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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Grosse, Julius: Selfmademen, [1]: Genrebilder aus dem Künstlerleben
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Häberlins Fresken im Inselhotel zu Konstanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0309

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2Z8 Selfmademen. Genrebilder aus dem Mnstlerleben.

gestorben, er, der einstige Schützling von Hofdamen,
Künstlern und Gelehrten. Ans seinen Kunstbestrebnngcn
ist nie etwas geworden, nicht, weil es ihm an Begabung
fehlte, nein, weil ihm trotz des glänzendsten Talents sein
Charakter im Wege stand. Schade um solche vergeudete
Kraft. Wir haben ihn christlich und ehrlich begraben.

„Fräulein v. M. ist nach dem traurigen Ausgang
jahrelang tiefsinnig gewesen, dann hat sie ihm ein schönes
Denkmal von Marmor setzen lassen, das heute noch nach
dreißig Jahren gepflegt und bekränzt wird. Eigentlich ist
es rührend — das alte Fräulein hat mit unzerstörbarem
Glauben an ihm gehangen bis zum Ende, und heute noch
— wenn sie zwischen seinen Porzellanmöpsen, Porzellan-
tauben und Papageien sitzt, die ihr Zimmer füllen, weiht
sie seinem Andenken denselben Kultus, wie einem ver-
kannten und verklärten Märtyrer.

„Mag sie — aber Meister Preller hat niemals
wieder ein Talent von der Straße aufgelesen."

Kaum halte der Erzähler geendet, als einer der Zu-
hörer — ein Eisenbahnbeamter — auf einmal laut vor
sich hinlnchte, als wenn irgend eine humoristische Erin-
nerung in ihm aufgestiegen wäre.

„Sie haben recht, so ists auch" — sagte er, noch
immer lachend. „Mir fällt bei diesem mißglückte» Self-
mademan ein anderer ein, der besser zum Ziel gekommen
ist. Und was Sie vom Charakter sagten, trifft vollkommen
zu. Nicht das Talent entscheidet darüber, ob schließlich
die Ausbildung glückt, sondern die Persönlichkeit und Tüch-
tigkeit, die an und für sich'mit dem künstlerischen Können
gar nichts zu thun hat —".

(Fortsetzung folgt)

Däberlins Fresken im Inselhotel
zu Konstanz

6>^ekanntlich ist das alte Dominikanerkloster, welches
auf einer am Ausflüsse des Bodensees befindlichen
Rheininsel stand, in einen Gasthof umgebaut und gut
deutsch „Jnselhotel" getauft worden. Ter infolge einer
wechselvollen Geschichte allmälig da entstandene große Ge-
bäudckomplex hat als seinen Mittelpunkt einen vollkommen
erhaltenen köstlichen Kreuzgang aus der romanisch-gotischen
Übergangszeit. Während nun das Gewölbe nach dem
Garten zu durch Pfeiler und auf doppelten Zwcrgsäulchen
ruhende Spitzbogen getragen wird, bieten die gegenüber-
liegenden Wände den Raum für die Bilder. Diese stellen
die merkwürdigsten Geschichtsmomente der tief in alle
Bewegungen der Zeit verflochtenen Insel dar, die nach-
einander ein Pfahlbauerndorf, römisches Kastell, Kaiserliche
Pfalz, Dominikanerkloster, Kattunfabrik beherbergte, um
jetzt mit einem vielbesuchten Hotel zu endigen. Die Aus-
führung der Bilder hat der ehemalige Piloty-Schüler
Professor Häberlin in Stuttgart übernommen. — Sie
beginnen mit einer Szene aus der Zeit der Pfahlbauern,
die allem nach zuerst eine Ansiedelung auf der Insel
hatten. Ihr folgt die Enthauptung des heil. Pelagius,
des ersten christlichen Märtyrers zur Zeit der römischen
Niederlassung auf der Insel. Tann kommt der heilige
Maximus, erster Bischof von Konstanz im sechsten Jahr-
hundert, wie er die gläubigen Alemannen segnet. Es
folgt auf einem drei Gewölbeflächen einnehmenden Raum

