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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Heilbut, Emil: Über die Kunst in England, [4]
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Franz Lenbachs zeitgenössische Bildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0116

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8-s

Über die Kunst in England. Don kserman kselferich — Franz Lenbachs zeitgenössische Bildnisse

wenn man so viele Aquarelle sieht einiger schneidiger
Wirkungen, einiger Säle mit großen Ölbildern, wenn
sie auch schlecht sind, zum Gegengewicht. Darum haben
es die Aquarelle besser, welche ein Annex zur Ölge-
mälde-Ausstellung der Academy sind, wenn gleich sic
villeicht, wie die eingehenden Beurteiler sagen, nicht so
gut sind, wie die Aquarelle in den Spezialausstellungen.
Ich nenne hier als besonders zart »s. cvarm eveninZ«
von George Marks, gut ist auch ein früher Morgen
in Berwik, von Laing, und — ein räudiges Schaf —
ein Pastell unter Aquarellen: c>n Lumdcken Ilill von Frl.
Montalba. Das „Hospital" von Henry de Shepard
ist ein meisterhaftes Interieur, Maud Naftel malt die
Dünen gut, ein lebensgroßes Damenporträt ist von Nord-
gren, eine vortreffliche Lämmerweide zeigt Farquhardson
in seinem Winter Fare, die Landschaft aus Cheshire von
L. Leslie Brooke wirkt wie ein kleiner echter Dau-
bigny in Aquarell, und der „Othello" von Frank
Dicksee ist ein Bravourstück in Aquarell zu Dingen, zu
denen man die Öltechnik nehmen sollte. Im ganzen,
kann man sagen, sehen die Abbildungen in den illustrierten
Katalogen malerischer und sprechender aus als die Aqua-
relle selbst, und zweitens wird die gute Wirkung manches
einzelnen getötet durch die Nachbarschaft mit so vielen
Bildchen überhaupt, — und mit so viel Dilettantenware
im besonderen.

Diese Dilettanten bilden eine fürchterliche Macht in
England, man kann sie nicht vergleichen mit den Dilettanten
bei uns und in den übrigen Ländern. Die englischen
Dilettanten können durchschnittlich etwas mehr als unsere
Dilettanten, aber welche Menge gibt es von ihnen, sie
machen den kleinen Vorzug ihrer etwas besseren Qualität
durch den schlimmen Fehler ihrer viel größeren Quantität
wett, es ist etwas Entsetzliches, ihre Zahl ist Legion. Ihre
Quantität ist zehnmal zehnmal bedeutender als die aller
Dilettanten Europas zusammengenommcn.

Sie rotten sich auch in Zirkel zusammen und veran-
stalten ganze Ausstellungen für sich, sie üben allein die
Gnade, daß sie nicht auch noch Entree dafür nehmen.
Und dennoch muß zugestanden werden, daß diese Dilettanten
günstig für die Urbarmachung des Bodens wirken, sie
füllen ihre Stellung, wenn man diese als Bindeglied
zwischen Publikum und Künstlern auffaßt, sicher zum Nutzen
der Heranbildung des Publikums zur Kunst ans. Und
darum mag ihnen denn manches hingehen. Sie sind eine
Macht, mit der gerechnet werden muß, sie dirigieren den

Geschmack mehr als die Künstler selbst es vermögen, und
je weiter die Künstler sie darum in der Anschauung und
im Geschmacke vorwärtsbringen, desto besser ist es für
das gedeihliche Entwickeln und Fortkommen der Kunst wie
der Künstler. So könnte man ihre Bedeutung mit der
unserer Reserveoffiziere im Frieden vergleichen. Diese
können längst nicht das, was die Offiziere der Linie können,
jedoch durch ihre Private unverdächtige Stellung, durch
ihre Uniformlosigkeit in der Gesellschaft vermögen sie eher
für die Verbreitung des Geistes der Armee zu wirken als
es in unbefangener Weise die Offiziere können, bei denen
man den Beruf, die Anstellung dazu stets vor Augen sieht.
Sie fassen fast alles zunächst verkehrt an, sie müssen sehr
von den Offizieren der Linie zurechtgestutzt werden, aber,
wenn sie den rechten Wink bekommen, sind sie ganz gut.

