M 232
Donnerstag, 3. Oktober
L8SL
Prozeß Baumbach.
(Fortsetzung.)
Üeber die Verhältniffe der beiden Ehcleute
sagt die Heiß, daß ffe ein Muster von einer
Ehe geführt haben. Jhre Schwester Karvlme,
verehellchte Profoß Lehmann, hat ebenfalls
früher im Baumbach'schen Hausc gedient und
theils im Auftrag des Herrn, theils in dem
der Frau von Banmbach österS den Schloffer
geholt. Daß fie sich in der angegebenen
Weise gegen Fritsche geäußert habe, bestreitet
sie. Ueber das Verhältniß der Eheleute sagt
sie aus, daß es das freundlichste und lieb-
reichstc gewesen sei. Schloffermeister Kempter
aus Mannheim hat verschiedene Schlüffel an
Thüren, theils lieu gemacht, theils reparirt,
aber an cinen Gekretür oder Pult keinen
neuen Schlüffel angefertigt, und beruft sich
deßhalb auf sein getreu geführtes Hauptbuch.
Auguste Klinkerfuß, bis Ostern d. I.
Kammermädchcn der Frau von Baumbach,
21 Jahre alt, fand die Baumbach'sche Ehe
friedlich und liebevoll; Frau v. Baumdach
habe sie stets zuvorkommend behandclt;
Fritsche hat ihr mitgetheilt, cs gehe das Ge-
rücht, Hr. v. Baumbach habe ein Verhältniß
mit einer Dame, die er namentlich auf einem
Maskenballe unterhalten habe; auch giebt ste
an, Fritsche habe öfters über seine Frau ge-
scholten. Einmal habe sie gesehen, daß Frau
v. Baumbach in ihrer Schlafstube Fleisch mit
ihrer Stricknadel untersucht habe. Auch habe
ste auf einem Butterbrod, das über Nacht auf
. dem Tisch gestanden sei, ein abgesprungenes
Zündhölzchen gesehen und sich dabei gedacht,
es sei dies unvorsichtig. Jakobine Lorcher,
1851 — 61 Köchin dcr Frau v. Baumbach,
40 Jahre alt, war zufrievcn mit ihrer Her-
rin, wvgegen Fritsche im ÄerEer sich ost un-
wiüig über die Herrschaft geäußert habe; im
Ernst jeboch hätte cr nichls auf dieselbe kom-
men laffen. Daß Hr. v. Baumbach andern
Damen ben Hof machc, habe sie zwar gehört,
aber nie das Mindeste davou gesehen. Ein-
mal habe sie in einem Butterbrod das Köpf-
chen eines Zündhölzchcns gefmiden, wic es
hinkam, wiffe sie nicht, sie denke aus Unvor-
sichtigkeit. Weiter weiß sie iiichts anzugeben.
Karoliue Löchermaier, 28 Jahre alt, war
bei Frau v. O.... im Dieust, und bezeugt,
daß Herr von Baumbach einmal in ihr
Schlafzimmer habe dringen wollen„ vbwvhl
ihm der Diener gcsagt habe, seine Herrin
sei jctzt nicht zu sprechen. Karl Laier, 32
Jahre ali, Bedienter bei Frau v. O....,
gieb! an, daß diese rnit der Familie v. Baum-
bach auf dem freundschastlichsten Fuße gestan-
ben sei. Margareche I o b, die nicht anwesenv
ift, hatte zu Protokoll angegeben, daß ihr
kein Berhälkniß zwischcn ihrer Dienstherrin,
Frau v. O...., und Herrn v. Baumbach
bekannt sei. Die Angeklagte selbst erklärt,
daß zwischen ihrem Hause und der Frau v.
