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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Schumann, Paul: Dresdener Ausstellung von Aquarellen, Pastellgemälden und Handzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0019

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Dresdener Aquarellausstellung. von Paul Schumann

beliebten grellen Wirkungen der Oricntnmlcr fernhält.
Noch verdient Ciprianis singende Nonne besondere Hervor-
hebung; von nninntigem Reiz sind Bedinis Kostümfigür-
chen, geistreich aufgefaßt die großen Köpfe Ferragutis;
dazu kommen Tommasi, Tarcnghi, Zvnaro, F. Ethofer,
Sala, und mit einem lebensgroßen tüchtigen Pastcllbildnisse
Lanrenti.

Ter Gegensatz zwischen den Italienerin die in ihrem
imponierenden Können und in den lebhaftesten Farben
förmlich schwelgen, und den Niederländern ist unendlich
groß. Tritt man nahe zu diesen feingestimmten Landschaften,
so möchten einzelne der italienischen bunten Figuren-
bilder fast etwas roh erscheinen, denn von Stimmung
ist bei den wenigsten (Cipriani, Zezzos) die Rede. Der
bedeutendste unter den Niederländern ist Wauters; ein
ungemein vornehm wirkendes Selbstbildnis, das nackte
Mädchen niit dem Spiegel und das Bildnis eines Knaben,
sind allgemein bewunderte Werke, kraftvoll in der Farbe,
tadellos gezeichnet und edel in der Auffassung. Höchst eigen-
artig sind Lavier Mellcrysganz lichtlose Darstellungen aus
dem belgischen Volksleben. Feinsinnige Schilderungen stammen
von S. de Ranitz (Haag), Franz Binjö, Cassiers. Über-
dies sind Maurice Hagemans, Stortenbeker, Roelofs,
Henkes (drei klatschende Frauen), Vos, besonders aber
van der Waay mit seiner so schlicht lebensvoll aufgefaßten
und fein gestimmten Nadiererwerkstatt zu nennen.

Während die bisher genannten Völker so gut wie
gar nicht mit Deckfarbe arbeiten, treffen wir diese Technik
bei den Deutschen mehr verwandt; mit größtem Erfolge
von H. Bartels (München), dessen große Landschaften
von Rügen unter die vornehmsten Stücke der Ausstellung
zu rechnen sind. Die Behauptung, diese Bilder oder
Sindings gemütvolles, prächtiges Waldbild mit spie-
lende» Kindern, seien zu groß, hier ginge die Aquarcll-
knnst über ihre Grenzen hinaus, ist ganz müßig; daß es
gar nicht auf die Technik ankommt, sondern lediglich auf
die Wirkung, davon zeugen z. B. Böcklins Werke, die
allgemein fälschlich für Ölbilder gehalten werden und doch
mit Tcmperafarbcn gemalt sind. Natürlich wird der,
welcher die Geheimnisse der Aqnarellknnst kennt, stets den
Meister bewundern, der ohne jede Spur von Deckfarbe
solche Wunder verrichtet, wie etwa Corelli, indes wenn
man sich dadurch den Genuß au einem großen Aquarell
verderben läßt, daß man aus alter lieber Gewohnheit die
Wasserfarbenmalcrei auf ein bestimmtes enges Gebiet be-
grenze» und genau vorschreibeu will, wo die Ölmalerei
zu beginnen habe, handelt man unzweifelhaft thöricht und
nicht im Sinne unseres Jahrhunderts.

Von den Berlinern sind noch A. v. Werner (der
rote Prinz), Meycrheim (ein köstlich gemalter Kuhstall und
eine Schmiede), Hans Herrmann (Fleischhalle, Milchmarkt),
Skarbina, Fehr, beide Hausmann, Hellqvist, Dammeier,
Hcnseler, Breitbach, Bombach und Paul Mohn zu nennen.
Namentlich sind letztere beide mit einer Fülle der schönsten
Landschaften vertreten. Müller-Koburg hat in Spanien
die reizvollen Farbenwirknngen des Südens mit offenen
Augen studiert und in mannigfachen, glänzenden Proben
wicdergcgeben.

