N 1SL
Freitag, 1«. Angust
L8«L.
Zur «ngarifchen Mage
Wicn, 10. Aug. Die lktztc schwachc Hoff-
nung, welche nvch bcstand, es könnte noch gc-
lingen, mit dem ungarlschen Landtage auf dcm
Boden der Reichsverfaffung zu einer Verständi-
gung zu gelangcn, ift vernichtet: das Oberhaus
hat heutc, wie das Untcrhaus dies vorgestern
gethan, die von Drak entworfcne Adreffe zur
Beantwortung dcs königlichen Rcscriptes ohnc
Debatte angenommen. Hicmit ist, um mit
Deak's Worten zu reden, der Faden der reichS-
täglichcn Unterhandlungen als «bgerisscn zu
bctrachten, und dahcr kann es wohl ;u nichts
mehr frvmmen, wcnn wir noch einmal, viel-
leicht zum hunderistcn Male, dic Polcmik wi-
der die magparische Theorie von der Perso-
nal-Union wieder aufzunehmen vcrsuchen woll-
ten. Fünf Mvnate dauert diese Polemik, an
welcher das ganze civilistrte Europa Antheil
nimmt, und dic Tausende von Nechtsgründcn
wie von politischen Argnmenten, welche widcr
die magyarische Sonderpolitik vorgekracht wor-
den sind, habcn wohl allerdings die öffentliche
Meinung Europas schr wahrnehmbar zu Gnn-
steiz.des constitutionellen Oesterreich umgestimmt,
aber in Ungaru selbst, wenigstens im Schooße
sciner Repräseutanz, ist damit nichts erzielt
worden. Jm Gegenthcil; ganz wie es dem
National-Character der Wagparen cntspricht,
welche jeder ihnc'n aus dein Kreise ihrer sie
umgcbenden Landsleute entgcgxnschallende El-
jenruf immer wciter fortreißt, hat die land-
tägliche Verhandlung zu Pesth dic dort ver-
sammelte Landesvertrctung nicht nur nicht zu
eincr gemäßigtercn und bcsonncnercn Haltung
bestimmt, sondern vielmehr emporgcschraubt,
und Deak, der Führer, wie man ihn nannke,
der gcmäßigten Partei, ist nachgeradc s° weit
gekommen, daß scine Adreßentwürfe bereits
der radicalen Partei genügen. Die jetzige
Adrcffe verhält stch in der That zur erstcn
wic Superlativ zum Comparativ, es ist ver
Fortschritt von der Bittc zur Forderung, von
dcr alleruntcrthänigsten Bvrstellnng zur Rechts-
verwahrung, und statt ciner Avreffe, wie sie
einc Vcrtretung an den constitutioncllen KLnig
zu richtcn pflegt, ist das Dcak'sche Libell bci
wkitein mehr ein Ultimatissimum.
Was nützen die gelehrtesten Uiitersuchungen,
die feinsten Auslcgungen, die scharfsinnigsten
Erörterungen, wenn man sich nicht auf den
Bodcn der Thatsachen stellt. Ungarn besaß
eine wohlverbriefte Verfaffung; niemand kann
es leugncn. Abcr ebcnsowenig wird jemand
crnsthaft in Abredc stellen, daß dicse Verfas-
sung vcrloren gegangen ist, verloren nicht
durch eincn autökratischen Mknrster, sondcrn
durch eine das ganzc Rcich erschütternde Be-
volution und einen Krieg, dcr sogar von jen-
seiks der Grcnzen der Monarchie eine Armee
in das Land brachte. Wahrlich, kcincm auf-
geklärtcn Patrioten kann das Herz frcudig be-
wegt gewesen sein, als dies geschah; aber es
geschah nnn cinmal, und die Folge davon war
cine Reaction, welche in ganz Europa Orgien
feierte. Mehr als ein Deccnnium verfloß so
unter der Alleinherrschaft des Absolutismus.
Land und Lcute mußten auf alles politische
Lebcn verzichten, und sie trugen ruhig dic
quqlendc Fcffcl, das Leid über der Sorge für
dic inateriellen Znteressen halb vergeffeild, Trost
für die erlittene Deinüthi'gung in der Hoff-
nung auf einc endliche Lösung des alle Gei-.
ster niederhaltcnden Bannes suchend. Dcr
Tag der Erlösung blicb aus, bis cndlich ein
großes Unglück über das Reich kam und für
dicjenigcn, welche in der Anwendung von Ge-
walt den Znbegriff aller Regierungskraft sehen
zu müffen mcinten, die Erkcnntniß der schwe-
rcn Sünden jener Politik brachtc, welche zrhn
Jahre lang dcn geistigen Fortschritt bcs Lan-
dcs und seiner Bürger gewaltsam und oft ge-
nug auch'gcwaltthätig aufzuhalten versucht
hatte. Die Catastrophe hattc die reinigende
Kraft eines Gcwitters, und das Oktober-Dk-
plom crschien als Ncgcnbogen am politischeU
Horizont Oestcrreichs.