O. . . . ein freunbschaftliches Berhältniß ge-
hcrrscht habe, weiter nichts. Die 50 jährige
Modistin Ämalie Kölitz weiß gleichfalls von
einem Verhältniß des Hrn. v. Baumbach Mit
dieser Dame nichts. Partikulier Reiff, 66
Jahre alt, fand das Verhältniß beider Ehe-
leute als ein sehr gutes, er sah nur Frieden
und Einigkeit, und beobachtete nichts Auf-
fallendes zwischen Hrn. v. Baumbach und
Frau v. O. ... Seine Gattin Mathilde
Reiff Hatte nur Ljebe und Frcundschaft im
Baumbach'schen Hause geschen unb kann ver-
sichern, daß Fr. v. Baumbach ihrem Gattcn
stets aüe Aufmerksamkeit schenkte. Obiges
Verhältniß bcstreitet auch sie. General v.
F reistä bt, verwandt mit der Familie, kennt
die Bcrhältniffe der v. Baumbach'schen Familie
ganz gut und hat stets das beste Einvernehmen
dort getroffcn. Wcr Frau v. Baumbach ein-
mal am Krankenbette ihres sehr oft leidcnden
Gatten gesehen habe, sci von ihrcr Aufopfe-
rung überzeugt; er habe sie wegen dieser
Eigenschaft oft bewundert. Eiferfucht sah er
nie an ihr. Louise v. Freivorf legl ein
gleich günstiges Zeugniß über beibe Gatten
ab. Marie Klehe fand auch nur vie größte
Einigkeit im v. Baumbach'schen Hause; von
Eifersucht habe sie an Frau v. Baumbach nie
etwas bemerkt; sie glaubt, daß die gnädige
Frau dicse Leibenschaft als etwas Unedtes
detrachte. Die Vergiftungsgeschichte hat oie
Angcklagte ihr mit aller Ruhe und ohne Be-
fangenheit mitgetheilt. Sie glaubt, die An-
geklagte, die sic seit ihrem 15. Jahre kenne,
sei an dcm Verbrechen so unschulbig, als ste,
die Zcugin, selbst. Emma Epp, 18 Jahre
alt, aus Menzingen, im Jahre 1859—1860
im Dienst bei Fran v. Baumbach, bezeugt
gleichfalls, daß die Gatten sehr einig Icbten.
Magdalcna Schwcickerk aus Schwäbisch-
Hall, vorigen Jahrs vom Augnft bis Weih-
nachten im v. Baumbach'schen Hause im Dienst,
kenut gleichfalls »ur Friede und Eintrachk
in der Familie und sah nie einc Spur von
Eifersucht bei Frau v. Baumbach. Ein ganz
glciches Zeugniß hatte die nicht anwesende
Zcugin, Frau Geh. Hofrath Eichr.odt, die
Frau v. Baumbach schvn vor ihrer Verehe-
lichung kannte, zu Protokoll gcgeben. Hof-
marschall Theodor v. Baumbach ist be-
reit, Zeugniß abzulegen. Er ist aufs Leb-
hafteste davon durchdrungen, daß rie Sache
nur ein nichtswürdigcs Complott sei, um
Scandal zu erregcn, und daß seine Gattin,
mit der er seit 21 Jahren glücklich lebe, nie
zu einer solche» That die Hand geboten hätte.
Er habe wegen Heiserkeit am Psingstsonntag
und Montag nahezu zwei Schoppen warmes
Bier gctrunken, keinen auffallenden Geschmack
an demselben gefunden und nicht die geringste
Belästigung auf dessen Genuß gefühlt. Die
Sache mit der Zuckerdose, die ein paar Tage
gar nicht benützt worden sei, könne er sich
nicht erklären. Am Mittwoch vvrher hätte
skine Gattin Zucker aus derselbcn benützt
unv ein Aufstoßen darauf erhalten. Auffal-
lend ist ihm die Angabe Fritsche's wegen des
Waffers auf scinem Zimmer, da boch Nie-
mand Waffer trinkcn werde, das über Nacht
in einem geheizten Zimmer geftanden habe.
