Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Unsere Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unsere Bilder, vom Herausgeber

lZ

Christus erweckt eine Tote, von Gabriel Max

Frau mit den sieben Bitten zu thun? Sie denkt ja
offenbar gar nicht an sich, der erbrochene Brief zu ihren
Füßen zeigt uns schon, daß sie für andere, nicht für sich zu
Gott fleht, auch wenn uns der ein Bild umfassende Kranz
von dürren Blättern an der Wand das nicht ahnen ließe.
Ist der untreu oder tot, um welchen sie die Hände ringt?
Oder ist er nur in schwerer Gefahr? Wie dem auch sei,
auch hier zeigt Max wieder sein altes Talent, uns in
Spannung zu setzen, uns mit Mitleid und Angst zu er-
füllen, denn, daß wir hier keine Schuldige, sondern ein
schuldlos gequältes Herz vor uns haben, darüber kann
kein Zweifel bestehen. Ta man sich aber nur um die
ängstigt, die man liebt, so liegt wenigstens darin, wie in
der Herzensreinheit der Frau, etwas Versöhnendes und
Erhebendes, wie in jeder reinen Liebe.

Diese Angst um das bedrohte Leben einer geliebten
Person hat uns nun Vautier in der „bangen Stunde"
besonders ergreifend dargestellt. Denn auch sie, deren Leben
zu entfliehen droht, ängstigt sich nicht um sich, sondern
um den in stummem Schmerze vor ihr stehenden Gatten.
Sie wird dadurch nur um so rührender. Offenbar hat
der Künstler hier ein Stück des eigenen Lebens hinein-
gemalt, da er kürzlich selber das Unglück hatte, die Frau
zu verlieren, die solange das Glück seines Lebens gemacht.
Das gibt seiner Darstellung eine Wärme und Über-
zeugungskraft, die uns unwillkürlich mitreißen. Aber nicht

nur die Leidende und ihr Mann sind vortrefflich darge-
stellt, auch alle anderen Anwesenden sind nicht weniger
trefflich. Sowohl die den Säugling schützend im Arm
haltende Schwiegermutter, als die bangen größeren Kinder
und die Schwester der Frau wie das Dienstmädchen sind
alle meisterhaft. Ganz besonders aber der schleunig herbei-
geholte Landarzt, welcher der Kranken Pulsschläge auf
der Uhr nachzühlt, und dessen Gesicht uns wenig Hoffnung
läßt. Selbst das Wohlhäbige der von Reinlichkeit
glänzenden Schweizer Bauernstube, in der sich das bis-
herige Behagen nun in tiefe Trauer zu ändern droht,
ist mit so großer Wahrheit gemalt, daß man dies
neueste Bild des Meisters wohl sein ergreifendstes nennen
kann.

Unser Bericht ist nun nicht besser zu schließen, als
mit einigen Worten über den Künstler, dem wir die
Anfangsvignette unserer heutigen Nummer verdanken. Seit
Richter und Schwind hat Wohl kein Künstler mehr den
Märchenton so gut getroffen als C. Gehrts. Es ist
eine fröhliche Lebenslust und zugleich ein geistvoll phanta-
stisches Wesen, ein kecker Übermut in seinen Zeichnungen,
die um so unwiderstehlicher wirken, als sie mit einem
ganz eminenten malerischen Talent und Stilgefühl gepaart
sind. Denn bei allem Märchenhaften wäre der moderne
Naturalismus durchaus vom Übel, da er uns sofort in
der nüchternen Wirklichkeit festnagelt.
 
Annotationen