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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Vietze, Alfred: Landhaus und Landschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0023

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täglichen Äußerungen des Wohnprinzips. Es findet
also weder nur ein Bauen von außen her, noch von
innen hinaus statt, sondern beides gemeinsam.

Alle Möglichkeiten, mit der Natur in unmittelbare
Berührung zu treten, sollen, eine eingehende Planung
vorausgesetzt, erschöpft werden. Dem ist nicht allein
im Aufreißen der Wände, wo es nur irgendwie mög-
lich ist, ein Ziel gesetzt. Es macht sich auch bemerk-
bar in einer mehr ungekünstelten Verarbeitung der
gewählten Baustoffe, wie es in Innenräumen eines
Landhauses ohne weiteres sichtbar ist. Eine Wand-
verkleidung mit fast rohen Brettern etwa (um ein Bei-
spiel anzuführen, ohne eine Norm aufstellen zu wol-
len) gibt den Wunsch nach ländlicher Vereinfachung
wieder. Selbst ein Nebeneinander von Kamin und
Heizkörper beweist nichts anderes als die Behaup-
tung, daß der Weg zum Landhaus über die Stadt
führt. Solche Unlogik entwickelt sich aus dem Teil
Romantik heraus, den wir nicht beseitigen möchten
und der ein Bestandteil unsrer Erholung ist.

Das Landhaus trägt, wie schon bemerkt, die Ge-
wohnheiten des Stadtbewohners mit in seinen Mauern.
Diese Feststellung müßte eigentlich der Bodenstän-

1935. I. 1

digkeit eines derartigen Bauwerkes Abbruch tun. Es
geschieht dies auch, wenn »Bodenständigkeit« im üb-
lichen Sinne aus dem Begriff des Althergebrachten
heraus entwickelt ist. Die Bodenständigkeit ist aber,
beruhend auf dem mehrfachen optischen Eindruck,
eine Frage der Gewohnheit. Die alten Handwerker-
Künstler haben nicht vom Standpunkt der Boden-
ständigkeit aus gebaut. Da sie sich vielfach wieder-
holten und so den Stil schufen, wurden ihre Bau-
werke zu dem, was sie heute sind, zu Unterlagen einer
Wissenschaft, die sich mit Bodenständigkeit befaßt.

Auch das Landhaus einer schöpferischen Kraft
entgeht dem erwünschten Schicksal nicht, bodenstän-
dig-stilbildend zu werden. Denn vor allem steht der
Grundsatz, daß der Mensch, ob er will oder nicht,
seine Umwelt so formt, wie sie seinem Leben und
seiner Geistesverfassung entspricht. Es fragt sich nur,
ob sich dies in einer Geschmacksverirrung, in einer
Alltäglichkeit oder in einer Eigenheit äußert. Es
dürfte nicht wenige geben, die letzteres vorziehen,
zumal nichts so sehr zur Nachahmung reizt und da-
mit zur Stilbildung führt (zu der die Eklektiker nicht
wenig beitragen) wie die Eigenart. — ALFRED VIETZE
 
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