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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Otto, Karl Heinrich: Imitation und Surrogat
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0245

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INNEN-DEKORATION

227

Selbstverständlich ist gegen eine Purjfassade, auch an sich
gegen die reichste nicht, nichts einzuwenden, wenn sie in
uns den Glauben erhält, es mit Stuck zu tun zu haben.

In gleichem Sinne ist auch der Holzanstrich an sich
nicht verwerflich, er wird es erst, wenn er so raffiniert und
sklavisch durchgeführt wird, um eine andere Holzart,
meistens eine edlere als die durch den Anstrich verdeckte,
vortäuschen zu sollen. Hier denkt der „Maserkünstler"
tatsächlich an eine Vortäuschung und vollzieht einen Betrug,
der vor einem Gericht von Ästhetikern strafbar sein würde.
Dasselbe gilt natürlich auch in gleichem Sinne von der
Marmorimitation, kurz für alle Imitationen, die unter allen
Umständen den Schein des Echten über das Surrogat
hinaus wahren sollen. Dag dagegen heftig gekämpft wird,
ist durchaus berechtigt und lobenswert, man sollte es mit
allen zulässigen Mitteln tun. Es liegt gar kein Grund und
keine Notwendigkeit vor, hier zu imitieren, oder wie man
auch entschuldigungshalber sagt: zu veredeln; denn bedürfen
tun wir an solchen Stellen auch des „Scheines" nicht (ich
erinnere dafür zustimmend an
Theater und Dekoration), weil
wir auch einem minderwer-
tigen, sonst aber gutem
Material wie dem Tannen-
holz oder der gepurjten
und geschliffenen Wand auf
bessere Weise stilistisch
gerecht werden können.
Auch das Backsteinmuster auf
einer gestrichenen Wand hat
keine Berechtigung; ein
Schablonenmuster oder der-
gleichen ist besser am Platye.

— Das alles gilt auch für die
Imitierung schmiedeeiserner
Gitter durch Gußeisen, von
Holzschnitzereien durch Stein-
pappe oder angestrichenen
Zinkguß, des Smyrnateppichs
auf Linoleum, des Seiden-
damastes in der Papiertapete
usw. Auch hier ist die Ab-
sicht vorherrschend: mit der
Imitation ein Surrogat zu
decken. Gußeisen, Linoleum,
Holz-Schnitjereien, Papier-
tapete haben nun aber so
hohe Eigenwerte, — sie sind
zunächst nicht einmal Surro-
gate — daß sie irgend-
welcher Bemäntelung gar
nicht bedürfen. — Auch
gegen die Mehrzahl eigent-
licher Surrogate rein stoff-
lichen Charakters ist gar
nichts einzuwenden, wenn
sie sonst nicht täuschen
sollen und über Material-
eigenschaften verfügen, die
ihrer Verwendungsart ge-
recht werden. Es gäbe
kaum ein Material, das man

— wenigstens der Erschei-
nung nach — nicht vollwertig
stofflich zu ersehen ver-

möchte. Aber, braucht denn ein Lederersatj unbedingt eine
Ledernarbe zu zeigen, um seine Güte zu dokumentieren.
Dann kann irgend ein lineares Motiv aus einem Moose, einer
Flechte und ähnlichem eben so gut die monotone Fläche
beleben. Auch die Papiertapete als angebliches Surrogat
für stoffliche Wandbespannung, was sie, nebenbei gesagt,
gar nicht ist und nicht sein kann, bedarf nicht der Täuschung
durch Webeeffekte; sie kann getrost bedrucktes Papier
bleiben, das nicht zum Bespannen — wie der Stoff - sondern
zum Bekleben der Wände dient. Auch dem künstlichen
Holz braucht man keine Maser, dem künstlichen Stein keine
künstliche Struktur zu geben.

Für alle Surrogate bleibt das vorangestellte Wort
„Kunst" von größter Entwertung. Wozu „Kunstleder",
„Kunstholz" usw.! Das gute Surrogat ist doch ein total
neues Produkt, das unter Umständen ganz anderen, oder
sogar besser gleichen Aufgaben dienen kann, wie das
ursprüngliche Material, das es ersehen soll. Und wenn
dann für neue Bedingungen das Surrogat am rechten Plarj

CARL WITZMANN—WIEN.

Aus nebenstehendem Raum.
 
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