Ich habe jetzt so warm über die Dilettanten geschrieben,
daß ich mir ein kleines Labsal schon gestatten darf, und
so erzähle ich hier und schließe damit dieses Thema, die
Parabel von dem Maler und dem Amateur mit dem
Untertitel: Hans sei vorsichtig. Ein junger Maler, Hans,
ward zu der Soiree eines vornehmen Herrn eingeladen,
der in den zahlreichen Mußestunden seines Lebens die
Kunst des Radierens als ein ergebener Amateur mit Lust
und Eifer pflegte. Natürlich zeigte man dem Maler, als
einem Sachverständigen den es sicher interessieren würde,
die verschiedenen Ergebnisse der Bemühungen des vor-
nehmen Herrn für die Mußestunden seines Lebens —
sehen Sie mal diese Platte an, sagte der vornehme Herr
und zeigte ihm eine ganz winzige, gezeichnet habe ich nur
vielleicht fünf Minuten an der Platte, aber das Ätzen, wissen
Sie, nahm mir allein ungefähr zwei Jahre. Dies ist der
siebzehnte Zustand der Platte. Der Maler nahm die
Radierung in die Hand und hatte selbstverständlich das
Bedürfnis sich angenehm zu machen, um so mehr, als es
das erstemal war, daß er in der großen Welt Fuß fassen
konnte. Köstlich, sprach er darum und blickte mit ent-
zücktem Gesichtsausdruck auf die Radierung nieder, köstlich;
wie gut ist dieser satte Ton, und wie prächtig und klar
steht diese chinesische Vase gegen den persischen Vorhang-
stoff, — denn so entzifferte er, nach bestmöglicher Forschung,
den Gegenstand der Radierung.

Was Vase, was Vorhangstoff, Herr, zürnte aber der
Amateur, das ist eine Windmühle, sagte er gekränkt, die
gegen einen Abendhimmel abhebt und nie wieder ist der
junge Mann eingeladen worden.

(Ein dritter Brief demnächst)

Franz Lenbachs Zeitgenössische Bildnisse*)

it Menzel, dessen „gesammelte Werke" wir im vorigen
Heft besprochen, und Makart hat Lenbach jeden-
falls die Ähnlichkeit, daß er die eigene Auffassung seiner
Persönlichkeit im Kunstwerk niit jener rücksichtslosen Kühn-
heit zur Geltung bringt, wie ihrer eben nur große Künstler
fähig sind. Daher denn auch das Überzeugende wenigstens
seiner Männerbildnisse, bezüglich derer man schon auf Holbein,
Tizian oder Tintoretto zurückgehen muß, uni ähnlicher Ent-
schlossenheit wieder zu begegnen, welcher die höfische Glätte

Franz Lcnbachz Zeitgenössische Bildnisse, ro Heliogravüren von vr.
E. Albert. Groß Folio. Berlagsanslalt für Kunst n. Wilsenschast in München.
L» Ganzledcrband Ausgabe vor der Schrift I7S M. (nur 2S numerierte Gxpl.)
Ausgabe mit der Schrift 100 M.

späterer Bildnismaler nicht mehr fähig war. An Können
haben ihn ja viele derselben überboten, an durchdringendem
Verständnis bedeutender Männer aber hat ihn unseres
Wissens keiner erreicht. Deshalb sind denn auch seine
Bildnisse eines Kaiser Wilhelm, König Ludwig, Bismarck,
Moltke, Papst Leo Xlll., Gladstone, Döllinger w. :c. in
ihrer Art unübertreffliche Dokumente, gemalte Geschichte
von einer Wahrheit, wie sie selten oder nie so geschrieben
wird. Allerdings gilt das nur von den bedeutenden
Männern, die Lenbach so frappant darstellt, weil sich ihr
innerstes Wesen da mit derselben Energie das Gesicht
formt, wie sie auch dem Künstler zu Gebote steht. Bei
 
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