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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Heilbut, Emil: Über die Kunst in England, [2]: Royal Academa of Arts
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0044

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von German kselferich

gedrungen als in Deutschland. Paßt doch die meist adagio-
hafte Wirkung dieser Glasgemälde aufs vortrefflichste zu
den ästhetischen Absichten der Zimmerdekoration. Ich werde
später, bei der Besprechung der Entwickelung der Rich-
tungen, eingehender auf dieses Thema znrückkommen, hier ist
zu sagen, daß Moore in seiner beschränkten Weise eine ganz
artige Wirkung mit seinen Bildern hervorbringt, daß seine
Blondinen, wie »loveft'« sie immer sein mögen, doch
weit mehr zu bedeuten haben, als beispielsweise die jungen
Mädchen unseres Paul Thumann, und daß er überhaupt,
schon durch seine farbige Tendenz, etwas viel mehr Künst-
lerisches mit ihnen anstrebt.

Herr Marcus Stone malt immer das Weib aus
der Empirezeit, jedes Jahr eines, mit weißem Kleid, hoher
Taille und schwarzem Riesenhut, wie ihr die große Frage
des Lebens von einem jungen Manne der Empirezeit in
einem Parke gestellt wird, oder wie sie, sich allein befin-
dend, darüber nachdenkt, oder wie sie sich zu einem Nein
entschließt, oder wie sie Ja sagt. Sir John Gilbert
malt dagegen immer Lanzenritter aus Schottland, nur
Hellebarden und Harnische und buntes Mittelalter im
Walter Scott'schen Sinne; während aber Sir Walter Scott
sehr gut schreiben konnte, kann Sir John Gilbert nicht
sehr gut malen, und so ist es bei ihm nicht so erfreulich
wie bei Walter Scott. Er malt in Öl als ob er in
Aquarell malte, dabei einen Fehler gemacht hätte und
das angerichtete Unglück mit einem Schwamm auf-
saugen wollte. Es sieht sehr unglücklich aus, was er in
Öl hervorbringt, und man möchte fragen, warum bleibt er
nicht bei seinen geharnischten Aquarellen, von denen er
ausging? aber wenn man dann nachher seine Aquarelle
sieht, so gibt man ihm recht, denn man möchte selbst nicht
bei seinen Aquarellen bleiben.

Zarte Mädchen mit Päonien, so zart, daß sie zarte
Blumen kaum anzufassen vermögen, malt C- E. Peru-
gini. Ganz im Geiste der Franzosen malt dagegen
Waterhouse, der von Tadema ausgegangen, nun allge-
mein der archäologischen Malerei niit breiterem Pinsel
und größerem Format sich zugewendet hat. Er hat eine
„Mariamne" ausgestellt, das Weib Herodes des Großen,
die, verurteilt, stolz sich noch einmal zu ihm zurück wendend,
die Treppe uns entgegen herab schreitet. Ein kolossaler, in
Stein gehauener Löwe mit viel Gold ist zur rechten der
Treppe und sperrt das Maul auf. Hinten sitzen im Halb-
kreise der noch schwankende König, Salome, die ihn zum
Todesurteil aufgereizt hat, und die Richter. Das Bild
ist von einer sehr wirkungsvollen Anordnung und gut
gemalt.

Unter den Landschaften ist die vielleicht beste die
„gefährliche Ecke" von Alfred W. Hunt; in einer höchst
kühnen Perspektive sieht man vor sich den Felsen, grün
bewachsen, hoch und steil, ganz im Vordergrund die Dächer
von Häusern, die man in ihrer unteren Hälfte nicht mehr
erblickt und darunter, stark abgefallen, die Küste mit ihren
Sandstreifen am Strand, und das Meer, das weit hinaus
erglänzt, mit Schiffeil und ganz kleinen Menschen in der
Verkürzung. Hübsch ist auch das „Farmhaus in Knis-
tere" von Morris mit seiner horizontalen Handvoll
Linien, die so interessant einfach sind, glänzend eine Marine
»tlle clearness aller rain« von Henry Moore und eine
erfreuliche Abwechslung wird durch den „Sommer in Ve-
nedig" von Francis W. Lorring unter die andern englischen
Eindrücke gebracht.