Die Schlüffelgeschichte erklärt er als Ver-
läumdung; in Beziehung auf ihre finanziellcn
Verhältniffe hätte das größte Vertrauen un-
ter ihnen geherrscht. Den Angriff auf seine
Gattin mic einer Pistole erklärt der Zcuge
durch scine damalige, einem Leberleiden ent-
sprungene Gemüthsstimmung; es sei indcffcn
keine Pistole, sondern ein ungelabenes, daher
auch unschäbliches Terzerol gewesen, das eben
auf seinem Schreiblische gelegen sei. Er ge-
stehe offen, daß er ciue tödtliche Waffe lieber
auf sich sclbst, als auf seine Gattin gerich-
tet hätte, die ihm die zartestp, liebcvollste
Pstege habe angedeihcn laffen. Sehr bedauern
müffc er, daß diescr Vorfall in die Oeffcnt-
lichkeit gedrungen sei. Es seien ihm Fäüe
bekannt, in denen vom Arzte eine bcffere
DiScretion beobachtet worden sei. ' Äuf die
Frage des Prästdenten, wann er zuerst vvn dea
Giflversuchen benachrichtigt worben sei, gibt
Zeuge an, daß ihm am Psingstmontag ein Bekann-
ter Mittags zwölf Uhr die crste Kunbe hievou
mitgetheilt und ih» zuglebch davon benachrich-
tigt habc, daß die ganze Sache bereits bei
den Gerichten anhängig sei, ebenso daß
sein Diener Fritschc zuerst seinen Hausarzt
von dicsen Vorfällen in Kenntniß gescßt habc.
Zu Hause angekouimen, hätke ihm seme Gat-
tin die glcichen Mittheilungen gcmacht, doch
die ganze Tragweile dieser Sache nicht ge-
ahnt. Er sei nur zu seinem Hausarzt Dr.
Buchegger, gegangen, unb dieser hade ihm
erst mitgetheilk, vaß die Dicnerschaft des Häu-
ses auf seifte Gattin die Schuld werfe. Wie
Dir Hubrrbämrin. .
Von Hermann Schmid.
(Fortsetzung.)
„Und wirst Du mir nun keine Narrhett mchr
begehcn?" jliistcrte ihm die Bäuerin nvch nach.
„Jch bin Dcin und wenn's in die Hölle ginge",
erwiderte HanS ebenso hastig — und er war ver-
schwunden.
Mit der unbefangcnsten Miene zog die Bäuerin
gcräufchlos dcn Thürriegel zurück; dann trat flc
vor einen der Schränkc und gab sich, mit dcm Rücken
gcgen den Eingang gewcndet, den Anschcin, als sei
sic mit dem Ordnen dcr Wäsche befchäftigt. Dabci
tieß sie aber einen vor ihr hängenden Spiegel keine
Secundc aus den Augen, dcnn in ihm konnte si«
Alles wahrnchmen, «as hinter ihr vorging.
So bemerkte sie, daß dic Thüre wievon Icmand,
dcr horchen will, behutsam geöffnet ward und daß
in der Spalte dcr Kopf ihrcs Mannes sichtbar
wurde. Sein Gcficht trug den AuSdruck cines «il-
den laucrnden Zorns, wie er aber die Katzenaugen
im Zimmer umher gleiten lreß, verlor fich derselbe
und machte dem gcwohnten bummen Lächcln Platz.
Er zog sich «icdcr zurück und schloß die Thürc cbcnso
leise, sichtbar froh, nicht bcmcrkt worden zu sein.
„Stcht es so?" murmeltc die Bäucrin vor sich
hin, als sie sich wieder allein wußte. „Wie gut,
daß ich den heimlichen Zug an der Thür hab' an-
bringen laffen, der es sogletch zeigt, «enn Jcmand
die Stiege betritt! — Er hat atso Verdacht?...
llnd Hans...? Für diesmal hab' ich ihn noch von
scinem Fieber curirt, ader wer steht mir dafiir, ob
es nicht wicder kommt? llnd ob ich dann noch im
Stand bin, Einhalt zu thun?"
