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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Norden, J.: Etwas von russischer Kunst und ihren Vertretern, [2]
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Zernin, Eduard: Kaiser Wilhelm als Freund der Künste: ein Gedenkblatt
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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220 Etwas v. russischer Kunst u. ihren Vertretern. vonI.Norden — Kaiser Wilhelm als Freund der Künste, von G. Zernin

Ich bin zu Ende . . Denn über die anderen Zweige der Kunstpflege, wie Kupferstecherei und
Aquarellmalerei, über die Verhältnisse unseres Kunstmarktes, über das soziale Leben unserer Künstler, über
das Ausstellnngswesen, über die Thätigkeit der bedeutenderen Kunstbildungs-Anstalten, die im Laufe der Jahr-
zehnte neben der k. Akademie der Künste erstanden sind und ein gedeihliches Dasein führen, sowie über so
manches andere zu berichten, dürfte zu viel werden. Vielleicht bietet sich hiefür ein anderes Mal Gelegenheit,
wo dann auch mancherlei ergänzt und näher berücksichtigt werden kann, was in diesem Aufsätze nur ganz
flüchtig berührt werden durfte, hoffentlich aber doch nicht so allzuflüchtig, als daß dem Leser nicht der
eine oder der andere Gesichtspunkt zur Beurteilung von Erscheinungen russischen Kunstlebens angedeutet
worden wäre.

Kaiser Wilhelm als Freund der Künste

Lin Gcdenkblatt von Gebbard Zernin

^U^>it dem Kaiser Wilhelm hat die Kunst einen ebenso
aufrichtigen, wie eifrigen Freund und Gönner ver-
loren. Ter Monarch, welcher ein großes Reich beherrschte
und mit musterhafter Pflichttreue seinen vielfachen Berufs-
arbeiten oblag, hat es doch niemals verschmäht, auch die
Kunst in ihren mannigfaltigen Bestrebungen zu fördern, Ivo
sich ihm Gelegenheit hierzu bot. Auch verfehlte er nicht, die
regelmäßigen Kunstausstellungen zu besuchen und auf den-
selben seinen Geist durch Anschauung und Studium der
Schöpfungen der Malerei und Bildhauerei zu bilden, die
Pläne großer Bauwerke zu prüfen und die Leistungen
der Baukunst aufmerksam zu verfolgen, wie er denn auch
ein fleißiger Augen- und Ohrenzeuge dramatischer Dar-
stellungen war und an Opern- wie Konzertaufführungen
persönlich teilnahm.

Noch als achtzigjähriger Greis hat Kaiser Wilhelm
über seine Freude an der Kunst einen sehr schönen Aus-
spruch gethan, welcher ihm sehr zur Ehre gereicht.
Derselbe ist enthalten in einem Erlaffe an den Vorstand
des Künstlervereins „Malkasten" in Düsseldorf vom 8. Sep-
tember 1877, welcher den Dank für die Veranstaltung
eines sinnigen Künstlerfestes znm Ausdruck bringen sollte.
Er hat folgenden Wortlaut: „Ich fand nach des Tages
ernsten Geschäften an der von Düsseldorfs Künstlern der
Erholung geweihten Stätte eine so traulich berührende
Aufnahme, Ich wurde aus den Mühen der Gegenwart
so freundlich in die poetisch verklärte Vergangenheit Deutsch-
lands, insbesondere der Rheinlande, geführt, Ich sah Mich
nach der rauhen Arbeit der dem Schutze des Vaterlandes
gewidmeten Waffenübungen mit Meiner Gemahlin in eine
so sinnig und überraschend geschaffene Märchenpracht ver-
setzt, daß Ich Mich nur schwer von diesem Reich zau-
berischer Gestaltung zu trennen vermochte. Es bleibt Mir
indes der Genuß schöner Erinnerung, und zu der Achtung,
welche Ich der jetzt vorzugsweise in Düsseldorf vertretenen
rheinischen Kunst gern zolle, wird sich, durch das Fest des
Künstlervereins vermittelt, nunmehr in Mir das Band
neuer herzlicher Erkenntlichkeit gesellen."

Zwecks dieser Zeilen ist nun, einen kleinen Beitrag
zu liefern, um den Nachweis der Liebe zur Kunst bei
Kaiser Wilhelm zu führen.

-i-

Man könnte wohl zunächst die Frage aufwerfen,
welche Kunstgattung am meisten Gnade vor den Angen
des Kaisers gefunden habe. Eine genaue Beantwortung
dieser Frage wären wir nicht im stände zu geben, auch
glauben wir kaum, daß irgend ein Künstler oder Kunst-
freund dieselbe mit apodiktischer Gewißheit zu erteilen ver-
möchte. Das Gerechtigkeitsgefühl hatte dem Kaiser die
Überzeugung eingeflößt, daß jede Gattung der Kunst
Vertreter ersten Ranges besitzt, deren jeder das beste
Können eingesetzt hat, um die Stufe höchstmöglicher Voll-
endung zu erreichen. Auch wußte er die Bedeutung jeder
einzelnen Kunst wohl zu würdigen, kannte deren Berech-
tigung und Einfluß genau und wird sich bei der ihm
angeborenen Milde seines Charakters wohl gehütet haben,
dem einen oder dem anderen einen übermäßig großen Vor-
zug einzuräumen. Gleichwohl besaß Kaiser Wilhelm
wie ein jeder Kunstfreund seine eigene Geschmacksrichtung
und Liebhaberei, und da war es ihm keineswegs zu ver-
denken, daß er derselben folgte und, soweit dies ohne
Verletzung der Lebensinteressen der weniger bevorzugten
Künste auging, sich einzelnen Kunstrichtungen mit Vorliebe
zuneigte. Wo wäre denn überhaupt ein Mäcen zu finden,
der es anders gemacht hätte, wollte er sein eigenes Ich
nicht ganz verleugnen?

Nach der von uns gewonnenen Kenntnis von der
künstlerischen Geschmacksrichtung des Kaisers, die wir
verschiedenen Mitteilungen von Unterrichteten verdanken,
glauben wir nun die Ansicht aussprechen zu dürfen, daß
Kaiser Wilhelm weniger die Baukunst, Dichtkunst, Musik
geliebt, als in erster Linie die Bildhauerkunst und Malerei
bevorzugt hat. Wir werden daher hier nur die Bezie-
hungen des Kaisers zu diesen beiden Künsten näher ins
Auge fassen. Welche von denselben den ersten Platz in
seinem Herzen eingenommen, wagen wir nicht zu ent-
scheiden, jedoch neigen wir uns persönlich der Anschauung
zu, daß es die Bildhauerkunst gewesen sei. Nachstehende
Ausführungen mögen die Wahrheit dieses Ausspruchs be-
kräftigen.

S

Es ist eine unbestrittene Thatsache, daß Christian
Rauch, einer der ausgezeichnetsten Bildhauer seiner Zeit,
auf die künstlerische Geschmacksbildung des Kaisers Wil-
helm von größtem Einfluß gewesen ist. Ganz beson-
ders war es das Grabdenkmal der Königin Luise,
das im Mausoleum zu Charlottenburg das Lob des
Meisters mit beredtem Munde preist, welches den Grund
zu solcher Vorliebe für die Bildhauerkunst legte. Rauch
wurde bekanntlich 1811, also ein Jahr nach dem Tode
der Königin Luise, nach Berlin berufen, um unter den
 
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