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Über die Uunst in England
Bild Richmonds reicht nicht an die Großartigkeit des Motivs
heran und die Figur ist so poesielos, die Handlung so
schwunglos, daß wir uns (kommt noch dazu das Wort:
startinZ) ernüchtert abwenden und erst in Richmonds
Porträts ihn wiederfinden, wie wir ihn in Berlin schätzen
lernten; in seinen Porträts besitzt er eine weiche Poesie,
von vornehmstem Reize. Herbert Schmalz schildert eine
Blondine in allen Lebenslagen; bald aus einem Bilde
wie sie durch Thränen lächelt gleich Regenschauern im
April, bald ans einem andern wie sie in moosgrünem
Kleide gedankenvoll zurückgclehnt sitzt, gedankenvoll viel-
leicht über ihre moosgrünen Handschuhe und die weißen
Blumen, welche da sind, um die Leeren dieser grünen
Symphonie auszufüllen. Man versteht nicht, wie in diese
Umgebung John N. Neid kommt, der ein frisches und
ganz natürliches Talent zu eigen hat. William Padgett
paßt eher hinein, er schildert die Liebe im Thal, und
zwar in einem Thal, welches eine Mondscheinlandschast ohne
Landschaft ist, an der der Mond fehlt. Wir haben nur die
Idee einer Landschaft und de» Schimmer eines Mondscheins.
In Luft getaucht sehen wir darin das Profil einer sitzen-
den Damenfigur, welche vor sich hinstarrt und das Profil
eines Herrn hinter ihr, der sie in dieser Beschäftigung
des vor sich Hinstarrens akkompagniert; zwei vage Baum-
stämme, Riedgras und ein Tümpel sind die weitere Be-
gleitung. Der Maler hat ein Lied auf der Geige spielen
wollen, doch rührte er nur mit dem Finger an eine
einzige Saite. Der Ton klang nicht übel, aber was er
brachte ist nicht genug. Ein feiner Landschafter ist Murray,
er mag einen Tag im April geben mit einer ins Bild
hineingehenden Perspektive kahler Bäume, oder er mag
eine Phantasie über Apfelblüten in zartem Rosa, die auf
einem blauen Himmel Ketten schlingen, vor uns aus-
breite»; die weite Naturpoesie in P. R. Morris bewun-
dern wir, und die eiserne Kraft in Herkomers Männer-
porträts macht uns etwas Unbehagen. Eines Moretto
wert ist dagegen das Porträt des Earl of Pembroke,
das Nichmond ausstellt.
Wie wir die Verwechslung mit Effekten der beschrei-
benden Poesie bei dem Bilde von Philipp Burne-Joncs
gewahren, sehen wir eine andere Vermischung der Arten
— hier der Landschaft mit dem Mystizismus in der
Litteratur — bei Alfred East, in seinem „Misty Moourise";
aber während hier doch vieles zum Ausdruck wirklich ge-
kommen ist — kraft der inneren Verwandtschaft der Ge-
biete — ist schlechterdings nichts von einer glücklichen
Verbindung, bei dem Bilde von Philipp Burne-Jvnes zu
gewahren. Er zeigt, wie im Orient zwei Mädchen in
der Mondnacht an der Wand eines Hauses den Schatten
eines nackten Jünglings sich abbilden sehen, der im feuri-
gen Beten die Hände zum Himmel hebt. Das ist doch
nichts Fürchterliches, ein Schatten ist nicht zum Greifen,
welche Impression konnte ein vergrößert an die Wand ge-
worfener Schatten eines Menschen anders Hervorrufen als
gemeiniglich eine drollige, aber im Katalog sagt eine Seite,
daß es eben mit diesem Schatten eine besondere Be-
wandnis habe. Und nun erfahren wir denn, daß diese
beiden Mädchen Heidinnen waren, in Syrien der Astarte
dienten, und auf dem Heimwege, als der Mond schien,
plötzlich den Schatten St. Simeons, der im Gebet war,
an der Wand eines Hauses erblickten; sie hörten den
Namen seines Gottes von seinen Lippen aussprechen und
schrackcn zusammen. Aber wie kann man das malen?
