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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Ein echter Vautier als Wirtshausbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0046

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Ein echter „Vautier" als lvirtshausschild

2?

Merkwürdigste an diesem

mindesten Beziehungen bestehen. Ein hölzerner Pavillon
vor dem Hause trägt nämlich diese Inschrift, und auf
seiner gemütlichen Veranda mag allerdings manches Wähnen
für den Augenblick Frieden gefunden haben, d. h. unter
dem nächtlichen Sommerhimmel in cerevisiam ertränkt
worden sein.

Nun aber gilt es, da
interessanten Hause ins Auge
zu fassen. Eine Merkwürdig-
keit, an welcher Unzählige
vorübergchen, ohne ihr mehr
als einen flüchtigen Blick zu
widmen. Über der Hausthür
nämlich zeigt sich ein Gemälde
in schlichtem Holzrahmen, einen
beturbanten Muselmann im
grünen Kaftan darstellend,
welcher mit einem ihm gegen-
übersitzenden langrvckigen
Bauern verschränkten Armes
Schmollis trinkt. Wenngleich
unberufene Hand das Bild
restauriert hat, ist es dieser
doch nicht gelungen, die Spuren
der Meisterhand zu ver-
wischen, welche das Bildchen
geschaffen hat, und welche keinem
geringem angehört als —
dem berühmten Düsseldorfer
Vautier. Und das ging so zu.

Es war in der Mitle
der fünfziger Jahre, als einige
junge Düsseldorfer Maler auf
einer fröhlichen Künstlerfahrt
nach der alten Noris auch
die fränkische Schweiz besuch-
ten und hiebei in der Türkei
einige Tage fidele Rast hielten.

Ta ereignete sich denn, das;

Vautier, denn er befand sich
in der Gesellschaft, einer
Künstlerlaune folgend, das
erwähnte Wirtshausschild malte
und es dem Hause zueignete.

Hier prangte es mehrere Jahre
in Farbenfrische über der
Thür, litt jedoch bald von
Wind und Wetter und ver-
schwand nach einiger Zeit,
ungewürdigt und unverstanden,
um sich unter altem Gerümpel
auf dem Dachboden des Hauses
zu bergen. Als Schreiber
dieser Zeilen nach Jahren
wieder einmal Müggendorf be-
suchte und das Bild über der Thür vermißte, wurde der
Besitzer desselben durch dessen Frage über seinen Schatz,
von dessen Bedeutung er keine Ahnung hatte, belehrt, und
bald darauf hing die auf Blech gemalte Tafel, wieder wie
ehedem, obgleich stark nachgednnkelt, über der Hansthür.
Da hängt es nun so manches Jahr, inzwischen in frommem
Wahn pietätvoller Verehrung einem des Weges kommenden

Kleckser zur Übermalung übergeben, weit entfernt, An-
sprüche erheben zu wollen, wie ein im Atelier entstandenes
gereiftes Kunstwerk sie machen kann, ein Kind des Augen-
blicks, heiterer Künstlerlaune, aber doch ein Vautier, ein
echter Vautier.

Möchte ihm ein Retter erscheinen, der das Bildchen
vor dem völligen Untergang bewahrt und es den Händen

Wust, von Arnold Böcklin

eines geschickten Restaurators übergibt, die es von dem
anhaftenden Schmutz und fremder Farbe befreien, um
dann an sicherem Orte geborgen, beglaubigt durch gegen-
wärtiges wahrhaftes Ursprungszeugnis, fortzuleben als
künstlerisches Dokument einer fröhlichen Malersahrt.

Korr. v. u. f. D.
 
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