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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Otto, Karl Heinrich: Imitation und Surrogat
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0244

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226

INNEN-DEKORATION

zierte oder irgendwie getönte Figur ist doch praktisch besser
und ästhetisch wohltuender, als eine sehr bald verschmutzte
weiße. Hier liegt doch gar keine Täuschung vor; wer
würde denn glauben, hier auch nur an echte Bronze zu
denken! Auf der andern Seite aber: wie viele Gelehrte
und Kunstfreunde haben antike Plastiken in guten Abgüssen
in Mengen aufgestellt, die in naturgetreuer Auffärbung und
Patinierung möglichst den Originalen gleich kommen sollen.
Ich halte das für sehr verständig, denn der Unterschied
zwischen einem weißen Gipsabguß und dem Original einer
antiken Bronze ist doch wie Tag und Nacht. Das gilt auch
für Marmorplastiken, alte Holzschnißereien, Majoliken (von
Robbia) die man in guten Kopien in den Handel bringt.
Sehr mit Recht, weil hier doch tatsächlich die Imitation nur
als gute Nebenerscheinung der getreuen Wiederholung eines
wertvollen Originals an einem — allerdings — wertlosen
Surrogat auftritt. An eine Fälschung würde hier vernünftiger-
weise niemand denken.

Geben wir ein Gegenbeispiel, das, lediglich auf anderem

CARL WITZMANN—WIEN.

technischen Vorgang beruhend, häufig in der Nachahmung,
in der Wiederholung die Fälschung, den Betrug als End-
absicht hat: das kopierte Bild, nach irgend einem großen
Maler, mit künstlichen Schäden und dem vollen Signum
des Originals. Hier wird kopiert, imitiert und damit eben
künstlich der Anschein des „Alters" erweckt, also gefälscht.
Wenn wir ein „goldenes" Kirchturmkreuz oder einen
„goldenen" Kirchturmknopf in der Sonne blinken sehen, so
denken wir keineswegs an einen Goldschmied; wir wissen
sehr wohl, daß hier gar keine Absicht auf Täuschung
besteht, denn das Kreuz ist aus Schmiedeeisen und der
Knopf ist aus Kupfer, beide sind vergoldet worden aus
Gründen der Wirkung und der Witterung. Mit vielen
kupfernen Kelchen des Mittelalters, die nur vergoldet sind,
ist es ähnlich bestellt; Form und Technik verraten das
Kupfer; um den Grünspan fernzuhalten, hat man es vergoldet.
Kein Mensch denkt an Täuschung oder gar an Betrug.
Das Wort Imitation umschreibt an sich eine ganz harmlose
Sache sobald die Grundabsicht klar erkannt wird. Werden

z. B. aus irgend einem fest-
lichen Anlaß auf einem
Plaße im Zusammenhange
mit der Festdekoration
unter Zuhilfenahme von
Holzeinbauten und Sack-
leinenbespannung große
Monumental-Gruppen in
drei Tagen aufgerichtet,
so wird es niemand ein-
fallen, hier, selbst wenn
die Farbe das vortäuschen
sollte, an Stein und
Bronze zu glauben. Bei
den Riesen-Dekorationen
mit farbigen Papierblumen
wird wiederum niemand an
die Natur denken wollen,
und doch handelt es sich
in beiden Fällen um
Imitationen in gutem wie
schlechtem Sinne. — Die
Imitation wird erst zu
einer Schreckenssache, —
nicht mal zu einem Betrug,
denn dazu wirkt sie zu
plump und durchscheinend
— wenn sie z. B. sich in
gestrichenen Sandstein-
Quadern an schmiede-
eisernen Pfeilern zeigt,
erzielt durch Ölfarben-
anstrich in Steinton mit
weißen Fugenlinien. Wir
haben das tatsächlich ge-
habt. Das ist natürlich
mehr als unästhetisch,
widersinnig; — das ist
lächerlich, wenn dann in
den gestrichenen Stein-
quadern die Nietköpfe des
Eisens sichtbar werden.
Oder wir machen den be-
rühmten Verstoß, in einer
Pußfassade den Haustein-
bau vortäuschen zu wollen.

Wohnzimmer Dr. K. R.— Wien. Ausführung: A. Legerer— Wien.
 
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