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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [2]: die deutsche Malerei
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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1888, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0360

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Die Münchener Ausstellungen von (888. von Friedrich Hecht — Der Pariser Salon 1838. Von Vtto Brandes 28Z

Damit wären wir nun, wenn nicht noch Bedeutenderes nachkommt, zu Ende mit der religiösen wie
profanen Historienmalerei der Deutschen. Daß das aber, wie hochachtbar auch immer in den einzelnen
Schöpfungen, im Ganzen doch ein sehr auffallendes Nachlassen des nationalen Geistes, wenn auch weniger der
schaffenden Kraft in unsrer Kunst bedeutet, das ist unmöglich zu verkennen.

Eine Veredelung unsrer idealen Welt ist da ebensowenig herausznlesen; schon deshalb nicht, weil sich
hier zwei grundverschiedene Richtungen vollkommen unversöhnt entgegenstehen, die nationale, welche, obwohl sie
das weitaus wertvollste und eigenartigste gebracht, trotzdem gewiß nicht im Zunehmen begriffen erscheint, und
die mehr oder weniger zopfig kosmopolitische, welche seit einigen Jahren unleugbar außerordentlich an Boden
gewonnen hat, da sie, wenn nicht unseren guten doch um so mehr unseren schlechten Eigenschaften, der Neigung
zu gemütlicher Pfuscherei, dann besonders der wie es scheint unausrottbaren Charakterschwäche und Nachahmnngs-
wut entspricht. Leider ist die ebenso mächtige als vielversprechende „Apotheose Kaiser Wilhelms" von
Ferdinand Keller in Karlsruhe, welche unsere Historienmalerei gar sehr zu verstärken versprach, noch immer
nicht eingetroffen.

Der Pariser Salon 1888

von (vtto Brandes

(Schluß von Seite 266)

a bin ich nun unter die „Stars" des Salons geraten,
und wenn eine „Heumacherin" von Feyen-Perrin
oder von Madame Comerre auch mit vielem Talente ge-
malt sind, wennHaqnettes „Fischerfrauen" auch mit See-
wasser getauft scheinen, so können wir sie doch den eben
zitierten Bildern nicht an die Seite stellen. Bedeutendes
Aussehen erregen auch in diesem Jahre die Bilder eines
Amerikaners Walter Gay, wie denn, was die Fremden
ausgestellt haben, überhaupt weit über das Mittelgut
hinausragt und die Gesamtnote des Salons zu erhöhen
geeignet ist. Gay hat ein Asyl alter Frauen gemalt.
Der etwas gräuliche Ton der Figuren bei ganz aus-
gezeichneter Modellierung, dann aber das lichtdurch-
flutete Gemach erinnern an die Art unsres Landsmannes
Kuehl. Ein Meisterwerk ist aber ein zweites Bild des
Künstlers, die einsame Alte, die ehe sie sich an ihr Mahl
begibt, auf ihrem Schemel sitzend, den Kopf gebeugt,
die Hände auf dem Tische gefaltet, ihr »Leneckicils«
spricht. Die fromme Einfalt, die innere Sammlung ist
in wunderbarer Weise wiedergegeben, und ich glaube
dem Künstler ein Kompliment zu machen, wenn ich sage,
daß sein Bild mich tief gerührt hat und nicht verfehlen
wird, auch auf noch so skeptische Leute Eindruck zu
machen. Das ist immer wieder der Triumph der Wahr-
heit, die allein zu ergreifen vermag.

Den Mann an der Arbeit sucht der Künstler in
allen Verhältnissen auf, aber vornehmlich ist es der ge-
ringe Mann in seinem Ringen um die Existenz, der ihn
interessiert. Wenn in der Reihe dieser Bilder auch nichts
Außerordentliches geleistet ist, so ist doch immer eine ganze
Menge des Schönen vorhanden. Bourgonniers Metall-
guß gehört in die Reihe dieser Arbeiten. Der Künstler
hat sich hier nicht mit einer Reflex-Effekthascherei begnügt.
Mit großer Kraft sind die Torsen dieser modernen Cyklopen
wiedergegeben und ein im Vordergrund stehender, den Form-
sand herbeischaffender Karrenschieber ist eine Leistung
ersten Ranges. Eine „Farbenprobe in einer Färberei"
mit dem prüfenden Meister im vollen Licht von Gilbert
ist eine tüchtige realistische Arbeit, das gleiche ist von
Gueldrys Formerei zu sagen. Auch eine italienische
Schmiede mit ihren primitiven Einrichtungen ist von dem

Die Kunst für Alle UI

Schweden Björk gut beobachtet worden. Eine ganze
Reihe von Schiffer- und Fischerbildern verdienen alle
Aufmerksamkeit. Hag nette und einige Skandinavier ex-
zellieren hierin. Eine sorgfältige Waldstudie verbunden
mit guter Beobachtung des Hantierens der Holzfäller sind
Paul Baudouins „Bucherons". Ein Spezimen der
Arbeit aus den höheren Lebenskreisen ist die Konsultation
im Hospital zu St. Cloud von Dantan, eine Arbeit,
die durch das vollendete Studium des inneren Lichts,
welches durch ein Fenster rechts in den Saal fällt, be-
rechtigtes Aussehen erregt. Das junge Mädchen ist voll
reizender Unruhe, das Gesicht des gut modellierten Kopfes
des Arztes zeigt die gespannteste Aufmerksamkeit. Auch
das Laboratorium vergleichender Anatomie von Gel hayc
ist eine im vollsten wirklichen Lichte gemalte Arbeit.

Noch immer interessiert den Künstler das Kriegs-
handwerk. Auch dieser Salon wimmelt von Soldaten-
und Revanchebildern. Wirklich großes Aufsehen haben
wegen ihrer künstlerischen Vollendung aber nur zwei erregt.
Das eine ist Moreau de Tours' Gemälde, welches einen
Moment aus der Geschichte des 91. Regiments während des
russischen Krieges erzählt. Das Fahnen-Detachement,
welches auf einem Pulverturm aufgestellt war, wird
in die Luft gesprengt. Der Kommandeur sucht am
folgenden Morgen mit seinen auf den Tod ermüdeten
Leuten nach dem Feldzeichen und findet dessen Träger tot
unter einem Hügel von Leichen, das Symbol des Ruhmes
und des Vaterlandes fest an sein Herz gedrückt. Ehr-
furchtsvoll entblößt der Kommandeur vor dem dahin-
gestreckten Helden das Haupt. Über das an technischen
Vorzügen reiche Bild ist eine tiefernst soldatische
Stimmung ausgegossen, und jener letzte Gruß an den
gefallenen Kameraden erscheint nicht als Pose, sondern
als spontanster Ausdruck der Bewunderung. Ein anderes
viel bemerktes Bild ist Detailles, des bedeutendsten
jetzt lebenden Soldaten-Malers: „Traum". Schon graut
der Morgen im fernen Osten. Die Feuer des Lagers
sind am Verlöschen. Noch umfängt tiefer Schlaf die am
Boden hingeslreckten Mannschaften. Dem einen oder dem
andern mag der Traum vielleicht die Bilder der Heimat
vorgankeln, aber die Mehrzahl, so meint Detaille, eines

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