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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Rutari, A.: Das Washington-Denkmal für Amerika: ein Atelierbesuch bei Rudolf Siemering
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0062

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Uas Masbington-Denkmal

ostpreußischen Heimat nach Berlin, wo ihn Bläser in seine
Werkstatt aufnahm. Hier fand er ernste aber gute Schule,
einen Lehrer, welcher den Schüler, der sich bei der Berliner
Schillerdenkmal-Konkurrenz eine besonders ehrenvolle Aus-
zeichnung errungen, bald als selbst Meister geworden ent-
ließ. Damit begannen die Mannesjahre, deren bleibende
Merkmale: Leibuizdenkmal in Pest, Luthermonument in
Eisenach, Germaniafries zum Einzug der Siegestruppen
1870, Nationalkriegerdenkmal für Leipzig, die Gräfestatue
in Berlin, allen Gebildeten bekannt sind.

In jedem Werke Siemerings paart sich ernste Strenge
mit tiefer Empfindung: in dieser Hinsicht sind seine Arbeiten
Spiegelbilder seiner Person. Wie seine Werke so tritt
er uns entgegen: fest und thatkräftig, ein auf eigenen
Füßen stehender Mann und doch wieder voll freundlicher,
fast möchten wir sagen väterlicher Milde. Sie spricht
uns aus dem Silbergrau seines Lockenhaares, das üppig
den bedeutenden Kopf umrahmt, an, sie leuchtet nament-
lich aus dem lichten Blau seiner großen, strahlenden Augen.
Und dank dieser Charaktereigenschaften ist er so recht der
berufene Bildner einer Statue des Mannes, dessen feste,
nervige Faust die Unabhängigkeit Amerikas durch einen
schweren Krieg erzwang, während sein edles Gemüt den
Vereinigten Staaten in besseren Zeiten alle Segnungen
des Friedens spendete.

Auf einer mächtigen, in dreizehn Stufen ansteigenden
Plattform erhebt sich der Sockel des Denkmals, dessen
horizontale Dreiteilung sofort ins Auge füllt. Ist die
breitausladende Plattform, deren Stufenzahl auf die ur-
sprünglichen dreizehn Staaten der Union hindeutct, acht-
seitig, so ist der Grundriß des Postaments der Reitcrstatue
oval. Der Sockel ist ans poliertem, grünem kibitzeiartig
geflecktem schwedischem Granit, das Standbild sowie aller
künstlerische Schmuck des Monuments aus Erz und zwar ge-
stattete die reiche Spende der amerikanischen Auftraggeber
eine Mischung von 92°/, Kupfer und nur 8"/g Zinn.

Ter unterste Teil des Piedcstals entbehrt der Aus-
schmückung, nur daß an den beiden Seitenflächen sich In-
schriften befinden. Hier lesen wir das stolze Doppelwort
»8ic semper tvrannis« — »Uer aspera. acl astra«,
das halb den Gang, halb den Erfolg, den Washingtons
Leben gehabt, auedrücken mag. Drüben leuchtet uns das
Seherwori des ehrwürdigen Philosophen Berkeley entgegen:
»IVestevarcks tlle star ot empire talles its eva.)-.« In
dem Mittelteil des Sockels, über den soeben wicdergegebeneu
Inschriften, befindet sich, wiederum an der rechten und
linken Flanke, je ein Relief, welches durch konsolartig
ausgebildcte Pilasterstreisen von den beiden allegorische»
Gruppen getrennt wird, die an der schmaleren Vorder- und
Rückseite ihren Platz finden. Die Reliefs schildern hüben
den Auszug der „Dankees" — man erinnert sich, daß
dieser Ausdruck damals zuerst aufkam und zwar als
Spottname für die Helden des amerikanischen Feldlagers
— und drüben die Heimkehr aus der sieggekrönten Schlacht.
Der Meister des Reliefs, den man dem unerreichten Drake
an die Seite gestellt hat, bot seine ganze Kunst auf, um
in diesen beiden figurenbelebten Bildern die finstere Ent-
schlossenheit der Vaterlandsverteidiger wie den stolzen
Mut der Sieger zu charakterisieren.

