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Heidelberger Zeitung — 1861(Juli bis Dezember)

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September
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22Ä.

Srscheint. Montags ausgeaommen, täglich.
Preis viekteljäbrlich 55 kr. >

Dienstag, 24t. September


für die 3spaltige Detjt-
kr., bezw. 3kr. verechnet.

18«L

PP Ueber vie Nebenlander Unftarns.

Ucbcr kas Haupilond Ungarn haben wir
uns in dicsem Blattc zur Genüge ausge-
sprochcn. Jn Oestcrrcich stcht nun znr Zeit
nächst Ungarn dcffen Ncbcnland Sicben-
bürgen in vorderstcr Reihe dcr Tagessragen.
Diescs s?and mit cinem Flächcninhalte von
1102 Q.-M. und mit einer Bevölkcrung von
2,172,748 Seclen, reich an Naturprobucten
aüer Art, besonders Mineralieii, ist in Deuisch-
land in polikischer, wie naiuihistorischer Be-
ziehung noch allzuwenig b'ekannl. Wie Un-
garn ist es von mchreren Naiionaliiätcnr Un-
garn, Szeklern (bcide zu einem und demselben
Bolksstamme gehörig), Rumänen (Walachen)
und Deutschen (Sachsen) bewohnt. Der An-
theil an der Gesetzgebung kam biesen verschie-
dencii Bölkerschasien gleichmäßig zu. Zin
Lande dcr Ungarn, auf dem sog. Comitats-
bodcn stand sie nur dem Abcl zu, bei vcn
Sachsrn und Szeklcrn war die ganze Bölker-
schaft bieses Nechtes thcilhaftig. Zn neucrer
Zcit stnd auch die Rumäneii, ein schr zahl-
reicher Volksstamm, wenn auch von zweifcl-
hafter Bildungssähigkeit, zum nalionalen Bc-
wüßtscin erwacht, uub verlangen ihre nationale
und staalsbürgerliche Bcrcchliguug. .Die vrga-
nischc Cinfügung des romaiiischen Volksstamms
in den autonomen siebenbüigischeii Landcskörper,
mit Aufrechthaltung der anbcrn Völkerschafie»,
als der bishcrigcn Träger bcS stebenbürgischeu
Staatsrechts, ist kcr Haiiptgkgenstanb bcr ste-
benbürgischen Frage über bas Verhältniß zu
Ungarn. Jn Kürze tritl -dcr stebcubürgische
Landtag zusammen; das kaiserliche Rescript
wegcn seiner Zusawiiiciibcrufung ist bercilS
erschicncn *). Er-kann und muß förbernd ovcr
hemmcnd auf die coustitulioiicUc Entwicklung
Oestcrreichs einwirkcn. Dic roiiianischc Frage
wird wohl von der Rcgierung sclbst zum AuS-
gleiche gesührt wcrbeu (in ähnlicher Weise,
wie diese, hinstchtlich der Serbcn (Raitzcn)
und anberer Soudernationaliiäten im Banate
und sonst iu Sübungarn). Was bie Uuivn
SiebenbürgenS mit Ungarn betrifft, welche
zunächst dem siebeiibürgischen Laubtage zur
Entscheidung anheimgcstelli ist, so hängt es
von dem gesunden Sinne ber Bevölkerung ab,
ob stc einsteht, daß mit dcm Aufgeben vou
Oestcrreich und bcm Aufgehen in Ungarn
Siebenbürgen neuerbings ber Tummelplatz und
Zankapfcl roher Parteiwuih werbcu muß; vb

*) Ncncsten Nachrichien znfvlge ist hicrzn dsr 20. Olt.
bestimmt. -

das deutschc Element, welchee Grünver, Trä-
gcr und Bürge der CultUt in biesem Lanbe
ist, auch Kraft nnd Muth genug besitzt, dcm
deutschen Principe des einheitlichen Constitu-
tionalismus in der Monarchie beizutreten unv
treu zu bleibcn. Der gute Wille ist bei bem
deutschen Elemente und großentheilS auch bei
dcm rumänischen vorhanden, sich nur Gesammt-
österreich und nicht Ungarn unterzuorbnen. Die
frühere Vcrbindung Siebcnbürgens mit Uugarn
war überhaupt von je her ziemlich loserNaeur.