von Julius Grosse — kiäbcrlius Fresken im Jnselhotel zu Aoustauz

der Hofhalt Karls des Großen auf der Insel bei seiner
Reise nach Italien 780, wo er mehrere Regierungsaktc
erließ, so unter auderm den Mönchen von St. Gallen
und der benachbarten Reichenau die Erlaubnis erteilte,
sich ihre Äbte frei zu wählen, ohne an die Zustimmung des
Bischofs von Konstanz gebunden zu sein. Diese Szene
nun behandelt unser Bild, das den Kaiser mit der Kaiserin
auf dem Throne sitzend und die Mönche in Gegenwart
des Hofes empfangend zeigt. Auf beiden Seiten sind
daun Szenen des Hoflebens, Sänger- und Luftfahrten.
Ein weiteres Gemälde stellt den um 1102 auf der zur
Insel führenden Brücke stattgehabten Kampf zwischen den
Anhängern Kaiser Heinrich IV. und den Päpstlichen dar.
Ihm folgt der Maler der noch heute erhaltenen Martyrien
in der Klosterkirche, und das Begräbnis des Chrysoloras,
welcher als Gast des Klosters um 1415 während des
berühmten Konzils starb.

Soweit sind die Malereien jetzt vollendet, es läßr
sich also über ihren Gesamt-Charakter ein Urteil umso
eher fällen, als Häberlin ein viel zu sicherer Zeichner von
ausgeprägter Eigenart ist, als daß er nicht auch alles folgende
im Geiste des" schon Geschaffenen behandeln sollte. Dieses
offenbart nun, wie man sofort sieht, zwei hervorragend
künstlerische Eigenschaften: festes Stilgefühl und eine groß-
artig einfache Formbehandlung, die in ihrer Knappheit
und strengen Beschränkung aus das wesentliche oft an
Alfred Rethel erinnert. Damit verbindet Häberlin aber
doch eine Eleganz des breiten Vortrags, eine Betonung
der stofflichen Kontraste und genaue Kostümkenntnis, welche
der Klassizismus nie, wohl aber die Pilotyschule hat.
Die Bilder sind dabei immer klar und verständig kom-
poniert und alles unnötige Pathos, alle gemalte Phrase
ist vermieden. Auch der fast herbe, männliche Charakter
dieser Malerei, in der keine Spur von Sentimentalität
zu finden, erinnert wiederum an Rethel. Dabei fehlt
es durchaus nicht an ganz eigenartig empfundenen Figuren,
wie auf unserem Bilde schon der Karl zeigt, und einige
der Mönche nicht minder. Sind die Männercharaktere
fast immer scharf und individuell ausgesprochen, so möchte
mau letzteres den Frauen vielleicht ab und zu in höherem
Grade wünschen, obwohl auch hier einzelne Figuren nicht
ohne Lieblichkeit sind. Das Beste bleibt aber immer die
Charakteristik des deutschen Mittelalters überhaupt und
seiner derben Mannhaftigkeit. Daß diese harten Köpfe in
ewigem Streite mit einander liegen mußten, das begreift
man da augenblicklich, wie daß überall Gewalt vor Recht
ging. Ebendeßhalb, besonders aber auch ob ihrer voll-
kommenen Harmonie mit der sie umgebenden Architektur,
kann man diese überdies; sehr hell, fein grau und har-
monisch kolorierten Monumental-Malercien schon zu den
besseren rechnen, die in unserer Zeit ausgeführt wurden.

Wer sollte sich aber nicht darüber freuen, daß unsere
städtischen Verwaltungen nicht nur, sondern selbst die
Besitzer von Gast- und Kaffeehäusern jetzt so viel historischen
Sinn und Kunstliebe zeigen, um ihre Lokale in so edler Weise
verzieren zu lassen, und dadurch allerdings deren Reiz noch
mächtig zu erhöhen. In der That möchte man selten etwas
Fesselnderes sehen können, als diesen wunderbar weihevollen,
stillen, aber eine wahre Blütenpracht im Gärtchen um-
schließenden Klosterhof, dessen Wände uns mit den Kämpfen
und Leiden zweier voller Jahrtausende bekannt machen,
wie sie auch in diesen stillen Mauern wiederhallten. Er ver-
leiht denn auch, vereint mit der herrlichen Lage inmitten
 
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