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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Unsre Bilder
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Unsere Bilder, vom Herausgeber

77

Jedenfalls verdankt er dieser Neigung eine Menge hoch-
interessanter, bisweilen allerdings auch ein wenig verdrehter
Bilder, und seine ekstatischen Jungfrauen, Geistererschei-
nungen, Seherinnen fanden umsomehr reißenden Absatz,
als ja alle Welt wundersüchtig ist. Besonders, wenn
hübsche Mädchen die Wunder thun und uns Blicke in un-
bekannte Tiefen in Aussicht stellen. So wird denn auch die
Somnambule, die wir heute bringen, sicherlich ihre Ver-
ehrer finden, wenn sie auch die Zauberin „Astarte" oder
Katharina Emmerich, ekstatischen Andenkens, nicht erreicht
an magischer Anziehungskraft. Daß dieses hübsche Kind
nicht eigentlich schläft, sondern nur der innern Stimme lauscht,
das hat der Maler aber sehr gut heraus-
gebracht, und wer sollte sehnsüchtigen
Mädchen nicht allerhand Visionen verzeihen?

Die Heiligen und die Engel haben sich be-
kanntlich immer gut miteinander vertragen
und unserem Max, wenn nicht die der
anderen Welt, jedenfalls die Geheimnisse
echter Kunst verraten.

Glaubt man nicht eines unserer alt-
deutschen Bilder von Memling oder sonst
wem zusehen, wenn man vor Schlabitz'
Liebhaber-Konzert in irgend einer kleinen
Residenz steht? Die heilige Cäcilia singt
eben ein Solo, der heilige Georg steht im
Frack daneben und möchte sich vor
Rührung den Schnurrbart wischen, nach-
dem er seinen Drachen glücklich daheim
gelassen. Die elftausend Jungfrauen im
Hintergrund endlich werden jetzt gleich im
Chor einfallen. Wir können vollkommen
überzeugt sein, daß in dreihundert Jahren
dies Bild unseren Nachkommen genau einen
so feierlichen und philisterhaft gemütlichen
Eindruck Hervorrufen wird, als ihn uns
die himmlischen Chöre unserer malenden
Herren Vorväter machen. Ein wenig steif
und verlegen, die Toiletten nicht immer
geschmackvoll, aber ungeheuer wahr, wie es
sich in „Drähsden" oder Weimar, in
Stuttgart oder Karlsruhe täglich abspielt.

Ist diese Gesellschaft aber, die sich, wenn
auch mit unzulänglichen Kräften, doch mit
so sichtlicher Begeisterung in ein großes
Kunstwerk vertieft, nicht unendlich rührend?

Diese echt deutsche Ehrlichkeit macht das Bild
trotz einzelner Härten entschieden liebens-
würdig, gibt ihm einen naiven Jugendreiz, wie man ihn bei
viel gewandter gemachten oft nur zu sehr vermißt. Sollte
man auch glauben, daß dieser Künstler durch die Pariser
Schule gelaufen sei? Er kann Gott danken, daß es ihm nicht
gelungen, dort sein gut deutsches Naturell zu ruinieren,
wie es unser beständiges thörichtes Streben ist. Es ist
aber in der Kunst viel wichtiger, daß man wahr ist und
Charakter hat, als daß man jeder Mode nachläuft.

Daß die deutsche Kunst den angebornen, echt natio-
nalen Hang zum Kleinlichen und Engen gelegentlich doch
überwinden, auch frei und groß werden kann wie eine,
wenn sie sich von innen heraus zur Freiheit und Schön-
heit durchringt, das zeigt uns dann Prellers prächtige
historische Landschaft mit Rebekka und Elieser im Vorder-
grund, während die Kameele diesmal hinten zurückblieben.

Der Meister ist hier keinen Augenblick zu verkennen, und
wer dächte nicht gleich an Ariccia oder Olevano, wo
Preller seine Motive so oft holte, wenn er den Brunnen
vorne oder das köstlich malerische Städtchen im Hinter-
grund sieht?

Seit Jahren hat Heinrich Rasch die Kunst bald
im Süden, bald in Frankreich gesucht und zuletzt hat er
sie in der eigenen Schleswig- H olstein 'schen Heimat am
sichersten gefunden. Wer freute sich nicht an der Natur-
frische, mit der er uns eine köstliche Strandszene dieser
Heimat durch die mit einem Fischerburscheu schäkernden
Mädchen vorführt? Nicht nur sind die drei Grazien in

Holzschuhen überaus anmutig geschildert, sondern es ist auch
die Unermeßlichkeit des Raums, die den Meeresstrand so
unendlich anziehend macht, vortrefflich wiedergegeben in
dem sonnig heiteren Bilde. Obwohl wir hier die un-
gewöhnliche Feinheit des Tons nur ahnen können, die den
Koloristen Rasch ganz besonders auszeichnet und seinen
Bildern den Hauptwert gibt. Glaubt man aber nicht das
majestätische Rauschen der auf dem Strand sich verlau-
fenden Wogen zu hören, in welches das Kichern der
Mädchen eine fröhliche Unterbrechung, gleich dem Vogel-
gezwitscher, hineinbringt? Die Szene läßt uns die nerven-
stärkende Frische der Seeluft förmlich einatmen und wirkt
gerade durch ihre vollendete Anspruchlosigkeit echt poetisch.




Probeillustration aus A. Hendschels Skizzenbuch II. Bd. Bespr. s. S. 76
 
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