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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Unsre Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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Unsere Bilder, vorn Herausgeber — Personal- und Ateliernachrichten

ausgesprochen, daß man wohl fragen darf, bei welcher
anderen Nation denn dergleichen heutzutage zu finden
wäre, wo der herrschende Impressionismus selbst Fran-
zosen und Engländer um Phantasie und Humor mehr und
mehr zu bringen droht, die man freilich nicht im »plein
air« der Straße oder Gosse findet. All diese bestehenden
Eigenschaften des Künstlers findet man noch gesteigert
wieder in der reizenden Adresse des Künstlervereins „Mal-
kasten" zu des Fürsten Bismarck 70. Gebnrtsfest, wohl
der geistreichsten und künstlerisch wertvollsten, die er
überhaupt erhalten hat. Ans einem Malkasten steigt da
eine Schar lieblicher Knaben als Repräsentanten aller
Künste empor, um das Wappen des Gesegneten zu krönen.
Das ist aber mit geradezu unübertrefflichem Humor und
Grazie gegeben, so daß seit Schwind schwerlich Ähnliches
gelungen ist. Wie denn Gehrts bei gleichem rythmischen
Sinn wie dieser noch weit mehr Gefühl für das Per-
spektivische der Form, für die plastische Abrundung und
Verbindung der Gruppen und ganz besonders für die
wirksame Anordnung der Licht- und Schattenmassen so-
wie malerische Kontraste aller Art vor ihm voraus hat.

Ein anderer Düsseldorfer, Oed er, erfreut uns heute
mit einer köstlichen „Herbstlandschaft", die bei aller Natür-
lichkeit, ja selbst bei der Armut der weiten Ebene, doch
eine so ergreifende Stimmung, solche Harmonie aller ein-
zelnen Teile mit dem Ganzen zeigt, daß hier von eigent-
lichem Naturalismus gar nicht die Rede sein kann, so sehr
trägt das Ganze das Gepräge tief poetischer Empfin-
dung und feinen künstlerischen Geschmacks.

Daß die italienische Malerei nach der Seite der
heimischen Sittenschilderung entschiedene Fortschritte macht,
ja seit Jahrhunderten fortwährender Nachahmung erst
wieder gesundet, das zeigt uns des Bolognesers Savini
dem Leben der höheren italienischen Klassen im siebzehnten
Jahrhundert entnommenes Bild- Sicherlich kein Kunst-
werk ersten Ranges und nicht frei von etwas gar zu
theatralischer d. h. auf den Zuschauer berechneter Anord-
nung, zeigen doch die einzelnen um den singenden „Spaß-
macher" versammelten Personen eine teilweise vortreffliche,
fast immer wenigstens in der Bewegung natürliche Cha-
rakteristik. Besonders gut ist der am Kamin stehende, etwas
verlebte Herr des Hauses, der sich nichts vergeben will,
und auch die Damen, unter denen sich der Landessitte
gemäß kein einziges junges Mädchen, aber mehrere sehr
erfahrene Frauen befinden, sind gut geschildert. Jeden-
falls ist die italienische Kunst hier auf einem sehr viel
gesunderen Wege, indem sie die jüngste nationale Ver-
gangenheit schildert, als wenn sie wie früher die Welt
durch unmäßig gespreizte römische und griechische Helden,
oder gipsene Corinnen und Sapphos frösteln machte.

Personal- und Mrliernachrichten

vva Am 5. Dezember ist in Nürnberg der begabte Historien-
maler Karl Jäger im besten Mannesalter gestorben. Im Jahre
1838 geboren, empfing er seine künstlerische Ausbildung in seiner
Vaterstadt Nürnberg unter Reindel und Kreling an derselben
Kunstschule, der er später die letzte Hälfte seines Lebens hindurch
als Professor sein reiches Lehrtalent gewidmet hat. Seine Haupt-
werke gehören der Historienmalerei an, so „die Blüte Nürnbergs"
und „Dürers Geburt" an Pirkheimers und Dürers Haus in
Nürnberg, daneben aber war er auch ein erfindungsreicher
Illustrator, dem die „Schillergalerie", „das Lied von der Glocke"
u. a. ni. der Bruckmann'schen Verlagsanstalt ihren künstlerischen
Schmuck verdanken und hat sich außerdem durch seine im gleichen
Verlage erschienenen, außerordentlich verbreiteten historischen

los

Porträts, besonders die von Goethe, Schiller, Lessing in allen
Weltteilen ungezählte Freunde erworben.

ZI Michael MunkLcsy beschäftigt sich eifrig mit den Ent-
würfen für das Deckengemälde im Wiener natnrhistorischen Hof-
museum, mit dessen Ausführung ihn der Kaiser betraut hat,
nachdem Makart im Werke gestorben war. MunkLcsy beabsichtigt,
„die Natur als Mutier und Förderin aller Kunst" darzustellen,
und es ist wahrscheinlich, daß er eine ausgeführte Skizze zur
Wiener internationalen Kunstausstellung sendet. Die Wiener
Künstler und selbst seine vaterländischen Kollegen muten dem
ungarischen Meister, dessen Knnstgeheimnis bislang seine Ur-
wüchsigkeit war, die Bezwingung dieser parabolischen, Geist
fordernden Aufgabe nicht zu.