Das hätte beim Gedicht sein Bewenden haben sollen und
in diesem Irrtum, in diesem Verquicken von Malen und
Poesie sehen wir grade in diesen Räumen, die uns jetzt
beschäftigen, den Grundfehler einer Menge von Bildern.
„Lilith" ist ein schlechtes Bild von Collier zu einem
schönen Gedicht von Tante Gabriel Rossetti. Es ist da-
rum schlecht, weil es den Gedanken des Gedichts nicht
auszulebeu vermag, sonst, als Malerei betrachtet, mag es
genügen. Watts — etwas wie der englische Böcklin —
zeigt das Urteil des Paris, d. h. er zeigt nicht das Ur-
teil und nicht den Paris, sondern allein die drei Be7ver-
berinnen, und wir werden von ihnen angeschaut, wir alle
sind Paris. Wenn ich nun noch von Millais das Por-
trät des Lord Esher erwähnt haben werde, bei welchem
wenigstens das Kostüm eines lAaster ol tlie Lolis mit
Liebe gemalt ist, gelange ich zu Burne-Jones, einen,
Spezialisten der Grosvenor-Gallery. F. Burne-Joncs, nicht
mit Philipp zu verwechseln, kann als jetziges Haupt der
ästhetischen Schule betrachtet werden, die ihren Sitz in der
Grosvenor-Gallery hat. Er hat zwei Bilder ausgestellt,
den Garten des Pan und das Haupt der Medusa, und
wenn sie auch beide nicht die Stufe erreichen, die Burne-
Jones schon erstieg, so wollen wir doch bei ihnen ver-
weilen, weil sie die ersten Erzeugnisse seines hochgefeierten
Pinsels sind, die uns unter die Augen kommen. Von
der Fremdartigkeit seiner Bilder reden wir nicht, man ge-
wöhnt sich in England daran, so viel Fremdartiges zu
sehen, daß man sich über nichts mehr wundert; wir wün-
schen nur zu untersuchen, wie der Versuch gelang. Ver-
sucht war, wie alte Italiener auszufasscn, und was heraus-
kam — ist wunderlich.
Im Garten des Pan sitzt in Büschen ein Paar, und
ein Jüngling spielt ihnen etwas ans der Flöte vor. Mau
sieht, dies Thema hätte auch Giorgione gelegen, daß Gior-
gione es besser und schöner gemalt haben würde, unter-
liegt keinem Zweifel, es würde jedoch grausam sei», hier-
auf Gewicht zu legen, verbiete du dem Seidenwurm zu
spinne» u. s. w. und Burnc-Jones hat sein Künstlerrecht
so gut wie der bessere Giorgione, Bilder von Liebes-
paaren und flötenden Jünglingen zu malen. Es ist ein
Zufall, daß in diesem Spezialfall Giorgione heranzuziehen
ist, gewöhnlich hält sich Burne-Jones an Botticelli und
die diesem verwandten Kreise. Gewiß hat er sein Recht
zum Flötenblasen, er muß nur aufrichtig sein, sich nicht
in fremde Gefühle hineintäuschen, wie dieses „Selbst-
stehen" dem minder als Burne-Jones für die Malerei
begabten Rossetti nachzurühmen ist, der, technisch ein
Dilettant, die alten Geschichten, die er malte, doch mit
einem durchaus modernen Geiste versah, sie mit einem
modernen Typus bereicherte. Diese Originalität fehlt
Burne-Jones gänzlich, er ist nur ein übergeschickter Hand-
werker. Er hat auch von Rossetti gelernt und die mo-
dernen Typen sich von ihm geholt, wie die alten von den
Alten. Seiner Hand gelang das Amalgamieren und wie
die Sänger ohne Gefühl grade am ehesten, wenn sie Ge-
fühltes zu singen haben, zur Übergesühlvollen gerissen
werden, so hat er stets das Wehmütigste des Wehmütigen
für den Ausdruck bei der Hand und ihm, grade ihm,
trotzdem seine Originalität Null ist, ist das Prinzip der
neuen Schule in Bildern offen auszubrciten besser gelun-
gen, als irgend einem der Genossen, als Rossetti nun gar,
der ganz feindlich schlecht zeichnete und malte. Dadurch
ist ihm das Lob und der Anteil zugeflossc», der den