Um vieles herrlicher noch, als diese Reliefs sind
jedoch die beiden allegorischen Gruppen, von denen wir
oben gesprochen haben; sie symbolisieren, was die
Reliefs ohne Umschreibung ausdrücken. Im Rücken des

Monuments erblicken wir, in das schlichte Gewand des
Bauernmädchens gehüllt, die Gestalt des Vaterlandes,
welche die schlafenden Söhne zum Streite weckt. Mit der
Rechten hält sie den gezückten Pallasch, dessen Stahl leise
das Haupt des sorglos zu ihren Füßen schlummernden
Landmanns berührt, während zur Linken ei» junger Krieger
mutig an die Schutzgöttin herantritt, die Hand zum Eid-
schwur gegen die Fahne erhoben, an deren Spitze die phrygische
Mütze hängt. Dem „Erwachen des Volkes" entspricht an
der Vorderseite des Denkmals das „Dankesopfer der
Sieger". Wieder erblicken wir die Göttin „Republik",
diesesmal aber in stolzer Würde thronend, den Dreizack
in der ausgestreckteu Linken, im rechten Arm das früchte-
schwellende Füllhorn des Friedens — eine Königin, welche
aus den Händen der zu ihren Füßen kuieenden Streiter
die Siegestrophäen entgegennimmt.

Wie ein einfaches Band schlingt sich um das oberste
Profil des Sockels die Widmungs-Inschrift: »Urrecteck
b)- tbe Ltate Lociet)- c>k lba Cincinnati vk Uenns^l-
vania « Hart darüber erhebt sich der Rasen, in dessen
sanfter Erhebung die Füße des Rosses wurzeln, welches
George Washington trägt.

Kraftvoll und ruhig schreitet der Hengst dahin, den
die nervige Faust des ersten Präsidenten zügelt. Washington
reitet sein Roß mit männlichem Stolze. Sein Haupt,
von dem Dreimaster des Generalissimus bedeckt, wendet
sich nach vorn, ein weiter Mantel fällt von seinen Schultern,
links weit zurückgebauscht, rechts von dem gegen die Hüfte ge-
stützten Fernrohr des Reiters nach vorn herübergezogen. Würde
und Mut spricht sich in den offenen Zügen des Feldherrn
aus, dessen scharfes Auge in die Ferne zu spähen scheint;
man empfindet es: es ist die machtvolle Erscheinung des
Begründers der Unabhängigkeit, der wir gegenüberstehen.

Schildert das Monument des Reiters mit diesem
selbst, seinen Reliefs und allegorische» Figuren den
Helden Washington und die Zeit, in welcher er lebte,
so gibt uns der Künstler in den Figuren der Plattform ein
Bild des Land es, zu dessen größten Söhnen man ihn zählt.

In harmonischer Fortsetzung der durch die vier an
den Ecken des Sockels befindlichen Pilaster gebildeten
Linien, formen sich ans den unteren acht Stufen der
Plattform vier Postamente, auf welchen wiederum kolossale
Gruppen Platz gefunden haben. Mit dem Feiusiuu des
Künstlers und Denkers wühlte Siemcring hierfür die Ge-
stalten von vier für das Land bezeichnenden Flüssen. Den
ruhig hingelagerten Gruppen sind die tierischen Wesen
zugesellt, welche die einzelnen Ländergebiete am erschöpfend-
sten charakterisieren. Es sind zwei weibliche und zwei
männliche Figuren, welche in behaglicher Ruhe ausgcstreckt,
mit den Insignien der Flußgötterwürde, dem Dreizack, der
Urne geschmückt, sich dem Beschauer zuwenden, zwei der
kaukasischen Rasse augehörig, zwei indianisch von Ab-
stammung. Hudson, Delaware, Mississipi und Missouri, die
mächtigsten Ströme des Landes in vielfacher Beziehung und
teilweise auch von Bedeutung für die Heldenthaten George
Washingtons, hat Siemering sich erwählt und mit je zwei
Tieren umgeben. Hier finden wir Hirsch und Hirschkuh,
dort Rind und Pferd, neben dem üppigschönen Jndianer-
weibe, das die Netze zum Fischfang ausgeworfen, sehen wir
den täppischen Bären und den nnhörbar schleichenden
Panther. Zwei Büffel endlich, die rechts und links neben
dem Indianerhäuptling, der im Schmuck des Gefieders der
 
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