Sie sann einen Augenblick nach, und dcr häßliche
Zug um ihren Mund trat stärkcr hervor. „Nun'"
sagte fle dann nach ciner Weile und «andte sich
cntschloffen der Thüre zu, „ich will schon vörsorgen,
sie sollen sehen, daß die schöne Huberin sich zu helfcn
wciß!"
4.
Dcm schönen Morgen war ein schöner Tag ge-
folgt, wolkenlos und tiefblau, aber nicderdrückend
schwül. Schon hatte in den Dörfern ringsum das
Glockenzcichen die Beendigung des nachmtttägigen
Gottksdienstcs »ngekündtgt und nvch regte ftch ketn
kühler Lufthauch, wie sie sonst die angenehmen Bo-
tcn des Abends zu sein pflegtn. Die Luft flim-
merte und schimmert« im Sonnenglanz, und wer
es vermochte, flüchtete aus der Helle und Schwüle
an irgend ein Plätzchen, wo Schatten und Kühle
frei aufzuathmen gestatteten.
Ein solches Plätzchen «ar ein an der Erdtnger-
straße gelcgcner Sommcrbierkcller, der von «iner
heitern Anhöhe unter großen Linden und Kastanien-
bäumcn dic Gegend beherrschtc und darum «in ge-
«öhnlicher Zielpunkt für SonntagS-Spaziergängcr
aller Art war. Dahin strömtc das Landvolk dcr
nähern und fernern llmgcbung, und auch die Bür-
gcr und Honoratioren des StädtchcuS ließc» sich's
nicht verdrießen, dte andcrthalb Stündchen auf der
sounigen Ländstraße dahinzu marschiren. Warman
doch reichlich cntschädigt durch etnen Platz auf der
offenen schattigcn Terraffe, vor einem Krugr des
trefflichsten erfrischcnden BiereS, bet deffen Genuß
sich die weite, nicht reizlose Landschaft doppett be-
haglich übersehe» ließ. '
Heute «ar dcr Bcsuch besondcrs zahlreich, denn
in dcn meisten der umliegenben Fluren «ar die
Getteideernte beendigt, was jahrlich mit einer be-
Donnerstag, 3. Oktober
L8SL
Prozeß Baumbach.
(Fortsetzung.)
Üeber die Verhältniffe der beiden Ehcleute
sagt die Heiß, daß ffe ein Muster von einer
Ehe geführt haben. Jhre Schwester Karvlme,
verehellchte Profoß Lehmann, hat ebenfalls
früher im Baumbach'schen Hausc gedient und
theils im Auftrag des Herrn, theils in dem
der Frau von Banmbach österS den Schloffer
geholt. Daß fie sich in der angegebenen
Weise gegen Fritsche geäußert habe, bestreitet
sie. Ueber das Verhältniß der Eheleute sagt
sie aus, daß es das freundlichste und lieb-
reichstc gewesen sei. Schloffermeister Kempter
aus Mannheim hat verschiedene Schlüffel an
Thüren, theils lieu gemacht, theils reparirt,
aber an cinen Gekretür oder Pult keinen
neuen Schlüffel angefertigt, und beruft sich
deßhalb auf sein getreu geführtes Hauptbuch.
Auguste Klinkerfuß, bis Ostern d. I.
Kammermädchcn der Frau von Baumbach,
21 Jahre alt, fand die Baumbach'sche Ehe
friedlich und liebevoll; Frau v. Baumdach
habe sie stets zuvorkommend behandclt;
Fritsche hat ihr mitgetheilt, cs gehe das Ge-
rücht, Hr. v. Baumbach habe ein Verhältniß
mit einer Dame, die er namentlich auf einem
Maskenballe unterhalten habe; auch giebt ste
an, Fritsche habe öfters über seine Frau ge-
scholten. Einmal habe sie gesehen, daß Frau
v. Baumbach in ihrer Schlafstube Fleisch mit
ihrer Stricknadel untersucht habe. Auch habe
ste auf einem Butterbrod, das über Nacht auf
. dem Tisch gestanden sei, ein abgesprungenes
Zündhölzchen gesehen und sich dabei gedacht,
es sei dies unvorsichtig. Jakobine Lorcher,
1851 — 61 Köchin dcr Frau v. Baumbach,
40 Jahre alt, war zufrievcn mit ihrer Her-
rin, wvgegen Fritsche im ÄerEer sich ost un-
wiüig über die Herrschaft geäußert habe; im
Ernst jeboch hätte cr nichls auf dieselbe kom-
men laffen. Daß Hr. v. Baumbach andern
Damen ben Hof machc, habe sie zwar gehört,
aber nie das Mindeste davou gesehen. Ein-
mal habe sie in einem Butterbrod das Köpf-
chen eines Zündhölzchcns gefmiden, wic es
hinkam, wiffe sie nicht, sie denke aus Unvor-
sichtigkeit. Weiter weiß sie iiichts anzugeben.