O. V. Berlin. Franz von Lenbach hat eine Anzahl
von über 30 seiner Porträts gegenwärtig in Schultes Kunst-
handlung, Unter den Linden, ausgestellt. Diese hier zum ersten
Male öffentlich ausgestellten Arbeiten sind sämmtlich Privat-
besitz des Künstlers und von ihm ursprünglich, unabhängig von
den Wünschen der Besteller, nur nach seinem eigensten künst-
lerischen Bedürfniß geschaffen. Seine Freunde und schöne Frauen,
die ihm im Leben nahe standen, vor allem aber eine Reihe der
größten unserer Zeitgenossen treten uns hier in Bildnissen ent-
gegen, die nicht das anspruchsvolle Repräsentationsporträt, sondern
meist nur einen unbefangenen, dem Künstler besonders lieb ge-
wordenen Ausdruck des inneren Lebens wiedergeben sollen. Ge-
schmeichelt in der landläufigen Manier unserer heutigen Porträt-
maler« ist wohl keinem dieser Männer und Frauen. Aber die
die Größe der Charaktere und der Liebreiz dieser Frauen kommt
in diesen intimsten Schilderungen, die hier wie die Blätter aus
dem Tagebuche eines Freundes zum ersten Male vor uns auf-
geschlagen werden, mit der überzeugendsten Wahrheit zum Aus-
druck. Manche der nur flüchtig hingeworfenen Skizzen übertrifft
in dieser Beziehung Lenbachs ausgeführte Gemälde. Ein großer Teil
der Werke ist kürzlich von der Verlagsanstalt sür Kunst und Wissen-
schaft in München in dem Werke „Franz v. Lenbachs zeitge-
nössische Bildnisse" in meisterhaften Heliogravüren herausge-
geben worden. Unter den Werken, deren privater Charakter eine solche
Veröffentlichung nicht geeignet erscheinen ließ, erregen das größte
Aussehen zwei Porträts des Grafen Moltke. Der Maler, welcher seit
seiner Vermählung mit der Nichte deS Grafen, diesen vielfach im
engsten Familienkreise zu sehen Gelegenheit hatte, hat ihn ohne die
wohlbekannte kurz geschorene Perücke mit völlig kahlem Kopfe gemalt.
Ter Anblick ist so ungeahnt, daß nur Wenige den greisen Feldherrn
sofort erkennen werden. Doch wenn wir das Ungewohnte dieser
Erscheinung überwunden haben, tritt uns in diesen Bildern die
geistige Bedeutung des Mannes in wahrhaft monumentaler Wir-
kung entgegen. Unter den Frauenbildnissen befinden sich Köpfe
von berückender Schönheit des Ausdrucks, aber auch wieder
anders, welche von Neuem beweisen, wie gefährlich es ist, einen Men-
schenkenner von dieser unerbittlichen Wahrheitsliebe in den geheimsten
Tiefen des Herzens lesen zu lassen. Die ganze Sammlung wird vor-
aussichtlich demnächst auch in den Ausstellungsräumen derselben
Kunsthandlung in Düsseldorf und Köln zur Ausstellung gelangen.

* In der diesjährigen Hauptversammlung der Dresdener
Kunstgenossenschaft wurden in den Vorstand wieder gewählt
Prof. Hultzsch (Vorsitzender), Maler Fritz (Schatzmeister), neu
gewählt Prof. Arndt (ist kürzlich aus Weimar nach Dresden
gezogen), Bildhauer Nassau. Diese Wahl bedeutet einen voll-
ständigen Sieg der fortschrittlichen Partei der Kunstgenossenschaft,
die nicht mehr bloß „harmlose Feste" feiern, sondern eine wirk-
liche Dresdener Kunst neu begründen will. In der Sitzung ging
es ziemlich heftig zu!

vm Berlin. Professor Julius Franz ist am 16. Dezember
verstorben. Im Jahre 1824 geboren, blieb er den Traditionen
Wichmanns, dessen Schüler, und Rauchs, dessen Gehilfe er ge-
wesen, bis zur Gegenwart treu. Eine erstaunlich reiche Zahl
von Bildwerken aller Art, Genre- und allegorischen Figuren in
und um Berlin legen von seiner Begabung und seinem Fleiße
Zeugnis ab. Die bekanntesten derselben und zugleich bedeutendsten
seiner letzten Zeit dürften dort die nach den Entwürfen seines
Lehrers Ferd. Aug. Fischer ausgeführten Marmorgruppen
„Preußen" und „Hannover" auf dem Belle-Allianceplatz sein.

* Professor Johannes Schilling in Dresden hat soeben
eine Büste des Altmeisters Julius Hahn el beendet, welche ihn auf
der alten Höhe seiner Kunst zeigt. Sie ist außerordentlich lebens-
voll und zeigt die geist- nnd charaktervollen Züge Hähnels über-
aus ähnlich und in feinster Durcharbeitung. Schilling hat sich und
dem Dargestellten durch diese Büste ein schönes Denkmal gesetzt. Wie
wir hören, hat anderseits Hähnel eine Büste Schillings geschaffen

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