Die Wiederverkündigung des constitutioncl-
len Prinzips — das war trotz aller Schwä-
chen und Gebrechcn bicses lcgislatorischen Ac-
teS die großc Errungenschast, und wie still
auch das Land dieselbe im Ganzen hingenom-
mcn habcn mag, gewiß empfand jeder scüier
gereistcn Bürger, welch ein ungeheurer Um-
schwung in dcr künftigen Ordnung des Ge-
meinwcscns rÄdurch angcbahnt war. Das
Gefühl der Sichcrheit im ncucn Besitz stieg,
als die Febrnar-Vcifaffung dem constitutionel-
len Gedanken dcs Oktober-Diploms bestimmte
Formen gab, und mit ihrer fortschrcilenden
Durchführung wuchs die Theilnahme, bis in
dcr Reichshaupistadt cndlich wieder eine Ver-
sammlung zusammentrat, welche ben Charac-
ter und das Rccht eines constitutionellen Kör-
pers besitzt. Doch diese Körperschaft^ vbwohl
seit drei Monaten versammett, und ihrer Mehrx
heik nach ungcduldig bes Moments harrend,
wo sie die großen Staatsfragen beantworten
kann, hat bis jetzt nicht vermocht, ihre con-
stiiutionklle Machlvoükommenhekt zu entfalten.
Nicht als vb die des Constitutionalismus «n-
Drr Aarrrn-Lwanzigrr.
Von I. Kemrs.
(Kortsetzung).
Dcr Bauer hattc untcrdcß ein Clavicr entdcckt
und fragte über dies Möbel nach. Frau Weilert
kannte die Wirkung der Musik, sie ricf ihre Tochter
Maltvina, welche durch Clavierspicl und Gesang
das harte Gcmüth des Verkäufers bcarbeiten sollte.
Dir Fragc dicser an ihm vorübcrgchenden, waS
cr denn wünsche? weckten Weyer, so hieß der lau-
schende Handwerksmann, aus seincn Gedanken:
„Für einen Zwanztger Bittern, Fräulein Malwina,
und dann möchtc ich auch gernc zuhörcn." Zu-
gleich schlug er dic Blühcnde mit dem Zollstock sanft
an die Wangen. „Gleich, Sie Schlimmer, das
können Sie, warum nicht?" Er trank seinen Bit-
tcrn mit Musikbeglcitung und zahltc mit den
Worten:
„Das wäre zwar kein rcchter Narren-Zwanziger;
es war uicht ganz unnöthig, abcr dics ist dennpch
dcr letzte Narren-Zwanzigcr, den ich auf lange Zeit
auszugcben gedenke." Fräulein Malwina verstand
dicse Worte deS traurig-crnst gewordenen Mannes
nicht, und ahnte noch viel «eniger, «as in seinem
gewohnte Regierung das junge Parlament zur
Unthätigkeit vcrurtheilte, sondern ein Theil
des Reiches selber will nicht gestatten, daß es
einen österreichischen Reichsrath gebe.
(SchluK folgt.)
D e u t s ch l a n
<? Vow Neckar, 12. Aug. Unsere über
die blutigen Gräuel in Neapel in diesem Blatte
vor Kurzem ausgesprochene Ansicht erhält cine
glänzendc Bestätigung burch ein in verschie-
dencn Zeitungcn veröffentlkchtes Schreiben des
Maffimo d'Äzeglio, einer des edelsten, geist-
reichsten und patriotischsten Ztaliener, welcher
seincrzeit zur geistigen und politischen Erhc-
bung seines Vaterlandcs durch Wort und That
schr viel beitrug und unter der jetzigen Re-
gierung deffelben auch schon höhere Etvil- und
Militärämter bckleidete. Derselbe spricht sich
über jenen lcidigen Punkl in einer cbenso
würdevollen als selbstständigen und unabhän-
gigen Weise aus, ferne von jedem cinseiligen
Parteistandpuncte: „Die Frage, Neapel zu
behalten oder nicht, muß vor Allem von den
Neapolitanern abhängen. Von einem all-
gemeinen Stimmrechte wciß ich Nichts; ich
weiß nur, daß man jenseits des Trontv 60
Bataillone nöthig hat, um die Regierung
zu crhalten, und es ist notorisch, daß dort
Räuber und Nichträuber einig sind,
nichts von diesem Stimmrechte zu wiffen.