Über die Uunst in England
Bild Richmonds reicht nicht an die Großartigkeit des Motivs
heran und die Figur ist so poesielos, die Handlung so
schwunglos, daß wir uns (kommt noch dazu das Wort:
startinZ) ernüchtert abwenden und erst in Richmonds
Porträts ihn wiederfinden, wie wir ihn in Berlin schätzen
lernten; in seinen Porträts besitzt er eine weiche Poesie,
von vornehmstem Reize. Herbert Schmalz schildert eine
Blondine in allen Lebenslagen; bald aus einem Bilde
wie sie durch Thränen lächelt gleich Regenschauern im
April, bald ans einem andern wie sie in moosgrünem
Kleide gedankenvoll zurückgclehnt sitzt, gedankenvoll viel-
leicht über ihre moosgrünen Handschuhe und die weißen
Blumen, welche da sind, um die Leeren dieser grünen
Symphonie auszufüllen. Man versteht nicht, wie in diese
Umgebung John N. Neid kommt, der ein frisches und
ganz natürliches Talent zu eigen hat. William Padgett
paßt eher hinein, er schildert die Liebe im Thal, und
zwar in einem Thal, welches eine Mondscheinlandschast ohne
Landschaft ist, an der der Mond fehlt. Wir haben nur die
Idee einer Landschaft und de» Schimmer eines Mondscheins.
In Luft getaucht sehen wir darin das Profil einer sitzen-
den Damenfigur, welche vor sich hinstarrt und das Profil
eines Herrn hinter ihr, der sie in dieser Beschäftigung
des vor sich Hinstarrens akkompagniert; zwei vage Baum-
stämme, Riedgras und ein Tümpel sind die weitere Be-
gleitung. Der Maler hat ein Lied auf der Geige spielen
wollen, doch rührte er nur mit dem Finger an eine
einzige Saite. Der Ton klang nicht übel, aber was er
brachte ist nicht genug. Ein feiner Landschafter ist Murray,
er mag einen Tag im April geben mit einer ins Bild
hineingehenden Perspektive kahler Bäume, oder er mag
eine Phantasie über Apfelblüten in zartem Rosa, die auf
einem blauen Himmel Ketten schlingen, vor uns aus-
breite»; die weite Naturpoesie in P. R. Morris bewun-
dern wir, und die eiserne Kraft in Herkomers Männer-
porträts macht uns etwas Unbehagen. Eines Moretto
wert ist dagegen das Porträt des Earl of Pembroke,
das Nichmond ausstellt.
Wie wir die Verwechslung mit Effekten der beschrei-
benden Poesie bei dem Bilde von Philipp Burne-Joncs
gewahren, sehen wir eine andere Vermischung der Arten
— hier der Landschaft mit dem Mystizismus in der
Litteratur — bei Alfred East, in seinem „Misty Moourise";
aber während hier doch vieles zum Ausdruck wirklich ge-
kommen ist — kraft der inneren Verwandtschaft der Ge-
biete — ist schlechterdings nichts von einer glücklichen
Verbindung, bei dem Bilde von Philipp Burne-Jvnes zu
gewahren. Er zeigt, wie im Orient zwei Mädchen in
der Mondnacht an der Wand eines Hauses den Schatten
eines nackten Jünglings sich abbilden sehen, der im feuri-
gen Beten die Hände zum Himmel hebt. Das ist doch
nichts Fürchterliches, ein Schatten ist nicht zum Greifen,
welche Impression konnte ein vergrößert an die Wand ge-
worfener Schatten eines Menschen anders Hervorrufen als
gemeiniglich eine drollige, aber im Katalog sagt eine Seite,
daß es eben mit diesem Schatten eine besondere Be-
wandnis habe. Und nun erfahren wir denn, daß diese
beiden Mädchen Heidinnen waren, in Syrien der Astarte
dienten, und auf dem Heimwege, als der Mond schien,
plötzlich den Schatten St. Simeons, der im Gebet war,
an der Wand eines Hauses erblickten; sie hörten den
Namen seines Gottes von seinen Lippen aussprechen und
schrackcn zusammen. Aber wie kann man das malen?