Karoliue Löchermaier, 28 Jahre alt, war
bei Frau v. O.... im Dieust, und bezeugt,
daß Herr von Baumbach einmal in ihr
Schlafzimmer habe dringen wollen„ vbwvhl
ihm der Diener gcsagt habe, seine Herrin
sei jctzt nicht zu sprechen. Karl Laier, 32
Jahre ali, Bedienter bei Frau v. O....,
gieb! an, daß diese rnit der Familie v. Baum-
bach auf dem freundschastlichsten Fuße gestan-
ben sei. Margareche I o b, die nicht anwesenv
ift, hatte zu Protokoll angegeben, daß ihr
kein Berhälkniß zwischcn ihrer Dienstherrin,
Frau v. O...., und Herrn v. Baumbach
bekannt sei. Die Angeklagte selbst erklärt,
daß zwischen ihrem Hause und der Frau v.
O. . . . ein freunbschaftliches Berhältniß ge-
hcrrscht habe, weiter nichts. Die 50 jährige
Modistin Ämalie Kölitz weiß gleichfalls von
einem Verhältniß des Hrn. v. Baumbach Mit
dieser Dame nichts. Partikulier Reiff, 66
Jahre alt, fand das Verhältniß beider Ehe-
leute als ein sehr gutes, er sah nur Frieden
und Einigkeit, und beobachtete nichts Auf-
fallendes zwischen Hrn. v. Baumbach und
Frau v. O. ... Seine Gattin Mathilde
Reiff Hatte nur Ljebe und Frcundschaft im
Baumbach'schen Hause geschen unb kann ver-
sichern, daß Fr. v. Baumbach ihrem Gattcn
stets aüe Aufmerksamkeit schenkte. Obiges
Verhältniß bcstreitet auch sie. General v.
F reistä bt, verwandt mit der Familie, kennt
die Bcrhältniffe der v. Baumbach'schen Familie
ganz gut und hat stets das beste Einvernehmen
dort getroffcn. Wcr Frau v. Baumbach ein-
mal am Krankenbette ihres sehr oft leidcnden
Gatten gesehen habe, sci von ihrcr Aufopfe-
rung überzeugt; er habe sie wegen dieser
Eigenschaft oft bewundert. Eiferfucht sah er
nie an ihr. Louise v. Freivorf legl ein
gleich günstiges Zeugniß über beibe Gatten
ab. Marie Klehe fand auch nur vie größte
Einigkeit im v. Baumbach'schen Hause; von
Eifersucht habe sie an Frau v. Baumbach nie
etwas bemerkt; sie glaubt, daß die gnädige
Frau dicse Leibenschaft als etwas Unedtes
detrachte. Die Vergiftungsgeschichte hat oie
Angcklagte ihr mit aller Ruhe und ohne Be-
fangenheit mitgetheilt. Sie glaubt, die An-
geklagte, die sic seit ihrem 15. Jahre kenne,
sei an dcm Verbrechen so unschulbig, als ste,
die Zcugin, selbst. Emma Epp, 18 Jahre
alt, aus Menzingen, im Jahre 1859—1860
im Dienst bei Fran v. Baumbach, bezeugt
gleichfalls, daß die Gatten sehr einig Icbten.