Also es muß ein Fehler begangen worden
sein, und' wir müffen unsece Handlungen ober
unsere Grundsätze ändern und ein Mittel aus-
findig machen, um ein- für allemal von den
Neapolitanern zu erfahren, ob sie uns mögen
oder nicht. Dic Ztaliencr, welchk keine Frem-
dcn ins Land rufcn, sondern blos Ztaliener
bleiben, und sich nur unS nicht anschlie-
ßen wollen, haben,wir nicht d.gs Recht,
in Arquebüsaben zu versetzen, est M,iiißt)s
denn sein, daß wir ven' G'rundsaß
annehm'en, in deffeu'Namen König Franz
Palermo, Messina u.w. bombarvirt hat.
Zch wciß, daß man im Allgemeinen nicht so
denkt, ader da ich auf das Recht, vernünftig zu
denken, nichl verzichten w»U, so sage ich, was
ich denke."
Karlsruhe, 14. Aug. Morgen
oder üdermorgen wird der Hr. Präsident deS
Ministeriums deS Jnnern, geh. Rakh Dr.
Lamep, zum Gebrauch des Scebades nqch
Spll abreisen. — Man glauht, daß der Groß-
herzog morgcn hier eintreffen und die Ge-
werbeaussteüung in Person eröffnen wird.
Jnnern während ihreS Musicircns vorgegangcn
war, und alle ihre Freundlichkeit vermochtc ihn
nicht zum Dableiben zu vermögen.
Meyer eilte nach Hausc. Setne Frau und seine
zwei kleincn Töchter saßen bei ihrcr Arbeit, gar
schmalbäckig und blaß, das Zimmer selbcr war ay
sich unfreundlich; in den Osen war so wenig Holz
gekommen, daß man seine Wärme kaum spürtc;
dennoch mußte dcr obcrflächlichste Beobächter über
dte Rcinlichkeit und Nettigkeit des Zimmers und
alles deffcn, waS darin «ar, staunen.
„Das ist in der That etwas AußerordentlicheS,
MLdchen, heut' den lieben Vater so früh zu Hause
zu sehen", sagte Frau Susanna Meycr, und sah
dabei ihren Mann an, der an dcm Tische stand
und seine Augen bald auf das cinc, bald.auf das
andere der Kinder richtete. Dann setzte er sich an
dcn Ofen und sagte, indem er sich lächclnd daran
lchnte:
„Nun, Maria und Lina, sreut ihr euch nicht,
mich zu sehen? Können die geschäftigen Finger nicht
cin «enig ruhen, daß ihr a»f einen Augcnblick auf-
steht und euern Vater begrüßt?"
„O ja, dazu haben wir Zeit", sagte eineS der i
MLdchen, als Beide aufsprangcn, die Frage that-
sächlich zu beantwortcn. „Aber wir dürfen nicht
viel Zeit »erliercn, licber Vatcr, denn diese Hcm-
den find die letztcn von dcm Dutzcnd, das «ir für
Herrn Mertens am Kornmarkt gemacht haben."
„Und da wir morgen die kranke Muhme besuchen",
sctzte Marta, dtc thr HLndchen in die Hand des
Vaters gelegt hatte, ernst hinzu, „so arbeiten wir
heute so fleißig, wie «ir nur können, dcnn die
Mutter hat «ersprochen, sie Montag Nachmittag
abzuliefern."
„Entweder deine Augen sind heut' sehr schwach,
ltebe Frau", sagtc Meyer, „odcr du hast geweint.
Jch fürchte, du arbeitest zn viel bci Licht."
Susanna lqchelte und sagte, daß die Arbeit ihrcn
Augen nicht schade und als sie redete, «andte sie
sich um und winktc eincm klcinen Knabe» mit dem
Finger.
„Wie, Heinrich, was seh' ich da?" sagtc sein
Vater. „W»s machst du im Winkel! Komw' her,
da dir dic Wutter winkt; komm' sage mir, w»s
hast du gethan?"
„Laß nur gut sein, liebcr Mann, «ir «ollen von
dem Borgefallcnen nicht weiter reden,"
Freitag, 1«. Angust
L8«L.