Die Aunst für Alle UI

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Bei den Porträts habe ich noch aufzuzählen den
Afrikareisenden Stanley, sehr gelb gebrannt, von Her-
komer, von demselben den vorzüglich gemalten Briton-
Riviere, ein ziemlich nichtssagendes Brustbild eines Gentle-
man von Carolus-Duran und ein brillantes Porträt
einer Modedame von Carolus-Duran — wie wenig er
den Mann verstand, die Frau verstand er völlig. Er ist
ganz wie sie, aufgegangen in die Gedankenwelt der Dame
der Gesellschaft, er weiß wie viel ihre Toilette bedeutet,
und daß sie nur lächelt wenn sie schöne Zähne zu zeigen
hat, und er malt sie völlig erschöpfend und klassisch all
in ihrer Nichtigkeit. Dazu nun ist das Männerporträt von
Fantin-Latour in seiner objektiven simplen Wiedergabe einer
intelligenten männlichen Erscheinung ein bedeutender Gegen-
satz. Es ist völlig modern in der Helltechnik gemalt, ein
zeitgenössischer Mensch ist es. und nicht in eine Renaissance-
joppe gesteckt; mit Tuchrock, Stock und Handschuhen ver-
sehen, selbst Cylinder in seiner Umgebung, — und doch
beherrscht der Kopf als geistiger Mittelpunkt das Ganze.
Mir hat von den männlichen Porträts der Ausstellung
keines besser als dieses gefallen.

*

Den genau in Wachs modellierten Kopf eines blonden
Mädchens, jedoch gemalt, gibt Leighton; er ist sehr gefällig
und, wenn man will, angenehm; höher vermag mein Lob
nicht zu steigen, ich weiche zurück vor der mangelnden
Natur. In seiner „Hero" zeigt er uns in einer Ein-
fassung von Marmorsäulen das schöne Mädchen angstvoll
nach dem Geliebten ausschauend. Die thränenden großen
Augen, wie die reinen weißen Arme, die sich gegen die
Säulen stützen, und das fleckenlose rosige Gewand versagen
ihre Wirkung nicht. Es ist auch in der That sweet, und
wie die Berlinerin sagen würde: reizend schön liegt unten
in der Pedrella Leander braun in braun, auf die Felsen
in einer edlen Haltung geschleudert durch die Meereswogen,
welche sich in Schönheitslinien, anders würde es ihnen
der Präsident der Akademie nicht gestattet haben, in
großem Zug auf und nieder bewegen.

Von reizender Bleiche ist das Porträt von Frau
Luke Fieldes, gemalt von Herrn Luke Ueldes. Luke
Ueldes malt sonst Italienerinnen, venezianische Mädchen
und dergleichen gefällige Schönheiten, indem er sich, so
sagt die böse Fama, mit Jrländerinnen und anderen
traurigen Mädchenbildern als Modellen behilft; solch
schönen Idealismus hat er, so schön steigert er die Wirk-
lichkeit, man sagt, um ein weniges habe er sie auch bei seiner
Gemahlin gesteigert; ich kenne sie nicht und kann daher
nicht die Subtraktion vornehmen; nach dem, was ich sehe,
ist es eine auffallend schöne Erscheinung. Unseres ge-
schätzten Landsmannes Bokelmann „Dorfbrand" finden
wir hier in fremdem Lande auch vor, das Bild wirkt
befremdend, doch nicht unvorteilhaft in der neuen Umgebung.

Die „Weiber von Amphissa" sind das Neueste
von Alma Tadema. Ein ganz — wenn der vulgäre
Ausdruck bei so geglätteter Malerei gestattet ist —
verzwickter Vorgang. Das Volk der Bacchantinnen, die
sich dem Dionysos geweiht, hat während des heiligen
Krieges, der der Einnahme von Delphi durch die Phozier
folgte, ergriffen von bacchischem Feuer rastlos gewandert.
Zur Nachtzeit kamen sie in die Stadt Amphissa, welche
ihnen feindlich gesinnt war. Todmüde waren sie, und
ahnten nicht die Gefahr, die über ihnen schwebte, sie legten

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