Das hätte beim Gedicht sein Bewenden haben sollen und
in diesem Irrtum, in diesem Verquicken von Malen und
Poesie sehen wir grade in diesen Räumen, die uns jetzt
beschäftigen, den Grundfehler einer Menge von Bildern.
„Lilith" ist ein schlechtes Bild von Collier zu einem
schönen Gedicht von Tante Gabriel Rossetti. Es ist da-
rum schlecht, weil es den Gedanken des Gedichts nicht
auszulebeu vermag, sonst, als Malerei betrachtet, mag es
genügen. Watts — etwas wie der englische Böcklin —
zeigt das Urteil des Paris, d. h. er zeigt nicht das Ur-
teil und nicht den Paris, sondern allein die drei Be7ver-
berinnen, und wir werden von ihnen angeschaut, wir alle
sind Paris. Wenn ich nun noch von Millais das Por-
trät des Lord Esher erwähnt haben werde, bei welchem
wenigstens das Kostüm eines lAaster ol tlie Lolis mit
Liebe gemalt ist, gelange ich zu Burne-Jones, einen,
Spezialisten der Grosvenor-Gallery. F. Burne-Joncs, nicht
mit Philipp zu verwechseln, kann als jetziges Haupt der
ästhetischen Schule betrachtet werden, die ihren Sitz in der
Grosvenor-Gallery hat. Er hat zwei Bilder ausgestellt,
den Garten des Pan und das Haupt der Medusa, und
wenn sie auch beide nicht die Stufe erreichen, die Burne-
Jones schon erstieg, so wollen wir doch bei ihnen ver-
weilen, weil sie die ersten Erzeugnisse seines hochgefeierten
Pinsels sind, die uns unter die Augen kommen. Von
der Fremdartigkeit seiner Bilder reden wir nicht, man ge-
wöhnt sich in England daran, so viel Fremdartiges zu
sehen, daß man sich über nichts mehr wundert; wir wün-
schen nur zu untersuchen, wie der Versuch gelang. Ver-
sucht war, wie alte Italiener auszufasscn, und was heraus-
kam — ist wunderlich.
Im Garten des Pan sitzt in Büschen ein Paar, und
ein Jüngling spielt ihnen etwas ans der Flöte vor. Mau
sieht, dies Thema hätte auch Giorgione gelegen, daß Gior-
gione es besser und schöner gemalt haben würde, unter-
liegt keinem Zweifel, es würde jedoch grausam sei», hier-
auf Gewicht zu legen, verbiete du dem Seidenwurm zu
spinne» u. s. w. und Burnc-Jones hat sein Künstlerrecht
so gut wie der bessere Giorgione, Bilder von Liebes-
paaren und flötenden Jünglingen zu malen. Es ist ein
Zufall, daß in diesem Spezialfall Giorgione heranzuziehen
ist, gewöhnlich hält sich Burne-Jones an Botticelli und
die diesem verwandten Kreise. Gewiß hat er sein Recht
zum Flötenblasen, er muß nur aufrichtig sein, sich nicht
in fremde Gefühle hineintäuschen, wie dieses „Selbst-
stehen" dem minder als Burne-Jones für die Malerei
begabten Rossetti nachzurühmen ist, der, technisch ein
Dilettant, die alten Geschichten, die er malte, doch mit
einem durchaus modernen Geiste versah, sie mit einem
modernen Typus bereicherte. Diese Originalität fehlt
Burne-Jones gänzlich, er ist nur ein übergeschickter Hand-
werker. Er hat auch von Rossetti gelernt und die mo-
dernen Typen sich von ihm geholt, wie die alten von den
Alten. Seiner Hand gelang das Amalgamieren und wie
die Sänger ohne Gefühl grade am ehesten, wenn sie Ge-
fühltes zu singen haben, zur Übergesühlvollen gerissen
werden, so hat er stets das Wehmütigste des Wehmütigen
für den Ausdruck bei der Hand und ihm, grade ihm,
trotzdem seine Originalität Null ist, ist das Prinzip der
neuen Schule in Bildern offen auszubrciten besser gelun-
gen, als irgend einem der Genossen, als Rossetti nun gar,
der ganz feindlich schlecht zeichnete und malte. Dadurch
ist ihm das Lob und der Anteil zugeflossc», der den