EtwaS cnger war zeitweise die Connerität
des sog. kreieinigen Königteichs Kroaticn, Sla-
vonien, Dalinaticn, sowohl im Verhältniffe zu
stch, als zu dem Hauptlande Ungarn, wenig-
stens in Bezug auf dic bcibcn crsteren
LäNdcr. Es beruht diese thcilweise auf sehr
alten Vcrträgen, worauf die Ungarn, wie
überall, wo das Intercffe ihres Lanbes mit
ins Spiel kommt, ein großes Gcwicht legcn,
während bem inan sonst cin solches Festhalten
an alten, vergilbtcn Pcrgamcnten in ber Rc-
gel nur von Seiten der Legitimiiät gewöhnt
ist. Jn dcn letztgenaitntcn Nebcnländern gibt
es nur Parteien für Gcsammtösterrcich, wie
speciell für Ungarn. Am schwächstcn ist die
lctztcre Parkci in Dalmatien vertrcten, unb
es will in bicscm Kronlande diejcnige größere
Partei, welche g^gen eine Einverleibung in
Ungarn ist, zugleich von einem anberweiten
Anschluffe a» Kroaticn unb Slavoniin nichts
wissen. (Es muß hierbei bcmerkt werden, baß
Dalmatien auch frühxr Iahrhundcrie lang von
Kroaticn, wie von Ungarn, völlig gelrennt
war, iiidcm es untcr drr Herrschafi ber frühe-
ren Rcpublik Vcnebig stanb.) Mcrkwürbig
war in dieser Beziehung bic unlängst im Wic-
ner Neichsrathc von dem balmatiiiischen Ab-
geordnetcn Lapcnna gehaltcnc Rede. Lcrsclbc
wies auf das schlagcndstc nach, baß Daima-
ticn mit Kroatien (wie niit Ungar») keine
Berührungs- unb Vcrbinbungspunkle hat.
„Daliuatien", sv sagte er uiltcr Anberem, „ist
ein Küstenland, welches an daS Meer, an
seine Schifffahrt, an seineii Hanbel gewicsen
ist; Krvatien aber ist ein Ackerbau treibeudes
Land. Der dalmaiische Lanbtag hat bereits
crklärt, mit Kroatieu sich nicht vereinigen zu
wollen, weil cr nicht seinc modcrne Geseß-
gebung mit einer audcrn vertauschen will, bie
mit scinen Sitten unb Gebeäuchen nicht in
Uebcreinstimmung zu bringcn ist; weil bie
Bewohner Dalmaticns stolz stnd auf die Civil-
und Strafgesetzgebung Oesterrcichs; weil ste
nicht gesonnen stnd, ihre gnt geregclten Ver-
waltiingszustäüde mit Kroaticns Comitats-

wirthschaft zü vertauschcn. Wir bedanken uns
für eine Freiheit, bic nicht erquickt und
belebt, dic ansschreitend ist unv nur zum
Verderben führt. Zudcm stnd die gesellschaft-
lichen Llemente der Bcvölkrrung ganz ver-
schicdcn von dcncn KroatienS und UngarnS.
Wir haben einen starken, beüiittelten, intelli«
gcntcn Bürgerstand; der Bauer war bei uns

schon vor dem Jahre 1848 frci. Wir

wollen uns cndlich nicht init Kroatien verei-
nigen, weil wir an cin einigcs, starkes
Oesterreich glauben, und auch unser
Schärflein dazu bcitragen wollen."
— Von großer Bebeutnng in dieser Redc ist
zugleich eine Anspielung auf die Lösuiig der
oricntalischen Frage, und dir Rolle> wclche
Oesterreich hicrbci zu übernehme» hat, nämlich:

„Die linke Scitc biescs Hauses wird »icht
zugeben, daß ein Land, welchcs immer ireu
zu Ocsterreich gestanben ist, welches fürOcster-
reich eine ber wesentlichsten Grunbbedingungen
einer Kricgs- und HandelSmarine ist «nd wrl-
ches die Brücke bildct zvr Erlangnng
des Erbtheiles des kränken Mannes^),
wenn ihn bic letzte Stuubc treffrn sollte, —
daß biescs klcine, aber nicht unwichtige Land
von dcm Complcre ber Köiiigreiche und Länocr,
die hier vcrircten stnb, ausgeschieden werden
soll."

Deutschland

Kartsruhe, 20. Sept. Vvn Seitcn
unsercr Regjerung ist den übrigen deutschcn
Rheinuferstaaten ein voüständiger Plan zur
zollamtlichen Abfertigung dcr Waffertransportr
am Gräiizzoüamt vorgelegt. Auch von prcu-
ßischcr Seite liegt cin berartiger Antrag vor.
Wir glauben für den badischen Anirag ben
Vorzug größercr Einfachhcit in Anspruch
nchmen zu dürfen, unv hoffen, daß die allfei-
tige Zustimmung ihm nicht fehlen werde.

Karlsruhe, 20. Scpt. Die Anmelbnn-
geu zum Besuch dcr polytcchnischen Schnle
mchren stch dem Vernehme» nach täglich in so
erheblichet Weise, baß bie heurige Zahl der
Studierenden jener des Vorjahres minbcstens
gleichkommen wird^ -

Karlsruhe, 21. Sept. Die jüngste Wahl-
männerwahl hat u. A. den Ober-Cercwouien»

*) Hiermit meint der Redner die Hinterländer Dalma-
tienS, BoSnten, dte Herztgowina und daS nördlichc Alba-
nien, die allerdings nicht nnr vermöge ihrer orttichrn Lage,
sondern auch in Bezug auf dte (katholtsche) Confession der
Meisten der dort lebenben Christen sich zu etncr Annerion
an Oesterreich eignen würden, wenn tn der Folge etnmal
der angeregte Ftrll eintreten sölltk.

