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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Heilbut, Emil: Über die Kunst in England, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0115

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Oon kserman kselferich

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Originalunternehmern der Bewegung gebührt hätte: Denn
Er allein vermochte den Leuten das was die Bewegung
wollte wirklich vor die Augen zu führen. Er selbst ist
dabei dennoch ein unbedeutender, affektierter und manie-
rierter Kunsthandwerker, bei dem fast alles scheinbar ist,
die Poesie, wie die Erfindung, die simpelthucude Naivetät
— es ist kann, glaubhaft, daß man sogar auf diese
Naivetät hereinfüllt — und selbst die ausführliche Aus-
führung ist scheinbar. Selbst die letztere ist nur Schein,
es sieht altertümlich aus, wie die einzelnen Blätter der
Gebüsche, alle einzelnen Haare der Gestalten mit liebe-
vollem Sinn und in Verehrung vor dem Reichtum und
der Fülle der Natur — gleichwie bei unfern herrlichen
alten deutschen Meistern — nachgebildet zu sein scheinen
und es ist nur ein Kniff und sie sind geschickt, doch ganz
flüchtig gemacht. Aber es sieht in seiner Weise naiv und
primitiv aus und die Titel sind so poetisch gewählt, Ruskin
lobt die Bilder und ein Teil von Albions weiblicher
Hälfte betet sie an. Ich habe noch nicht gesagt, welches
der dargestellte Vorgang bei dem „Haupt der Medusa"
ist. Als Perseus die Andromeda von dem Drachen be-
freit hatte, wünschte die letztere das Haupt der Medusa
zu sehen und um ihrem Wunsche Genüge zu thun, zeigte
er ihr das Abbild des schrecklichen Hauptes im klaren
Wasser eines Teiches. Er blickt hinein, Sie blickt hinein,
wir sehen die Reflexe ihrer beiden Gesichter und teil-
weise der Gestalten abgebildet in dem blitzblauen (alter-
tümliches Wasser ist immer blitzblau) Wasser und erblicken
als Drittes in dem Wasserbecken das Haupt der Medusa,
welches von Perseus in der rechten Hand gehalten wird.

Im Sinne des Burne-Jones, der eine große Nach-
folge hat, ist das Bild von R. Spencer Stanhope, wo
Engel mit Goldflügeln (aufgelegtes Gold) in Baumzweigen
kriechen und vor dem Bett eines Baches mit Steinen ein
Mädchen mit einer Angel sitzt, und ein zuckersüßer Engel,
mit Rosen in den Locken, rosigem Flügelpaar und dünnen
Unterschenkeln ästhetisch sich vorwärts beugend ein goldenes
Netz nach dem süßen Mädchen, das ihn vorwurfsvoll und
doch ach! so verliebt ansieht, zu schleudern im Begriff
steht. Wie unsinnig dieser mein begleitender Text auch
klingt, er gibt noch keinen Begriff von der vollen und
ganzen Unsinnigkeit des Bildes.

W. Padgett, von dem wir die Liebe im Thal sahen,
ist noch mit einem vollertönenden doch verwandten anderen
Bilde vertreten, auf dem ein Weib im Profil auf der
einen Seite ihres Bootes sitzt, auf dem Rande des Bootes
das Boot schaukelnd. Da taucht das dunkle Schiff gleich-
sam wollüstig in die azurne durchsichtige Flut ein, das
weiße Steuerruder regt gespenstisch und fast sinnlich die
Wellen an; der Mond, halb in Schleiern, steht am Fir-
mamente. Das Bild hat einen tiefen zärtlichen Zauber
und läßt nicht leicht wieder los.

