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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Weihnachtsbücherschau
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73

Weihnachts-Büch er sch au

vom Herausgeber

II.*)

Das Werk Adolf Menzels, mit Text von Max
Jordan und Robert Dohme. 6.—1ö. Lieferung. Voll-

ständig in 3V Lieferungen zu je 20 Mk. München, VerlagS-
anstalt Bruckmann. Unstreitig ist die Möglichkeit des Erscheinens
eines solchen bei uns in Deutschland geradezu einzig dastehenden
Werkes ein überaus wertvolles Zeugnis der seit 1870 so mächtig
gestiegenen Kunstliebe, besonders aber der Anteilnahme, die
allen spezifisch nationalen Künstlern entgegenkommt. Sie
ist aber auch ein Triumph moderner Technik, denn sie
gibt unS den Künstler in einer Unmittelbarkeit und Voll-
kommenheit wieder, wie das eben nur der heutige Licht-
druck vermag, während beispielsweise in Ermangelung
eines ähnlichen Hülfsmittels ein Dürer oder selbst noch
Rembrandt bei der Vervielfältigung ihrer Werke jedesmal
ebenso mit dem schwerfällige» Material, als noch mehr
mit dem Druck zu ringen hatten. Abgesehen davon,
daß sie niemals Zeit fanden, die ungeheure Mehrzahl
ihrer Bilder auch noch zu stechen. Hier aber wird es uns
ermöglicht, den Künstler von seinen ersten Anfängen
zu studieren, bis er auf der Höhe seines Ruhmes steht;
wir sehen sein Ringen, begleiten ihn Stufe für Stufe,
sehen alle seine Triumphe, beobachten die allmähliche
Veränderung seiner Technik wie Auffassung so genau,
als ob wir vor den Originalen ständen. — Freilich muß
man ein Menzel sein, um solchen Aufwand zu recht-
fertigen. Daß wir aber in ihm einen Meister haben,
wie ihn seit Rembrandt keine Nation mehr besessen,
das wird einem gerade vor diesem Werk vollständig
klar, ja es ist das Hauptverdienst desselben, einem
darüber auch nicht den mindesten Zweifel zu lassen.

Worin besteht nun seine Größe? Darin eben, daß es
seit dem ihm so durchaus verwandten Holländer nie
mehr einem Künstler gelang, in seinen Werken so sehr
den in seiner Nation herrschenden Geist, ihr Tempera-
ment, ihre innersten Empfindungen, kurz, ihr ganzes
Wesen zu verkörpern, als Menzel es mit denen des
preußischen Volkes thut. So weit nun aber dieser
preußisch-deutsche Stamm mächtiger in die Geschichte
der Welt eingegriffen hat, als Holland, genau so weit
ist auch Menzels Kunst gegen die des Rembrandt im
Vorteil. Sie ist vorweg unendlich reicher, weil sie
überall die Grundlage eines mächtigen Staatswesens
widerspiegelt, es von seiner ersten Entwicklung inmitten
einer dürftigen Natur, der alles durch unermüdliche
Arbeit erst abgerungen werden inußte, bis zu seiner-
heutigen Weltstellung begleitet und uns dieselbe voll-
kommen erklärlich macht. Ob dies preußische Wesen
unseren Nachbarn gefällt oder nicht gefällt, das ist in
der Thal sehr gleichgültig, nachdem es sich gegen die
ganze Welt behauptet, Deutschland zweimal gerettet,
es endlich in seinem alten Glanze wiederhergestellt hat.

Übrigens ivird man vor unserem Werke bald die Über-
zeugung gewinnen, daß Menzel hinter Rembrandt an eigenartig
malerischem Reize kaum viel zurücksteht, ihm aber in Schilderung
historischer Charaktere mindestens ebenso überlegen ist, als jener
ihm im Kolorit. Ebenso, daß er uns eine Reihe in ihrer Art
klassischer Werke hinterläßt, denen keine Zeit und Nation, welche
von größerer Lebenskraft an die Seite zu setzen hat, was man
auch sonst gegen sie einwenden mag. Man vergleiche da nur
einmal die „Nachtwache" Rembrandts mit Menzels sonst am
wenigsten gelungener Schöpfung, dem Krönungsbild. Dort brave
Philister, über deren Nüchternheit aller Zauber des Lichts und
der Farbe nicht wegtänschen kann, hier ein heldenhafter König,
umgeben von einer Anzahl Männer, über deren gewaltige Be-
deutung man keinen Augenblick im Zweifel bleibt. Man wird
also die ungeheueren Erfolge Preußens nie besser begreifen lernen,
als wenn man dies Werk studiert und die furchtbare Willens-
kraft sieht, die es geschaffen. Denn diese, wie der Scharfblick,
die unbeugsame Ehrlichkeit und Tapferkeit, die mir hier an Menzel
bewunden: lernen, sie sind es ja auch, die den preußischen Staat
groß gemacht haben! Daß die Schönheit dabei nach landläufigen
konventionellen Begriffen oft zu kurz kommt, wer wollte sich da-

rüber wundern, wenn er den spröden und rauhen Boden, das
Menschenmaterial sieht, mit dem diese ungeheuren Erfolge er-
rungen werden konnten. Glaubt man, daß die Römer sich viel
um die Schönheit kümmerten? Oder zeigen Dürer und Rem-
brandt deren mehr, als Menzel?' In der Welt kommt es eben
gar nicht auf sie au, sondern auf die Kraft und Tüchtigkeit ,
ihnen aber hat Menzel ein geradezu einziges Denkmal gesetzt.

wie uns dies Werk in unvergleichlicher Weise zeigt, das deshalb
nirgends fehlen sollte, wo man echt deutsche Art und Kunst hoch-
hält oder zu pflegen berufen ist. — Schwächer ivird Menzel nur,
wenn er den Boden des Vaterlandes verläßt uno in Paris,
München oder. Verona spazieren geht, dabei aber regelmäßig die
Hälfte seiner Überzeugungskraft verliert. Ging das aber Schiller
und Goethe anders? Können sich Tasso und die Jungfrau irgend
mit Faust oder Wallenstein an Naturwahrheit messen? Indes,
wie sie, behält auch Menzel da immer noch Reiz genug, daß zehn
andere davon leben könnten. Wenn aber irgend etwas uns mit
fester Zuversicht auf die Dauer unserer nationalen Größe erfüllen
kann, so ist es, daß wir neben einem Bismarck und Moltke auch
eitlen Menzel, Richard Wagner, Makart, Scheffel und Freytag
also jene glänzende Reihe spezifisch nationaler Künstler hervor-
gebracht haben, die uns ja erst beweisen, daß jene nicht etwa
bloß eine Zufälligkeit waren.

Deutsche Tondichter. Von C. Jäger, mit Text von
Hanslick. In Prachtband 20 Mk. München, Verlagsanstall
für Kunst und Wissenschaft. Die bekannten und längst beliebten
Musikerköpfe Jägers mit biographischen: Text von dem seinen

Geharnischter als Blindekuh, von Adolph Menzel

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*) Teil I s. im vorigen Heft S. SS
Die Aunst für Alle Hl
 
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