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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pietsch, Ludwig: Louis Gallait und die Berliner Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0216

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III. Jahrgang. Deft 11

i. März 1888


>- tzerausgegeben von Friedrich Pecht

„Die Kunst für Sille" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bildelbeilagen in Umschlag geh. Abonnenientspreis im
Buchhandel oder durch die Post lNeichSponvcrzeichniS Nr. 326S, bahr. Verzeichnis 4lS> 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr i6 Heftest das einzelne Heft
7 ö Pf. — Inserate <nnr durch R. Masse) die vicrgespaltene Nonhareillezeile sa Pf. Iü,ooo Beilagen 6V M.. bei größerem Format oder Umfang PreiSanfschlag.

Louis Ballait und die Berliner Kunst

Von Ludwig Pietich

im letzten Noveinber erfolgte Tod des berühmten belgischen Malers brachte es uns erst wieder zum
Bewußtsein, daß er bis dahin noch gelebt hatte. Er zählte bereits seit einigen Jahren in der lebendigen
Kunst der Gegenwart kaum noch mit, er war eine Größe der Vergangenheit. Seine künstlerischen Thaten, denen
er seinen Ruhm verdankte, gehören einer abgeschlossenen Epoche der belgischen Knnst an. Sein Name, der aus
Anlaß seines Todes nun wieder vielfach auch in Deutschland genannt wurde, erweckt in der Seele eines alten
Berliners, der sich noch eines guten klaren Gedächtnisses erfreut, wie der Schreiber dieser Zeilen, eine Flut
von Erinnerungen an längstversunkene Zeiten, längst vom Schauplatz abgetretene Menschen, und an eine nicht
nur knnstgeschichtlich merkwürdige mächtige und folgenreiche Bewegung, die einst in der preußischen Hauptstadt
durch ein einziges Werk dieses Meisters im Verein mit dem eines zweiten belgischen Kunstgenossen hervor-
gerufen wurde.

Es war im Oktober des Jahres 1842. Die heutige Generation vermag sich schwer eine Vorstellung
von den Stimmungen, von der eigentümlichen fast krankhaften Spannung und Erregung zu machen, von welchen
damals in jenen ersten vierziger Jahren die ganze gebildete bürgerliche Gesellschaft in Preußen und ganz
besonders in dessen größeren Städten, Berlin und Königsberg an der Spitze, ergriffen war. Mit der Thron-
besteigung Friedrich Wilhelms IV. und durch die tönenden vieldeutigen Reden des neuen Königs bei der
Huldigung waren die lange erstarrt gewesenen Hoffnungen des liberalen preußischen Volkes zu neuem Leben
erweckt worden. Aber die Geister, die er fast wider willen gerufen hatte, machten ihm bange und schon im
ersten Jahre seiner Regierung begannen die Versuche, die entfesselte Flut wieder zurückzudämmen oder doch in
das dem Könige genehme vorschriftsmäßige Bett zu lenken. Das war eine Sisyphosarbeit. Sie konnte nur
zum Gegenteil des gewollten Resultats führen. Der Zorn des durch des Königs neuere Haltung enttäuschten
Liberalismus, die Wünsche und Hoffnungen von der „neuen treuen freien Zeit", welche „die Orakel prophe-
zeien", machten sich in Kundgebungen aller Art Luft. Die lyrische und die dramatische Poesie stellten sich
in den Dienst der „Sache der Freiheit". Georg Herwegh, Hoffmann von Fallersleben, Franz Dingelstedt,
W. Jordan, R. Prntz, R. Gottschall rührten die Trommel, schlugen den Reveillemarsch der Revolution, —-
Freiligrath wurde erst zwei Jahre später bekehrt und für das neue Evangelium gewonnen, dessen eifrigster
Apostel er werden sollte, — bliesen in die Schlachtdrommeten in der unklaren Hoffnung, die alten Mauern
der „Hochburgen der Tyrannei" im Vaterlande schon durch diese schmetternden Klänge zum Fall zu bringen.
Auch an die bildende Kunst, deren Sache es am wenigsten ist, thätig in eine politische Bewegung einzugreisen,
trat von seiten liberaler Ästhetiker und Schriftsteller die Forderung heran, sie habe so gut wie die Schwester-
kunst der Poesie am Werk der Befreiung mitzuwirken, indem sie die Geister für die großen Ideen der neuen
Zeit entzünden und den Haß gegen die Feinde derselben erwecken helfe. Diese Mahnungen fielen im allgemeinen
wohl auf einen sehr unfruchtbaren Boden. Aber ganz ungehört verhallten sie dennoch nicht. C. F. Lessing
hatte schon seit manchen Jahren eine Art „Tendenzmalerei" getrieben.

Mit Vorliebe hatte er historische Ereignisse, in welchen die von der katholischen Hierarchie ausgeübte
Knechtung des freien Geistes und der Gewissen, oder die gerechte Empörnug der Geknechteten gegen die geist-
lichen Tyrannen zum Ausdruck gelangte, zu Gegenständen seiner Bilder gewählt. Im Sommer 1842 vollendete

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