Zur «ngarifchen Mage
Wicn, 10. Aug. Die lktztc schwachc Hoff-
nung, welche nvch bcstand, es könnte noch gc-
lingen, mit dem ungarlschen Landtage auf dcm
Boden der Reichsverfaffung zu einer Verständi-
gung zu gelangcn, ift vernichtet: das Oberhaus
hat heutc, wie das Untcrhaus dies vorgestern
gethan, die von Drak entworfcne Adreffe zur
Beantwortung dcs königlichen Rcscriptes ohnc
Debatte angenommen. Hicmit ist, um mit
Deak's Worten zu reden, der Faden der reichS-
täglichcn Unterhandlungen als «bgerisscn zu
bctrachten, und dahcr kann es wohl ;u nichts
mehr frvmmen, wcnn wir noch einmal, viel-
leicht zum hunderistcn Male, dic Polcmik wi-
der die magparische Theorie von der Perso-
nal-Union wieder aufzunehmen vcrsuchen woll-
ten. Fünf Mvnate dauert diese Polemik, an
welcher das ganze civilistrte Europa Antheil
nimmt, und dic Tausende von Nechtsgründcn
wie von politischen Argnmenten, welche widcr
die magyarische Sonderpolitik vorgekracht wor-
den sind, habcn wohl allerdings die öffentliche
Meinung Europas schr wahrnehmbar zu Gnn-
steiz.des constitutionellen Oesterreich umgestimmt,
aber in Ungaru selbst, wenigstens im Schooße
sciner Repräseutanz, ist damit nichts erzielt
worden. Jm Gegenthcil; ganz wie es dem
National-Character der Wagparen cntspricht,
welche jeder ihnc'n aus dein Kreise ihrer sie
umgcbenden Landsleute entgcgxnschallende El-
jenruf immer wciter fortreißt, hat die land-
tägliche Verhandlung zu Pesth dic dort ver-
sammelte Landesvertrctung nicht nur nicht zu
eincr gemäßigtercn und bcsonncnercn Haltung
bestimmt, sondern vielmehr emporgcschraubt,
und Deak, der Führer, wie man ihn nannke,
der gcmäßigten Partei, ist nachgeradc s° weit
gekommen, daß scine Adreßentwürfe bereits
der radicalen Partei genügen. Die jetzige
Adrcffe verhält stch in der That zur erstcn
wic Superlativ zum Comparativ, es ist ver
Fortschritt von der Bittc zur Forderung, von
dcr alleruntcrthänigsten Bvrstellnng zur Rechts-
verwahrung, und statt ciner Avreffe, wie sie
einc Vcrtretung an den constitutioncllen KLnig
zu richtcn pflegt, ist das Dcak'sche Libell bci
wkitein mehr ein Ultimatissimum.
Was nützen die gelehrtesten Uiitersuchungen,
die feinsten Auslcgungen, die scharfsinnigsten
Erörterungen, wenn man sich nicht auf den
Bodcn der Thatsachen stellt. Ungarn besaß
eine wohlverbriefte Verfaffung; niemand kann
es leugncn. Abcr ebcnsowenig wird jemand
crnsthaft in Abredc stellen, daß dicse Verfas-
sung vcrloren gegangen ist, verloren nicht
durch eincn autökratischen Mknrster, sondcrn
durch eine das ganzc Rcich erschütternde Be-
volution und einen Krieg, dcr sogar von jen-
seiks der Grcnzen der Monarchie eine Armee
in das Land brachte. Wahrlich, kcincm auf-
geklärtcn Patrioten kann das Herz frcudig be-
wegt gewesen sein, als dies geschah; aber es
geschah nnn cinmal, und die Folge davon war
cine Reaction, welche in ganz Europa Orgien
feierte. Mehr als ein Deccnnium verfloß so
unter der Alleinherrschaft des Absolutismus.
Land und Lcute mußten auf alles politische
Lebcn verzichten, und sie trugen ruhig dic
quqlendc Fcffcl, das Leid über der Sorge für
dic inateriellen Znteressen halb vergeffeild, Trost
für die erlittene Deinüthi'gung in der Hoff-
nung auf einc endliche Lösung des alle Gei-.
ster niederhaltcnden Bannes suchend. Dcr
Tag der Erlösung blicb aus, bis cndlich ein
großes Unglück über das Reich kam und für
dicjenigcn, welche in der Anwendung von Ge-
walt den Znbegriff aller Regierungskraft sehen
zu müffen mcinten, die Erkcnntniß der schwe-
rcn Sünden jener Politik brachtc, welche zrhn
Jahre lang dcn geistigen Fortschritt bcs Lan-
dcs und seiner Bürger gewaltsam und oft ge-
nug auch'gcwaltthätig aufzuhalten versucht
hatte. Die Catastrophe hattc die reinigende
Kraft eines Gcwitters, und das Oktober-Dk-
plom crschien als Ncgcnbogen am politischeU
Horizont Oestcrreichs.
