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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Kapralik, Eduard: Der Mode-Laden der "Wiener Werkstätte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0368

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INNEN-DEKORATION

DER MODE-LADEN DER »WIENER WERKSTÄTTE«

Das neue Heim, das die »Wiener Werkstätte« in der
Kärtnerstraße 41 für ihre Modeabteilung eingerichtet
hat, darf als Wahrzeichen gewertet werden; es gibt augen-
fällig kund, daß die künstlerische Wiedergeburt des
Handwerks in Osterreich, die an der Neige des vorigen
Jahrhunderts einsetzte, in Erfüllung gegangen ist.

Der Passant sieht im niederen Erdgeschoß des fürst-
lich Esterhazyschen Palais zwei schlicht in die glatt
rustizierte weiße Mörtelwand eingeschnittene schmale
Auslagfenster mit einer Ausgangstür dazwischen, die über
sich bis zur Fensterhöhe noch ein Feld für die in strenger
Antiqua auf die bloße Mauer hingesetzte schwarze Fir-
meninschrift freigelassen hat. Den oberen Abschluß bildet
die Mauerleiste, auf die sich die kleinen Konsolen der
Fenster des ersten Stockwerks stützen. So ist das Laden-
bild mit den sparsamsten Mitteln in ein wohltuendes
architektonisches Gleichgewicht gebracht, ohne daß die
Würde der Hausfassade auch nur im geringsten ange-
tastet worden wäre. Die Intimität des richtigen Geschäfts-
ladens, der aus der alten Handwerkerstube hervorging,
ist darin. Das hat nichts mit den vielen anspruchsvollen
Geschäftsportalen gemein, auch nicht mit den raffinierten,
kostbaren Marmoreleganzen, die hier vorkommen, und

steht dennoch konkurrenzlos überlegen da. In den voll-
ständig ausgenützten, tief herabreichenden Fenstern mit
den wenigen delikaten Auslagestücken ist kein toter
Raum übrig. Innen schließen weiße Tüllgardinen im Bogen
ab, die von den Ringen einer elliptisch geschweiften
schwarzen Eisenstange frei herabfließen, und zurückge-
schoben den Einblick und Zutritt eröffnen. Den Ver-
kaufsraum beherrscht als Zierelement eine bunte Tapete
mit großen Blumenranken, die sich über Wände, Decke,
Beleuchtungsschirme und das Innere der Auslagen breitet,
und zu den Glastüren der eingebauten Schränke heraus-
blickt. Ein dreifach abgestuftes, kanneliertes Kehlgesims
aus schwarzlackiertem Holz, sowie das übrige feine
schwarze Rahmenwerk gliedern den anmutig vornehmen
Raum, dessen Boden mit einem ruhigen schwarzgrauen
Teppich bespannt ist. —

Von hier führt eine Wendeltreppe, die bereits vor-
handen war, in den ersten Stock, in einen großen hoch-
adeligen Barocksalon, der mit seiner von zarten Goldlinien
eingerahmten braunen Täfelung und dem dunklen Marmor-
kamin unverändert geblieben ist. Die modernen ziegel-
roten Polsterstühle, sowie die übrigen neuen Gegenstände
fügen sich ganz ebenbürtig in die alte Solennität. Dieser
 
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