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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Unsre Bilder
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Unsere Bilder. Vom Herausgeber — Orientalische Kunstakademie

Vielfarbigen aber nichtsweniger als sympathischen Menschen-
kehrichts unwillkürlich, warum er uns statt fremder Kamele
nicht lieber heimische Esel schildere? Umsomehr als ihm
das bei dem köstlichen Humor, mit dem er seine Lebens-
bilder auszustatten versteht, unermeßlichen Beifall ein-
tragen müßte. Jetzt ist es ein rein artistisches Vergnü-
gen, das wir vor dieser Sammlung von Schuften und
Dummköpfen empfinden, ja das Seelenleben von Braiths
Kälbern ist uns interessanter und verständlicher zugleich,
als das dieser braun lasierten hungrigen Backfische oder
brüllenden Mohrenjünglinge. Denn das Kalb sehen wir
durch die auftauchendc Seelenempfindung der Freude ver-
edelt, diese afrikanischen Ebenbilder Gottes aber finden wir
durch Glauben, Staatsverfassung, Sitten erst zum Vieh
herabgewürdigt, was immer einen deprimierenden Eindruck
macht. — Für unsere heimischen Lumpen haben wir ja,
falls sie das Schwabenalter noch nicht erreicht haben, ein
gewifies Mitgefühl und wie viel Teilnahme vollends für
unsere Obstverkäuferinnen und Blumenmädchen. Man
frägt also unwillkürlich, warum sucht der in Kairo, was
er auf dem „Graben" oder „am Hof" viel besser fände?

Daß auch die Landschaft dramatisch werden und uns tief
ergreifen kann, zeigt Ditscheiners Überschwemmungs-
szene aus dem Pusterthale, wo man die furchtbare Ge-
waltsamkeit des Vorgangs schon aus der Form und Ver-
teilung der Licht- und Schattenmassen ahnt, ehe man nur
das Einzelne desselben unterscheiden konnte. Wer jemals
solchem wilden Ausbruch eines Gebirgsbaches beigewohnt,
wird sich der ichreckensvollen Szenen vor diesem Bilde
leicht wieder erinnern, in welchem der Maler mit sprühen-
der Lebendigkeit offenbar erzählt, was er einst „schaudernd
selbsterlebt". Man sollte gar nicht glauben, was einem
solche Felsklötze für Respekt einflößen können, wenn sie
sich erst in Bewegung setzen und auf uns zukvmmen.
D'rum hüte man sich vor all' zu intimer Berührung
mit den Klötzen, besonders wenn man kein Dorf-Pfarrer
ist, wie der, den wir hinten stehen sehen!

Unter den vielen Adressen, welche unser Kaiser zu
seinem Jubiläum von künstlerische» Korporationen erhielt,
ist die hier mitgeteilte des Berliner Akademie-Direktors
A. v. Werner jedenfalls die beste. Schon darum, weil sie
den alten Helden nicht in die Verlegenheit brachte, sich auf
ihnen von Pariser Hetären beglückwünscht zu sehen, wie
das auch vorkam. Diese Germania ist wenigstens ein
anständiges Frauenzimmer und offenbar zu stolz, alle
französischen Moden mitzumachen, um dadurch erst hof-
fähig zu werden, was anderen hochstehenden Damen auch
recht sehr zu wünschen wäre. Leider erhält der bei uns
wieder in die schönste Blüte geratende Byzantinismus
selbst durch solche wohlverdiente Kundgebungen eine uner-
wünschte Nahrung, da sie die Schmeichelei nur gar zu
leicht von denen, die sie tausendfach verdient haben, ans
solche überträgt, die sie erst noch zu verdienen hätten.