Die Wiederverkündigung des constitutioncl-
len Prinzips — das war trotz aller Schwä-
chen und Gebrechcn bicses lcgislatorischen Ac-
teS die großc Errungenschast, und wie still
auch das Land dieselbe im Ganzen hingenom-
mcn habcn mag, gewiß empfand jeder scüier
gereistcn Bürger, welch ein ungeheurer Um-
schwung in dcr künftigen Ordnung des Ge-
meinwcscns rÄdurch angcbahnt war. Das
Gefühl der Sichcrheit im ncucn Besitz stieg,
als die Febrnar-Vcifaffung dem constitutionel-
len Gedanken dcs Oktober-Diploms bestimmte
Formen gab, und mit ihrer fortschrcilenden
Durchführung wuchs die Theilnahme, bis in
dcr Reichshaupistadt cndlich wieder eine Ver-
sammlung zusammentrat, welche ben Charac-
ter und das Rccht eines constitutionellen Kör-
pers besitzt. Doch diese Körperschaft^ vbwohl
seit drei Monaten versammett, und ihrer Mehrx
heik nach ungcduldig bes Moments harrend,
wo sie die großen Staatsfragen beantworten
kann, hat bis jetzt nicht vermocht, ihre con-
stiiutionklle Machlvoükommenhekt zu entfalten.
Nicht als vb die des Constitutionalismus «n-
Drr Aarrrn-Lwanzigrr.
Von I. Kemrs.
(Kortsetzung).
Dcr Bauer hattc untcrdcß ein Clavicr entdcckt
und fragte über dies Möbel nach. Frau Weilert
kannte die Wirkung der Musik, sie ricf ihre Tochter
Maltvina, welche durch Clavierspicl und Gesang
das harte Gcmüth des Verkäufers bcarbeiten sollte.
Dir Fragc dicser an ihm vorübcrgchenden, waS
cr denn wünsche? weckten Weyer, so hieß der lau-
schende Handwerksmann, aus seincn Gedanken:
„Für einen Zwanztger Bittern, Fräulein Malwina,
und dann möchtc ich auch gernc zuhörcn." Zu-
gleich schlug er dic Blühcnde mit dem Zollstock sanft
an die Wangen. „Gleich, Sie Schlimmer, das
können Sie, warum nicht?" Er trank seinen Bit-
tcrn mit Musikbeglcitung und zahltc mit den
Worten:
„Das wäre zwar kein rcchter Narren-Zwanziger;
es war uicht ganz unnöthig, abcr dics ist dennpch
dcr letzte Narren-Zwanzigcr, den ich auf lange Zeit
auszugcben gedenke." Fräulein Malwina verstand
dicse Worte deS traurig-crnst gewordenen Mannes
nicht, und ahnte noch viel «eniger, «as in seinem
gewohnte Regierung das junge Parlament zur
Unthätigkeit vcrurtheilte, sondern ein Theil
des Reiches selber will nicht gestatten, daß es
einen österreichischen Reichsrath gebe.
(SchluK folgt.)
D e u t s ch l a n
<? Vow Neckar, 12. Aug. Unsere über
die blutigen Gräuel in Neapel in diesem Blatte
vor Kurzem ausgesprochene Ansicht erhält cine
glänzendc Bestätigung burch ein in verschie-
dencn Zeitungcn veröffentlkchtes Schreiben des
Maffimo d'Äzeglio, einer des edelsten, geist-
reichsten und patriotischsten Ztaliener, welcher
seincrzeit zur geistigen und politischen Erhc-
bung seines Vaterlandcs durch Wort und That
schr viel beitrug und unter der jetzigen Re-
gierung deffelben auch schon höhere Etvil- und
Militärämter bckleidete. Derselbe spricht sich
über jenen lcidigen Punkl in einer cbenso
würdevollen als selbstständigen und unabhän-
gigen Weise aus, ferne von jedem cinseiligen
Parteistandpuncte: „Die Frage, Neapel zu
behalten oder nicht, muß vor Allem von den
Neapolitanern abhängen. Von einem all-
gemeinen Stimmrechte wciß ich Nichts; ich
weiß nur, daß man jenseits des Trontv 60
Bataillone nöthig hat, um die Regierung
zu crhalten, und es ist notorisch, daß dort
Räuber und Nichträuber einig sind,
nichts von diesem Stimmrechte zu wiffen.
