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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Schulze-Elberfeld, Otto: Baukunst und Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0231

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XXVU. 1AHRGANG.

DARMSTADT

JUNI 1916.

BAUKUNST UND KUNSTGEWERBE

VON PROF. OTTO SCHULZE —ELBERFELD

Keine Zeit ist geeigneter, solche Fragen der Baukunst
und des Kunstgewerbes aufs Neue zu erörtern, die
zwischen »alt und neu«, zwischen »Stil« und »Neurich-
tung« ausgespielt werden, wie die Gegenwart. Mag es
zutreffen, daß wir wichtigere Dinge zu erörtern hätten,
daß »Alt-Frankreich« und »Alt-England« zur Zeit für
uns gar nicht in Betracht kommen, so dürfen wir doch
nicht vergessen, daß wieder eine Zeit kommen wird, da
unsere Maschinen etwas anderes zu tun haben werden als
Kriegsmaterial zu fertigen. Mir will scheinen, daß es
fast als unverständlich bezeichnet werden müßte, gerade
ausgesprochen während der Kriegszeit, da alle Nerven,
Gefühle und Kräfte auf Mechanik, Konstruktion, Dyna-
mik, Physik und Chemie bis in die letzten Ausläufer ein-
gestellt sind, in erhöhtem Maße die Stilkunst, namentlich
die des 18. Jahrhunderts aufblühen zu lassen. Und wie
schön waren wir doch dabei, einigen Riesendampfern im
Nachfühlen ihres Gestaltungsgesetzes und ihrer Aufgabe-
erfüllung die für Lebensbeherbergung und Gastlichkeit
mitklingend eingerichteten Raumeinrichtungen zu schaf-
fen. Hier wurden Körper und Seele, Gehäuse und Ein-
richtung zu einer Einheit. Leider muß man auch davon

heute schon wieder sagen: »Es war einmal«,--der

Neudeutsche, der Mut- und Kraftdeutsche beginnt wieder
»geschichtlich« und »grüblerisch« zu werden; was außer-
halb des großen Kampfes steht, fängt an zu krebsen.

Mögen vor zehn Jahren gegen die Neuströmung in der
Baukunst und ihrer Raumkunst noch so viele, ja auch

zum Teil berechtigte Vorwürfe erhoben worden sein,
gegen eins müssen wir die Zeugen von Darmstadt und
Dresden, Wien und Berlin doch in Schutz nehmen: gegen
den der Uneinheitlichkeit, des Widerspruchs zwischen
Schale und Kern, denn sie hatten durchaus die Vorzüge
— gewiß auch Schwächen — zeitgeschichtlich festge-
legter Werte. Wer irgendwie kunst- und kulturgeschicht-
lich beschlagen ist, wird zugeben müssen, daß durch alle
Entwicklungsgänge hindurch, vom Altertum herauf bis
zur Biedermeierzeit, ein wirklich inniger Zusammenhang
zwischen der Arbeit des Baukünstlers und den Arbeiten
der Handwerker und Kunstgewerbler, oder sage ich
Künstler, bestanden hat — ohne daß nun gerade der
Baukünstler für diese Mitarbeiter und Mithelfer nötig ge-
habt hätte, jede Türklinke und jedes Möbel zu entwerfen.
Und doch war ein gotisches Patrizierhaus eine künst-
lerische und zeitliche Einheit vom Keller bis zur Giebel-
spitze, und ebenso ein Kaufmannshaus des 16. Jahrhun-
derts, oder ein kirchlicher Fürstensitz des 18. Jahrhunderts
ein in sich geschlossenes Renaissance- bezw. Rokoko-
werk. Wir waren ebenfalls nahe daran, uns diese Wer-
tung zu sichern, wenn nicht wieder einige Auslandprotzen
und in Einrichtung und Wohnhausbau machende Groß-
unternehmer im Anschluß an ministerielle Stilbauten die
Deichsel des Kunstkarrens auf rückwärts gestellt hätten.
Hat uns doch selbst die »Werkbund-Ausstellung Cöln
1914« daran starke Erinnerungen hinterlassen. Heute
erleben wir weiter ein Nach-Barock, ein Nach-Rokoko

191IS vi. 1.
 
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