zu. „Jch hab's ja
immer gesagt, daß du eine eitle, hoffärtige Docken
(Puppe) bist, bei der'ö am End' auch hcißen wird,
Hochmuth kommt vor dcm Fall! Es wär' dir auch
kcine Perl aus der Kron' gefallen, wcnn du den
ersten Tanz statt mit dem geschupften Toni, an dem
kein richttges Haar ist, mit dem Singcr-Franz gc-

macht HLttcst. Bci euch zwei hätte gewiß gar Nie-
mand was drüber auSgkhaht, und die Leut' hättcn
dich gesoht, statt daß .sic dich jetzt schänden in dcr
Still'." — „Bci unS zwei?" fragte Cilli hoch auf-
horchend und »erwundert. „Warum, Vater?" —
„Warum? Seid ihr nicht altc Bckannte? Sind
wir nicht. gar mit ihm befreund't, so weitschichtig
halt,und vom sicbenten Suppenschnittl her?" —
lleber Lilli'S Antlitz flog eine hcftige Erregung.
„Zch wciß nichts davon", ricf sie. „Wic wLre das?"

„So hast du's ganz vergcffcn?" fragte der Alte.
„HLtt's nicht geglaubt! Du warst doch ntcht mehr
gar so klein, «arst doch schon gut deine sieben oder
acht Zahre alt. Wcißt du nicht mehr, wie ich dich
nach dem Tode dcincr Mutter eine Zeitlang nach
Kranzberg hinaus gethan habe zn meiner alten
Base? War dcr Richthammcr nicht ihr nächster
Nachbar? Bist du nicht den ganzen Tag in seincm
^ Hof drüben gesteckt und hast mit den Kindcrn ge-
spielt, und du kennst den Franzl nicht mehr?"

Lilli hörte kaum, was der Vater sagte. Mit
dem Wortc: Kranzberg— war der Ncbel gcfallen,
der sich vor ihre Erinnerungcn gelagcrt hatte, und
sie sah ein Stück threr Zugend, eine blumenvolle
 
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