Magdalcna Schwcickerk aus Schwäbisch-
Hall, vorigen Jahrs vom Augnft bis Weih-
nachten im v. Baumbach'schen Hause im Dienst,
kenut gleichfalls »ur Friede und Eintrachk
in der Familie und sah nie einc Spur von
Eifersucht bei Frau v. Baumbach. Ein ganz
glciches Zeugniß hatte die nicht anwesende
Zcugin, Frau Geh. Hofrath Eichr.odt, die
Frau v. Baumbach schvn vor ihrer Verehe-
lichung kannte, zu Protokoll gcgeben. Hof-
marschall Theodor v. Baumbach ist be-
reit, Zeugniß abzulegen. Er ist aufs Leb-
hafteste davon durchdrungen, daß rie Sache
nur ein nichtswürdigcs Complott sei, um
Scandal zu erregcn, und daß seine Gattin,
mit der er seit 21 Jahren glücklich lebe, nie
zu einer solche» That die Hand geboten hätte.
Er habe wegen Heiserkeit am Psingstsonntag
und Montag nahezu zwei Schoppen warmes
Bier gctrunken, keinen auffallenden Geschmack
an demselben gefunden und nicht die geringste
Belästigung auf dessen Genuß gefühlt. Die
Sache mit der Zuckerdose, die ein paar Tage
gar nicht benützt worden sei, könne er sich
nicht erklären. Am Mittwoch vvrher hätte
skine Gattin Zucker aus derselbcn benützt
unv ein Aufstoßen darauf erhalten. Auffal-
lend ist ihm die Angabe Fritsche's wegen des
Waffers auf scinem Zimmer, da boch Nie-
mand Waffer trinkcn werde, das über Nacht
in einem geheizten Zimmer geftanden habe.
Die Schlüffelgeschichte erklärt er als Ver-
läumdung; in Beziehung auf ihre finanziellcn
Verhältniffe hätte das größte Vertrauen un-
ter ihnen geherrscht. Den Angriff auf seine
Gattin mic einer Pistole erklärt der Zcuge
durch scine damalige, einem Leberleiden ent-
sprungene Gemüthsstimmung; es sei indcffcn
keine Pistole, sondern ein ungelabenes, daher
auch unschäbliches Terzerol gewesen, das eben
auf seinem Schreiblische gelegen sei. Er ge-
stehe offen, daß er ciue tödtliche Waffe lieber
auf sich sclbst, als auf seine Gattin gerich-
tet hätte, die ihm die zartestp, liebcvollste
Pstege habe angedeihcn laffen. Sehr bedauern
müffc er, daß diescr Vorfall in die Oeffcnt-
lichkeit gedrungen sei. Es seien ihm Fäüe
bekannt, in denen vom Arzte eine bcffere
DiScretion beobachtet worden sei. ' Äuf die
Frage des Prästdenten, wann er zuerst vvn dea
Giflversuchen benachrichtigt worben sei, gibt
Zeuge an, daß ihm am Psingstmontag ein Bekann-
ter Mittags zwölf Uhr die crste Kunbe hievou
mitgetheilt und ih» zuglebch davon benachrich-
tigt habc, daß die ganze Sache bereits bei
den Gerichten anhängig sei, ebenso daß
sein Diener Fritschc zuerst seinen Hausarzt
von dicsen Vorfällen in Kenntniß gescßt habc.
Zu Hause angekouimen, hätke ihm seme Gat-
tin die glcichen Mittheilungen gcmacht, doch
die ganze Tragweile dieser Sache nicht ge-
ahnt. Er sei nur zu seinem Hausarzt Dr.
Buchegger, gegangen, unb dieser hade ihm
erst mitgetheilk, vaß die Dicnerschaft des Häu-
ses auf seifte Gattin die Schuld werfe. Wie
Dir Hubrrbämrin. .
Von Hermann Schmid.
(Fortsetzung.)
„Und wirst Du mir nun keine Narrhett mchr
begehcn?" jliistcrte ihm die Bäuerin nvch nach.