Mehr als den vierten Teil der Ausstellung nehmen
die Düsseldorfer ein; sie haben weniger in Gvldrahmen
gewüstet, dafür aber namentlich eine Fülle von prächtigen
Studien, Skizzen und Zeichnungen gesandt, deren Be-
trachtung großen Genuß gewährt. Da sind Aquarell-
Landschaften (in gemischter Manier) von A. Achenbach,
die sich von seinen Ölgemälden wenig unterscheiden, dann
Gebhardts schon mehrfach besprochene Cartons für Loccum,
kraftvolle Zeichnungen nach der Natur von Kampf und
von Kaempffer; von letzterem auch ein reizendes Bildchen,
betitelt ein Hänschen Glück, vorzügliche Akte u. a. von
A. Frenz, dann Dückers bewunderungswürdige Natur-
studien, und Jrmers flotte Skizzen, zwei reizvolle Wald-
bilder von Deiters, die köstlichen Tierstudien von Kröner
und Jutz, das ergreifende Begräbnis bei Regenwetter von
Petersen, die farbenprächtigen Architekturen von Schill
und Seel, Nocholls fein empfundene Blätter, betitelt Wald-
einsamkeit, dann ein halbes Hundert Blätter mannigfaltigster
Art von Karl Gehrts, die eine vielseitige, fruchtbare
Phantasie und große, technische Tüchtigkeit offenbaren, G.
v. Bochmanns Pikante Zeichnungen, endlich ansehnliche
Werke von W. Sohn, Hiddemann, Baur, von Krafft,
Willroider, Schwabe, Rcthcl ff und Altmeister Bendemann.

Aus Karlsruhe ist fast nur Gutes gekommen ; das
Dutzend Mannen aus badischem Lande tritt sehr achtung-
gebietend auf. Wir können nur auf Schöulebers köstliche
kleine Tüncnlandschaft und ein paar Seebildchen, auf die
vielbewunderten 36 Aquarelle (von Bayern bis Tunis)
von Krabbes und auf Kallmorgens Zeichnungen Hinweisen.
Tie bedeutendsten Leistungen aus München sind außer
den genannten: Hugo Kanfsmanns Aufi und Obi, Speyers
Unser Volk in Waffen, Bilder von Treidler, Rettich,
Ditschciner, Wertheimer (2 Nieter hohes Pastell: Löwcn-
fütternng). Tie Dresdener finden sich natürlich sehr zahl-
reich. Hervorgehoben werden dürfen Erwin Oehme, der
sich sowohl in der idealen als in der realen Richtung
als Meister erweist, ein reizender Stndienkopf von Kies;l ing
in Pastell, ein hervorragend schönes Aquarellbildnis von
Karl Bantzer, eine stimmungsvolle Frühlingslandschaft von
Wilhelm Ritter, ein Architekturstück von Max Fritz, ferner
Claudius, Hübner, Nentzsch, Scholz, Stichart, Täger und
Woltze. Mangel an Raum verhindert uns, eingehender zu
sein; haben wir doch ohnehin die kleineren deutschen Kunststättcn
und auch sonst manches Tüchtige leider übergehen müssen.

Blau gewinnt aus der Ausstellung die Überzeugung,
daß es mit der deutschen Kunst aufwärts geht, daß
namentlich in den Händen des jüngeren Geschlechts die
Werkzeuge der Kunst nicht rosten, daß das erneute und
vertiefte Natnrstudinm noch herrliche Früchte tragen werde.
Besonders aber haben wir Dresdener Grund, uns über
das Gelingen der Ausstellung zu freuen. Liefert sie doch
namentlich, wenn wir bedenken, welche Hindernisse mau
dem Plane hier in den Weg gelegt hat, den Beweis, daß
noch genug frisches Borwärtsstrebcn und Thatkraft in der
Dresdener Künstlerschaft vorhanden ist, um uns i» der
Hoffnung auf tüchtige Weitercntwickelung des hiesigen
Kunstlebcns zu stärken.

Dresden im September
 
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