N. Barett Browning wirkte weniger bezaubernd
auf mich; er zeigt ein schwarzes Weib »nmitinZ kor tbe
Zonckolnr, vielleicht über dem Warten so schwarz geworden,
sichtlich aber über dem langen Warten länger werdend, denn
sie mißt 10 Kopflängen. Alles was das Gefolge Burne-
Jones', diese übersinnlich-sinnlichen Freier, an schmachtenden
Jungfrauen, die die Hand an die Wange legen oder unter
dem Kinn halten (was besser ist, da sie so langer Hälse
sich zu erfreuen haben), vorführen, kann ich leider nicht
im Detail würdigen, es macht mich krank, wie meinen
Freund den Oberst im Punch der Anblick der Bilder

Mandle's; lieber schließe ich mit einigen Landschaften, die
unfern Frieden nicht anfrühren. Moore ist ein großer
Virtuose in allen Meereserscheinungen, er malt das Spiel
der Wellen als ein kundiger Seefahrer, der die verschie-
densten Meere befuhr und Alfred Parsous gibt einen
Sommerabend mit tief gesättigter Färbung, Abendrot liegt
ans dem Flusse und Schafherden weiden auf den Wiesen,
eine echt englische Poesie über einen echt englischen Sommer-
abend, voller Frieden und Stimmung, voller Behagen
und Ruhe — voll austöneud, wie Orgelklang am Sonntag.

3.

Aquarelle und Dilettanten

Ich füge einen kurzen Bericht über das moderne
englische Aquarell an, einen Bericht, der eigentlich nur ein
Erstaunen ist. Man wähnt bei uns und ich wähnte mit,
die englische Ölmalerei wäre nichts Besonderes, aber die
englische Behandlung der Wasserfarbe — das wäre ein
Gegenstand und fast das Umgekehrte ist, wie sich mir jetzt
herausstellt, der Fall. Es ist nicht zu sagen, wie sehr
die Wasserfarbenmglerei hier fortfällt, wie wenig sie auch
hier beachtet wird und wie sie auch hierzulande nur ein
kleines Blümchen ist, das im Verborgenen blüht, hier wie
in Deutschland, wie überall. Und hier mehr als in
Deutschland und überall ist es völlig recht, daß man sie
so wenig beachtet, ist doch die englische Aquarellmalerei
weit überholt, zunächst dnrch die Italiener und Spanier,
die mit ihrer frischen, lustigen, fleckigen und nicht viel
wollenden Skizziermethode viel aquarellgemäßer sind als
die Engländer, welche im Aquarell Bilder abrunden und
fertig werden lassen wollen und darum lahm und zahm
wirken, denn das Aquarell hat doch immer nur schwache
Kräfte. Auch durch die Franzosen und namentlich die
Holländer sind sie im Aquarell überholt, mit den besten
Franzosen können es die englischen Besten in Bezug auf
Feinheit jetzt nicht mehr aufnehmen. Die Behandlung
ist durchweg gediegen, aber man 'sieht nichts besonders
Gutes, und „Geistreiches" fehlt fast ganz.

Es gibt zwei große Institute, die ausschließlich der
Aquarellmalerei gewidmet sind, die Society of Painters
in Water-Colours und das Royal Institute for Painters
in Water-Colours. Beide haben stattliche Häuser, iu denen
sie ihre Ausstellungen veranstalten. Doch der Besuch und
Anteil des Publikums ist nicht bedeutend. Es ist auch
nichts langweiligeres zu denken, als diese großen hohen
Säle, deren Wände durchweg mit mittelkleinen, gleichmäßig
getönten, schwach illuminierten Papierbildern bedeckt sind,
eins neben, über, unter dem andere. Meist sind es kleine
landschaftliche Einzelheiten, ein Busch mit einem Stück
Wasser, drei Bäume und eine Wolke u. dgl. Manchmal
hat man auch einen Aufschwung und malt in Wasser eine
geschichtliche Szene, welche dann darnach wird. Einer
malt, und dabei vortrefflich, Afrikanisches. Mir fiel nicht
viel zum Erwähne» auf. Ein Genrestück war recht hübsch
in einem realistischen Ton, ein älterer Herr war mit
einer jugendlichen Dame an einem Nachmittag in einem
Garten in der Dämmerung dargestellt, wie ein Frösteln
durch das Laub und durch die junge Dame geht. Ein
anderer Maler brachte nicht ohne Verdienst bäuerische
Figuren auf dem Torfe oder über traurige Landstraßen
dahinschreitend, größere Bilder und größer gedachte Bilder
waren es. Aber man hält es hier in diesen Instituten
nicht lange aus, es fehlt an Kontrasten, man bedarf,
 
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