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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Michel, Wilhelm: Zum 75. Geburtstag Alexander Koch's
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0392

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man sich seinen erstaunlichen Erfolg erklären will.

Unabsehbar ist der Strom von Ermutigungen und
Anregungen, der von Alexander Kochs Zeitschriften
und seinen zahleichen Einzelwerken über neue Wohn-
kultur ausging. Künstler, Handwerker, Fabrikanten
sahen sich angespornt, das Ausland ward bis in den
fernsten Osten mit dem Ruhm deutscher Arbeit er-
füllt. Nach Millionenbeträgen beziffern sich die Auf-
träge, die durch Alexander Kochs vorbildliche Wer-
bung der deutschen Wirtschaft zugeführt wurden.
Der Welterfolg der deutschen Neuform auf allen Ge-
bieten der Bau- und Gewerbekunst ist zu einem guten
Teile das Werk dieses einen Mannes. Bei der Darm-
städter Künstlerkolonie hat sein Rat Pate gestanden.
Der Ruf Darmstadts als Kunststadt beruht nicht zu-
letzt auf seinen Anregungen und auf seiner Verlags-
tätigkeit. Für den Typ der hochstehenden neuzeit-
lichen Kunstzeitschrift sind die »Innen-Dekoration«
und die »Deutsche Kunst und Dekoration« in der gan-
zen Kulturwelt führend geworden. Der Verbindung
zwischen Auslandsdeutschtum und Heimat haben
diese Zeitschriften in den Jahrzehnten der nationalen
Not wichtige Dienste geleistet. Der von ihm begrün-
dete Künstler-Hilfsfonds hat während des Weltkriegs
manche drückende Not in Künstlerkreisen gelindert.
Zur geschmacklichen Erziehung des deutschen Vol-
kes, zur Verbreitung von Schönheit und Behagen bis
in das bescheidenste Heim haben sie Wesentliches
gewirkt. Aus der Gesamtentwicklung, welche die an-
gewandte Kunst zur willigen Dienerin des »Schönen
Heims für Alle« und zur bildenden Kraft der gewerb-
werblichen Güter-Erzeugung gemacht hat, ist Alex-
ander Kochs Wirksamkeit auf keine Weise wegzu-
denken. Der Lauf der Dinge hat seine Ausgangs-
punkte und sein ganzes Streben umfänglich bestätigt.
In unnachsichtigem Bestehen auf der besten Quali-
tät hat er das große Endergebnis erarbeiten helfen,
daß wir heute die volle Kraft eines gesicherten
Formkönnens in Handwerk und Industrie an
die schlichteste, weiteste und volkstümlichste Auf-
gabe, an das Heim für den deutschen Menschen,
wenden können. Niemals wäre die deutsche Heim-
gestaltung zur Bearbeitung dieser heute gestellten
Aufgabe fähig gewesen, wenn nicht in langer er-
zieherischer Arbeit die Begriffe der guten Form ge-

lockert, die Werkstoffe und Ausdrucksmittel durch-
geprobt, die Handgriffe vereinfacht und aufs Wesent-
liche gebracht worden wären. Namentlich die »Innen-
Dekoration« ist die nie ruhende Werkstatt dieser Ar-
beit gewesen, deren Früchte heute ein ganzes Volk
genießt. Wieder und wieder hat sie die Siedlungswoh-
nung, die »wachsende Wohnung«, das Heim für den
einzelnen erwerbstätigen Menschen, die Einraum-
wohnung, den praktischen Wohnungs-Umbau, den
schlichten Hausrat, das hilfreiche Einzel- und Klein-
möbel behandelt und so die Erfindungsgabe der Heim-
gestalter seit Jahren auf diejenigen Zwecke hin ge-
schult, die uns heute die wichtigsten sind. Sie darf
es ausdrücklich als Verdienst in Anspruch nehmen,
daß sie diese Aufgaben und ihre Lösungen immer in
enger Verbindung mit künstlerischen Spitzenleistun-
gen vorgeführt hat, zum Zeichen, daß für beides der
gleiche Qualitätsanspruch gilt und daß für den
volkstümlichen Wohnbedarf das Beste gerade gut
genug ist.

So wird der Rückblick auf Alexander Kochs Le-
benswerk gerade an seinem 75. Geburtstag, der ihn
in ungebrochener Fortsetzung seiner bisherigen Tätig-
keit sieht, unmittelbar zum Ausblick. Im Lichte der
neuen Aufgaben erhält dieses Lebenswerk und be-
sonders die Arbeit der »Innen-Dekoration« erst die
rechte Krönung.

Die deutsche Lebenserneuerung ist nicht auf das
politische, biologische und volkssittliche Feld be-
schränkt. Sie hat nicht nur soziale und wirtschaft-
liche Aufgaben im Sinne einer neu erfaßten »Lebens-
richtigkeit« gelöst. Sie hat auch dem Bemühen der
Formkräfte und der Kunstkräfte endlich ein sinn-
volles Ziel, einen wirklichen Dienst innerhalb des
Volkslebens gewiesen. Es ist der schönste Lohn für
die in vergangener Zeit geleistete Raumgestaltungs-
arbeit, daß das Rüstzeug, welches sie geschmiedet
hat, die kunsthandwerklichen Kräfte in den Stand
setzt, heute ohne Zögern den Dienst am Aufbau
unsres Volkes aufzunehmen. Noch viel mehr: Es
zeigt sich, daß erst diese neue Aufgabensetzung das
geheime Wollen der bisherigen Arbeit zu seiner von
Anfang an gemeinten Erfüllung bringt: Die Kunst
im Dienste des wirklichen, des sinnvollen, und volks-
gerechten Lebens. wilhelm michel

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