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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Die Nutzbarmachung unserer Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0054

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Die Nutzbarmachung unserer Museen

S-t

Man beginnt auch bereits zu empfinden, daß das jetzige Verfahren, welches alles gethan zu haben
meint, wenn es die für das Studium der Kunstwerke erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, nicht ans-
reicht. Der größte Teil des Publikums geht ja nicht in die Museen, uni zu studieren, sondern um zu genießen.
Die Belehrung stellt sich erst hinterdrein und unbemerkt ein. Aber der Wunsch des Publikums, in den Museen
das zu finden, was es sucht und braucht, ist auch ein durchaus berechtigter.

Von den Werken der Vergangenheit will es das von unvergänglicher Bedeutung, von denen der
Gegenwart das Vorzüglichste sehen; an geschlossenen historischen Entwicklungsreihen geht es meist teilnahmslos
vorüber, für das nur innerhalb seines historischen Zusammenhanges Bedeutsame, in künstlerischer Hinsicht jedoch
weniger Belangreiche hat es keinen Sinn; ihm ist in der Regel die Kopie eines großen Kunstwerks wertvoller als
ein Original von mittlerer Güte. Demgemäß verlangt cs auch von den Erlänternngsschriften vornehmlich die Hin-
weisung auf das, was in erster Linie sehenswert ist, ist dankbar für jede Auseinandersetzung über die Bedeu-
tung der einzelnen Werke, und greift eben deshalb lieber zum Bädeker mit seinen Sternchen, als zu den
offiziellen Katalogen, welche alle Gegenstände, gleichviel ob sie hervorragend sind oder nicht, mit der gleichen
Objektivität zu behandeln genötigt sind.

Um in letzterer Hinsicht dem Bedürfnis des Publikums entgegenzukommen, haben die Museuins-Ber-
waltungen hier und da orientierende und belehrende Führer herausgegeben, in mustergiltiger Weise z. B. in Berlin.

Aber damit ist noch lange nicht genug gethan.

Auch bei den Ankäufen sollte man, ohne die archivalischen Ziele aus den Augen zu lassen, mehr als
bisher auf die Bedürfnisse des Publikums Rücksicht nehmen. Es ist dies so leicht auszuführen und mit ver-
hältnismäßig so geringen Mitteln.

Die Staaten, welche große Summen für ihre Museen verwenden, werden es wahrlich nicht zu bereuen
haben, wenn sie einen Teil und zwar nur einen geringen Teil der auszugebenden Gelder auf die Befriedigung
dieser anscheinend untergeordneten und vorübergehenden, aber unleugbar Nächstliegenden und daher sicherlich
Beachtung fordernden Bedürfnisse verwenden wollten.

Da Kunstvereine und wohl auch Unternehmer nicht im stände sind, solches dem Publikum zu bieten,
so erscheint es überdies als eine Pflicht des Staates, hierfür zu sorgen. Er hat dabei die beste Gelegenheit,
durch Vermittlung berufener Organe auf die Entwicklung des guten Geschmacks einzuwirken und somit das
Niveau der Bildung zu heben.

Wenn das Publikum erst sieht, daß seinen berechtigten Wünschen Rechnung getragen wird, wird cs
mit Freude die ihm gebotene Gelegenheit, seine Einsichten zu vertiefen, ergreifen; dann lernt es auch allmählich
erkennen, welch hoher Wert den Originalen innewohnt, und wird nicht mehr murrend auf diejenigen Beträge
blicken, welche auf die Erwerbung solcher Werke verwandt werden, die nicht unmittelbar zur Erhöhung seines
Genusses beitragen, sondern wird diese sammlerischen Ergänzungen ebenso ruhig als etwas Notwendiges
hinnehmen, wie den Weiter-Ausban einer Bibliothek, eines Archivs, einer Naturaliensammlnng.

Unter einer guten Verwaltung wird übrigens gerade bei den wichtigsten Erwerbungen das wissen-
schaftliche Interesse gewöhnlich mit dem populären zusammenfallen, vorausgesetzt, daß unter letzterem nicht bloß
die Lust an hübschen Bilderchen oder das äußerliche Bedürfnis sich über die Werke der „berühmten" Meister
zu orientieren, um über sie mitreden zu können, verstanden wird.

Alles kommt darauf an, sich klar zu werden über die Bedürfnisse, welche innerhalb des Publikums be-
stehen. Nach dieser Richtung ist das Schriftchen Or. Lichtwarks, welches wir nunmehr im Auszuge wiedergebcn,
von besonderem Wert, wenn es auch nur eine einzelne Stadt mit ihren eigenartigen Bcdingnissen ins Auge faßt.

Für die Erwerbungen der Gemäldegalerie, welch' letztere in Hamburg ebenso im Vordergrund des
Interesses steht, wie das wohl überall bei kleineren wie bei größeren Sammlungen der Fall ist, wird der
Grundsatz aufgestellt, daß die Mittel nur auf wenige, aber bedeutende Werke zu konzentrieren seien; denn ein
Bild ersten Ranges bedeute mehr als eine ganze Galerie mäßiger Durchschnittsleistungen. In Bezug auf die
moderne Kunst, die hierbei eigentlich einzig und allein in Frage kommt, muß insofern systematisch verfahren werden,
als man darauf auszugehen hat, die wirklich bedeutenden und bewährten Meister — es werden von den älteren
Ludwig Richter, Overbeck, Cornelius, Schwind, Rethel, Steinle, Führich genannt — in charakteristischen
Werken vorführen zu können. Dagegen ist nicht davon die Rede, daß nun auch jeder der Meister, welche
zufällig gerade augenblicklich an der Tagesordnung sind, vertreten sein müsse. Es wird nur gesagt, daß die
Verwaltung die gegenwärtige künstlerische Produktion in ganz Deutschland zu verfolgen habe und die Ent-
stehung keines bedeutenden Werkes unbeachtet lassen dürfe. Auch hier gilt es, die Mittel straff zusammen zu
halten: nicht viel, aber nur das Allerbeste. Die gelegentliche Erwerbung eines oder des anderen ausgezeich-
neten Werkes fremden Ursprungs würde den besten Maßstab für das, was in der einheimischen Kunst wirklich
vorzüglich und begehrenswert ist, abgeben und die Sammlung vor Einseitigkeit bewahren.

Von Zeit zu Zeit sollte auch eine ganz hervorragende Bronze, eine vollendete Marmorarbeit erworben
werden, dann aber nicht nach Art der Anlikensammlungen mit anderen zusammen in einem Raum aufgestapell
 
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