Also es muß ein Fehler begangen worden
sein, und' wir müffen unsece Handlungen ober
unsere Grundsätze ändern und ein Mittel aus-
findig machen, um ein- für allemal von den
Neapolitanern zu erfahren, ob sie uns mögen
oder nicht. Dic Ztaliencr, welchk keine Frem-
dcn ins Land rufcn, sondern blos Ztaliener
bleiben, und sich nur unS nicht anschlie-
ßen wollen, haben,wir nicht d.gs Recht,
in Arquebüsaben zu versetzen, est M,iiißt)s
denn sein, daß wir ven' G'rundsaß
annehm'en, in deffeu'Namen König Franz
Palermo, Messina u.w. bombarvirt hat.
Zch wciß, daß man im Allgemeinen nicht so
denkt, ader da ich auf das Recht, vernünftig zu
denken, nichl verzichten w»U, so sage ich, was
ich denke."
Karlsruhe, 14. Aug. Morgen
oder üdermorgen wird der Hr. Präsident deS
Ministeriums deS Jnnern, geh. Rakh Dr.
Lamep, zum Gebrauch des Scebades nqch
Spll abreisen. — Man glauht, daß der Groß-
herzog morgcn hier eintreffen und die Ge-
werbeaussteüung in Person eröffnen wird.
Jnnern während ihreS Musicircns vorgegangcn
war, und alle ihre Freundlichkeit vermochtc ihn
nicht zum Dableiben zu vermögen.
Meyer eilte nach Hausc. Setne Frau und seine
zwei kleincn Töchter saßen bei ihrcr Arbeit, gar
schmalbäckig und blaß, das Zimmer selbcr war ay
sich unfreundlich; in den Osen war so wenig Holz
gekommen, daß man seine Wärme kaum spürtc;
dennoch mußte dcr obcrflächlichste Beobächter über
dte Rcinlichkeit und Nettigkeit des Zimmers und
alles deffcn, waS darin «ar, staunen.
„Das ist in der That etwas AußerordentlicheS,
MLdchen, heut' den lieben Vater so früh zu Hause
zu sehen", sagte Frau Susanna Meycr, und sah
dabei ihren Mann an, der an dcm Tische stand
und seine Augen bald auf das cinc, bald.auf das
andere der Kinder richtete. Dann setzte er sich an
dcn Ofen und sagte, indem er sich lächclnd daran
lchnte:
„Nun, Maria und Lina, sreut ihr euch nicht,
mich zu sehen? Können die geschäftigen Finger nicht
cin «enig ruhen, daß ihr a»f einen Augcnblick auf-
steht und euern Vater begrüßt?"
„O ja, dazu haben wir Zeit", sagte eineS der i
MLdchen, als Beide aufsprangcn, die Frage that-
sächlich zu beantwortcn. „Aber wir dürfen nicht
viel Zeit »erliercn, licber Vatcr, denn diese Hcm-
den find die letztcn von dcm Dutzcnd, das «ir für
Herrn Mertens am Kornmarkt gemacht haben."
„Und da wir morgen die kranke Muhme besuchen",
sctzte Marta, dtc thr HLndchen in die Hand des
Vaters gelegt hatte, ernst hinzu, „so arbeiten wir
heute so fleißig, wie «ir nur können, dcnn die
Mutter hat «ersprochen, sie Montag Nachmittag
abzuliefern."
„Entweder deine Augen sind heut' sehr schwach,
ltebe Frau", sagtc Meyer, „odcr du hast geweint.
Jch fürchte, du arbeitest zn viel bci Licht."
Susanna lqchelte und sagte, daß die Arbeit ihrcn
Augen nicht schade und als sie redete, «andte sie
sich um und winktc eincm klcinen Knabe» mit dem
Finger.
„Wie, Heinrich, was seh' ich da?" sagtc sein
Vater. „W»s machst du im Winkel! Komw' her,
da dir dic Wutter winkt; komm' sage mir, w»s
hast du gethan?"
„Laß nur gut sein, liebcr Mann, «ir «ollen von
dem Borgefallcnen nicht weiter reden,"