Orientalische Kunstakademie

V. V. Nicht allgemein dürfte es bekannt sein, daß Kon-
stantinopel, der politische Mittelpunkt des Islam mit seinen
kunstfeindlichen Nachbildungs-Verboten, seit fünf Jahren
eine »Lcole ckes Leaux ^rts« besitzt. Dieselbe wurde
1882 auf Anregung Hamdy Beys von dem damaligen
Handelsminister Rais Effendi gegründet, von dessen Nach-

folger Subhi Pascha, dem bekannten Numismatiker und
Geschichtsschreiber, eifrig gepflegt und untersteht jetzt dem
Unterrichtsminister Munis Pascha, dem „Mezzosanti" unter
den Türken, welcher der türkischen Kunstakademie sein volles
Interesse zugewandt hat. Das wahre Verdienst um die
Gründung dieses Kunstinstitutes für Moslems hat sich
jedoch der obengenannte Hamdy Bey, Direktor des Antiken-
kabinetts im Eski Serai erworben, welcher auch selbst an
der Spitze der Kunstakademie steht. Hamdy ist griechischen
Ursprungs, hat soniit gewissermaßen Kunstblut in den
Adern; er ist nämlich ein Sohn des oftgenannten, wieder-
holt znm Großwessirate berufenen Edhem Pascha, welcher
Jahre lang den Wiener Botschafterposten inne hatte. Edhem
aber ist geborener Christ, ward bei dem berühmten Blut-
bade auf Chios als zarter Knabe in die Sklaverei ver-
kauft und machte jene in der Türkei so häufige glänzende
Karriere der begabten Sklaven, welche zu den höchsten
Ämtern und zum Hoheitstitel führt. Hamdy hats nach
solchen Ehren nicht gelüstet; er ergab sich frühzeitig der
Kunst und ward ein hervorragender Maler, der beste und
gebildefite jedenfalls, welchen die junge bildende Kunst i»
der Türkei aufzuweisen hat. Hamdy geht ganz in seinem
Berufe auf, ist Besitzer eines acl lloc: ausgestattetcn Künstler-
Heims, worin er eine Fülle von Kunstobjekten, Antike»
und seltenen Schnurrpfeifereien aufgehüuft hat und ergibt
sich gelegentlich auch mit Erfolg der Fundgräberei.

Die von ihm geleitete „Schule der schönen Künste"
besitzt je eine Abteilung für Malerei, Skulptur und Bau-
kunst. Im Lehrkörper ist allerdings bis jetzt das mos-
leminische Element nur schwach vertreten. Als Haupt-
Professoren fungieren die Herren: Vizedirektor Osgan
Effendi — wohl ein Armenier — für die Bildhauerkunst
(nach der Antike), Pros. Valery, ein Italiener und Schüler
Maccaris, für Malen, Professor Warum, ein deutsch-
sprechender Pole, welcher — wenn ich nicht irre — in
München bei Kaulbach gewesen, für Zeichnen und in der
Architektur Professor Vallanri, der seine Ausbildung an
der Pariser Kcole ckes Leanx ^.rts genossen hat. Als
Nebenlehrkräfte sind angestellt:, der arabische Arzt und
Professor an der Konstantinopeler medizinischen Fakultät
Ramy Effendi (Anatomie), der Major und Professor an
der Militärschule Hassan Bey (Mathematik) und der Grieche
Aristokles Effendi für Kunstgeschichte. Man sieht, ein
durchaus internationaler Lehrkörper.

Am 30. Sept. d. I., also den 11. Muharrem des Jahres
1305 derFlucht, hat— wiemanmirausKonstantinopelberichtct
— diese Pflanzstätte „christlich nachbildnerischer Gräuel" ihre
erste Ausstellung eröffnet, welche seitdem unter ihren zahl-
reichen Besuchern den Großwcssier Kiainil, sämtliche Mi-
nister und die ganze hohe rechtgläubige Gesellschaft —
Damen eigentlich ausgeschlossen — zählt. Etwa hundert
Namen, zumeist türkischer Zöglinge, sind auf den ausge-
stellten Werken zu lesen. Man rühmt insbesondere ein
Ölbild, welches das Mausoleum Selims II. darstellt und
einen Karton mit einer Episode aus der „Gigantomachie".
Die naturalistisch gehaltene Büste eines Kurden und
mehrere Hochreliefs nach antiken Vorbildern fallen unter
den Skulpturwerken auf; die Abteilung für Architektur
endlich soll eine Reihe von Skizzen für großartige Pracht-
bauten aufweisen, zu welchen allerdings die unvergleichliche
Lage von Konstantinopel geradezu herausfordert.
 
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