Eine „grüne" Drutschr in Lt. Louis.

Don Ncw-OrleLiiö herauf kommt mitdcmDampf-
boot cin frisch cingewanbcrtes dcutsches Mädchcn, um
zu ihrcm Vater zu gelängen, ber bcrcits bci Belle-
villc eine Farm hat. Sic ist trotz ihrcS halb bäueri-
schen AnzugeS allerlicbst unb findct' während der
Fahrt zwei lebhaftc Bcwundcrer — der Eine cin
junger Deutschcr, dcr, wic so manche Zugvögel seincr
Art, im Winter in Ncw-Orleans, im Sommcr tn
St. Louis ein hübsches Geld vcrdient, dabci in-
dcffen kcine zu hohe Meinuug von den amerikani-
schcn Francn gewonnen hat und sich jctzt entjchließt,
die Gclcgenheit zu bcnutzen, cin noch unverdor-
bcnes Mädchcn für sich zu gewinnen. Und daß der
Vater, deffen einzigc Tochtcr sie tst, eine HLbschc
Farm bcsitzt, rvie cs ein Brief dcs Alten aus-
weist, ist nur im Stande, daS Feuer dcs Hetraths-
candidatcn zu schüren. Er hat Erfolg iid sciner
Bcwerbung; der zweitc Bcwunderer, ebcnfalls ein
Dcutscher, müß zurücktrcten und die förmltche Ver-
lobung des jungenPaarks findct «ährcnd der Reise ,
statt.

Jn St. Louis angckömmen, hat der Bräutigam

nichts EifrigcreS zu thun, als die Derlobtc in eine
völlige Lady umzuwandeln. Kleider, Mantillc, Hut
und Schmiick «crden angeschafft, und glücklich tre-
ten Beidc dte Rcisc nach dcr väterlichcn Farm an,
dcrcn Lagc, nahe dcr Eiscnbahn, aus das Genaueste
bcschrieben ift. Bald gelangen sic auch zu der be-
zcichnctcn Einzäunung, hinter welcher sich cin ztem-
lich liederliches BlockhauS crhcbt und crhalten dort
dcn tröstlichen Bescheid, daß der Alte zwar nicht
zu Hause sci, daß diesem die Farm auch nicht ge-
höre, sondcrn cr sich nur hicr einc Schlasftclle ge-
micthet habc, daß sie ihn aber trcffen könnten,
nsinn sie die Eisenbahn zwei Mcilen weitcr vcr-
folgben, wo er Steine klopse.

Weder eine Ohnmacht seitens des wciblichen, noch
ein AuSbruch dcr Täuschung seitcns deS männlichen
Theils erfolgtc — dcr junge Mann durchblicktc
schncll, daß daS Mädchen durch eine Lüge ihres
VaterS nach Amerika gclockt wörden war und dringt
nur auf sosortige Rückkchr nach St. Louts und
baldigste Trauung. Zhr scheint diesc Eilc und
l Formlvsigkeit allerdings ct«as sehr amerikanisch,

! abcr, selbst vcrletzt durch den Stand der Dinge,
gibt sie nach.

Zn St. Louis werden die nöthigcn Eintäüfe zu
einer kicinen Hauscinrichtung gcmacht; bei einrm
Ausgangr dcS Bräittigams abcr erschcint plößktch
der frühcre Bewundcicr Nr. 2 vor bem zurückge-
bltebencn Mädchen und theilt dieset mtt, daß sie
in dic SchliUge eincs der schävdlichsten Menschen
gcfalken sei, det, wic sich soeben hcraftsgkftlllt, be-
rettS drei Fraürn habr, cine in Nrw-Otlcaiis, dt«
beidcn andern in Vicksburg uud Memphts, «nd
mit ihr nur die Station St. Lottis bcsttzrn wvlle.
Er beschwört sie, stchcnben Knßcs mit ihnt näch
Bellcville zu gchcn, «o er ihr dUrch aiiderc Leute
die Bcweise liefern werde, und däs erschtockrUe
Bautrnkind «ciß nichtS Brffcrcs zu thun, alS thm
zu solgeu. Jn Belleoille angelangt, ist fir dnrch
dte Erzählungen ihres BeglcitetS bereits so vvn
dcr Schlechtigkcit ihreS Bräutigams, dcffcn Dtän-
gen zu schneller Heirath sie crst jetzt tm rechtenLichte
zn sthen metnt, ilbcrzcugt, daß, al« die „anderen
Letite", wclchc die Bewcist licfern sollrn, nicht gletch
bci der Hand find, sie kaum daränf achtct, daß sic
ihrem Vcrsprochenen eincn Absagebrief in bester
Form schrcibt und ihm zugleich ihre Verlobung mit
threm jetztgen Begleiter anzctgt.
 
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