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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Über die Romantik des Sachlichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0163

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INNEN-DEKORATION

151

ARCH. J. GROAO
SITZ-ECKE IM
WOHNRAUM DER
WOHNUNG DR. ST.

ÜBER DIE ROMANTIK DES SACHLICHEN

Nichts, was eine Epoche aus innerer Nötigung ge-
staltet, entsteht einem Zweck zuliebe. Hinter-
gründige, dem Mitlebenden zumeist dunkle Beweg-
gründe sind es vielmehr, die das Gesicht der Zeiten
verändern. Wir sind uns heute dessen bewußt, daß,
was wir in vergangenen Jahren Sachlichkeit nannten,
den Beginn einer neuen Romantik darstellt, einer
Romantik, die aus antikischen Quellen schöpft; aber
welche Verwirrung hat dieses Modewort »Sachlich-
keit« angerichtet, wie rasch und gerne einverstanden
war die platte Vernunft mit der Forderung nach dem
rein Zweckhaften! Und welcher Mangel an Phantasie
sprach aus solchem Irrtum! Glaube doch niemand,
daß es den Menschen ums Praktische zu tun ist. Der
neue Baustil war nichts anderes als der erste Wider-
stand gegen die immer dumpfer werdende Stadtkultur,
er war eine Kampfansage gegen allen veralteten
Stadtbegriff, war der Wunsch nach heiteren Himmeln,
nach Luft und Sonne: Romantik.

Der Architekt Groag ist ein Romantiker des
Sachlichen, ein »echt praktischer Schwärmer«, wie
Nestroy sagt, er gehört nicht zu jener Sorte der Neun-

malklugen, die alles aus Theorien ableiten und denen
endlich alles zur Theorie wird. Sehr deutlich hebt
sich seine besondere Art aus der Menge der flinkeren
Mitläufer, denn er geht, wie wenige, seine eigenen
Wege, ruhig, unbeirrbar, mit jener Zähigkeit und
unerschütterlichen Beharrlichkeit, die die Tugend
aller echten Begabung ist. Der stärkste Eindruck, den
seine Bauten und Innenräume vermitteln, ist der des
Harmonischen, Hellen und Freudigen, in seinen Ar-
beiten herrscht überall das musische Element, und
nichts Nüchternes ist in den schlichten Räumen, die
unsere Abbildungen zeigen.

Und was besonders zu vermerken ist: dieser Archi-
tekt weicht dem Pathos, dem Feierlichen nicht aus.
Dazu gehört Mut, aber freilich auch die Kraft zu
überzeugen.

Besonders charakteristisch für Groags Arbeits-
weise ist der Gesellschaftsraum (Abb. S. i54/'i55)>
der seine gleichzeitige Funktion als Wohn- und
Speiseraum aufs trefflichste erfüllt, wobei dem
Architekten die räumlich beschränkte Gegebenheit
einer Mietwohnung zugute zu halten ist. Die Sessel
 
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