„Jch bin Dcin und wenn's in die Hölle ginge",
erwiderte HanS ebenso hastig — und er war ver-
schwunden.
Mit der unbefangcnsten Miene zog die Bäuerin
gcräufchlos dcn Thürriegel zurück; dann trat flc
vor einen der Schränkc und gab sich, mit dcm Rücken
gcgen den Eingang gewcndet, den Anschcin, als sei
sic mit dem Ordnen dcr Wäsche befchäftigt. Dabci
tieß sie aber einen vor ihr hängenden Spiegel keine
Secundc aus den Augen, dcnn in ihm konnte si«
Alles wahrnchmen, «as hinter ihr vorging.
So bemerkte sie, daß dic Thüre wievon Icmand,
dcr horchen will, behutsam geöffnet ward und daß
in der Spalte dcr Kopf ihrcs Mannes sichtbar
wurde. Sein Gcficht trug den AuSdruck cines «il-
den laucrnden Zorns, wie er aber die Katzenaugen
im Zimmer umher gleiten lreß, verlor fich derselbe
und machte dem gcwohnten bummen Lächcln Platz.
Er zog sich «icdcr zurück und schloß die Thürc cbcnso
leise, sichtbar froh, nicht bcmcrkt worden zu sein.
„Stcht es so?" murmeltc die Bäucrin vor sich
hin, als sie sich wieder allein wußte. „Wie gut,
daß ich den heimlichen Zug an der Thür hab' an-
bringen laffen, der es sogletch zeigt, «enn Jcmand
die Stiege betritt! — Er hat atso Verdacht?...
llnd Hans...? Für diesmal hab' ich ihn noch von
scinem Fieber curirt, ader wer steht mir dafiir, ob
es nicht wicder kommt? llnd ob ich dann noch im
Stand bin, Einhalt zu thun?"
Sie sann einen Augenblick nach, und dcr häßliche
Zug um ihren Mund trat stärkcr hervor. „Nun'"
sagte fle dann nach ciner Weile und «andte sich
cntschloffen der Thüre zu, „ich will schon vörsorgen,
sie sollen sehen, daß die schöne Huberin sich zu helfcn
wciß!"
4.
Dcm schönen Morgen war ein schöner Tag ge-
folgt, wolkenlos und tiefblau, aber nicderdrückend
schwül. Schon hatte in den Dörfern ringsum das
Glockenzcichen die Beendigung des nachmtttägigen
Gottksdienstcs »ngekündtgt und nvch regte ftch ketn
kühler Lufthauch, wie sie sonst die angenehmen Bo-
tcn des Abends zu sein pflegtn. Die Luft flim-
merte und schimmert« im Sonnenglanz, und wer
es vermochte, flüchtete aus der Helle und Schwüle
an irgend ein Plätzchen, wo Schatten und Kühle
frei aufzuathmen gestatteten.
Ein solches Plätzchen «ar ein an der Erdtnger-
straße gelcgcner Sommcrbierkcller, der von «iner
heitern Anhöhe unter großen Linden und Kastanien-
bäumcn dic Gegend beherrschtc und darum «in ge-
«öhnlicher Zielpunkt für SonntagS-Spaziergängcr
aller Art war. Dahin strömtc das Landvolk dcr
nähern und fernern llmgcbung, und auch die Bür-
gcr und Honoratioren des StädtchcuS ließc» sich's
nicht verdrießen, dte andcrthalb Stündchen auf der
sounigen Ländstraße dahinzu marschiren. Warman
doch reichlich cntschädigt durch etnen Platz auf der
offenen schattigcn Terraffe, vor einem Krugr des
trefflichsten erfrischcnden BiereS, bet deffen Genuß
sich die weite, nicht reizlose Landschaft doppett be-
haglich übersehe» ließ. '
Heute «ar dcr Bcsuch besondcrs zahlreich, denn
in dcn meisten der umliegenben Fluren «ar die
Getteideernte beendigt, was jahrlich mit einer be-