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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Organisation der Tat und des Geistes; [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0454

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418

INNEN-DEKORATION

reinen Klarheit, der eindeutigen Folgerichtigkeit wissen-
schaftlicher Forschungen romanischer Denker zu folgen.
Wie bedrängend auch die Fülle des Stoffes sein mag, der
Eindruck, daß dieser Stoff infolge romanischer Geistes-
arbeit und Art in der übersichtlichen Klarheit eines sinn-
vollen Aufbaues vor dem Blick des Schauenden ausge-
breitet liege, dieses Eindrucks wird sich keiner, der roma-
nische Forschungsweise kennt, entschlagen können.

In der Kunst ist es nicht anders. Wer mit gedank-
lichen Erwägungen an die Kunst herantritt, muß der ro-
manischen Art verfallen. Die maßlose Uberschätzung,
die während langer Zeiträume der Kunst der italienischen
Renaissance zuteil wurde, ist der beste Beweis. Wie
einleuchtend einfach auch sind die Werke der italienischen
Renaissance gegenüber gleichzeitigen deutschen Schöp-
fungen. Schon daß man in dieser Zeit der höchsten
Kunstentfaltung Italiens in der Malerei das Gesetz des
Aufbaues und der Gliederung der Bildtafel sich in den
einfachsten Formen planimetrischer Gebilde sich er-
schöpfen läßt, im gleichschenkligen und gleichseitigen
Dreieck, im Kreise, in der steten Gleichartigkeit einer
betonten, senkrechten Mittelachse, gibt zu denken. Denn
darin liegt der Beweis, daß auf Grund eines leicht faß-
baren Gedankens die freie Schöpfung der Phantasie und
die lebendige Beziehung zu dem unausschöpfbaren Reich-
tum der Wirklichkeitsformen in das beengende Kleid
gedanklicher Erwägungen eingezwängt worden ist.

Und zeigt nicht die wissenschaftliche Forschungsart
der romanischen Rasse das gleiche Schema? Auch hier
wird die Klarheit gewonnen, auf Grund eines ähnlichen

Denkvorganges. Denn allzu oft wird offenbar, daß die
bedrängende Fülle des Stoffes nur deshalb gemeistert
wird, weil alles, was über das bestimmte, vorgefaßte
Darstellungsgesetz hinausgeht, mit kühner Hand der
Untersuchung vorbehalten wird. Der Stoff wird, mit
anderen Worten gesprochen, seiner lebendigen, trieb-
haften Frische beraubt, seine Keime und Schößlinge
werden erbarmungslos vernichtet, sofern sie die Klarheit
des Aufbaues beeinträchtigen. Mit romanischer Über-
treibung könnte man sagen, daß diese Art gewissermaßen
das Gegenteil geistiger Organisation bedeute, inso-
fern, als der Geist sich nicht Organe schafft, Werkzeuge,
die durch innere Kräfte einen lebendigen Organismus er-
zeugen, sondern vielmehr Instrumente, nur durch äußere
Kräfte in Bewegung gesetzte Werkzeuge, deren Ziel die
kristallinische Klarheit der Formung ist. Die inneren
Gründe, weshalb die romanische Art sich der lebendigen
Wirkung und Gegenwirkung des Wirklichen zu entziehen
trachtet, mögen in dem Überschuß an Gefühl und Leiden-
schaftlichkeit verankert sein; daß die Raschheit und daß
die ausbrechende Gewalt des gefühlsmäßigen Wollens
sich triebhaft in der einfachen Herbheit gedanklich faß-
barer Gesetzmäßigkeiten ein Gegengewicht schaffen will,
scheint die grundlegende Regung romanischer Denkart
und Formkraft zu sein. — Würde man, von dieser seeli-
schen Grundstimmung ausgehend, die romanische Fähig-
keit der Organisation der Tat ableiten, so würde offenbar,
daß auch in der Organisation menschlicher Gemein-
schaften die Einfachheit der Gestaltung die mangelnde
Wechselwirkung der Individuen ersetzen muß. (Schluß s.427)

RUDOLF SOMMERHUBER —STEYR (OBER-ÖSTERR.)
»DEKORATIVE KERAMIK FÜR EINEN KACHELOFEN«
 
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