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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Lang, Heinrich: In Weißenburg am Nachmittag des 4. August 1870: aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0020

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In weißenburg am Nachmittag des 4. August 1570

Aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers
von Heinrich Lang*)

.... Unter den vielen Toten, ans die wir
stießen, war noch ein interessanter Tnrko, ein riesig
kräftiger, schöner Neger, den ich anfangs für tüttowiert
hielt, so regelmäßige Streifen nnd glänzende Flecken hatte
er im Gesicht; ich zeichnete ihn auch bann ticke als „wilde
Spezialität" aus dein Turkokorps, bis ich erst nachher
entdeckte, ein Schuß durch die Ohren habe einen so eigen-
tümlichen Bluterguß verursacht, daß ich das aus Ohren,
Augen und Nase hervorgequollene nnd nach der Gesichts-
form zusammengeslossene, jetzt natürlich fast getrocknete
Blut für Tättowierung gehalten hatte. Ihn habe ich
wohl von allen Toten, die ich skizzierte, am besten in
der Erinnerung behalten, nicht blos deswegen, weil's
der erste war, sondern weil er in höchst segensreicher
Weise auf mein heutiges Schicksal eingewirkt hat (wie
nachher erzählt werden soll). Uebrigens hatte dieser
Tnrko, so wie alle seine Kameraden, die wir näher
besahen, die feinste Ausstaffierung an Leibwäsche; es
war geradezu ausfallend, in welch' eleganten Shirting-
Hemden diese Söhne der Wüste in die Schlacht zogen,
ganz im Gegensatz zu den Lknsseurs ck'-Vtii<quL, deren
Gebliebene (bei Sedan, freilich fast einen ganzen Monat
später) so ziemlich alle doppelte Woll- oder Flanell-
Hemden trugen. >

Bis wir nach der Stadt hinein kamen, war

*) Wir eiimchmcrl diese Skizze einem demnächst bei der VerlmMnstult
Bruckinann erscheinendem amüsanten Buche, in welchem der bekannte Schlachten-
maler Heinrich Lang seine Erlebnine im Kriege I87«ch7l in Wort und Bild
schildert.

uns schon viel vom Verlauf des Gefechtes erzählt
worden, wie z. B. die zehner Jäger den Graben
und Wall mit größter Bravour zu forcieren versucht,
wie die Artillerie das Thor, respektive die Ketten der
Zugbrücke, zusammen geschdssen, bis man über dieselbe
eindringen konnte, wie die Weißenburger mit sieden-
dem Wasser das 11. oder 5. Regiment angegossen, wie
sie aus den Kellerlncken geschossen, als die Chevaulegers
durch die Straßen gesprengt u. s. w., Wahres und
Falsches durcheinander. Aber Faktum ist, daß daS äußere
Thor schon ordentlich durch Granatschüsse gelitten hatte,
das Zifferblatt der großen Turmuhr nur mehr an einem
Eck festhing, und daß in den paar Straßen, die wir
durchzogen, alle möglichen Scherben und Trümmer um-
herlagen. Hier scheinen zunächst die Bataillone vom
5. und 11. Regiment eingedrungen zu sein, welche zur
8. Brigade (Maillinger) gehörten. Auf einem weiten
Platze (nebenbei gesagt, nahezu grundlosem, aufgeweich-
tem Boden) wurden die sämtlichen Fuhrwerke des kleine»
Trains anfgefahren, die Generalschaisen, die verschiedenen
Justiz-, Theologie- und Medizin-, kurzgenannt die Fakul-
täts-Kutschen, die Gepäckwagen und der große Postfourgvn,
welch letzterer gleich halb versank. Über der Straße
war eine hübsche, große Mühle, die zugleich Badeanstalt
sein mußte (buins ctmucks et kroicks war in großen Lettern
angemalt), an einem Altwasser der Lauter, über welches
ein Brückchen führte; auf dem Dachgiebel hatte sie als
Windfahne einen dicken, mit dem Bogen zielenden Amor.
 
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