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von damals bis heute
Mutter überhaupt viel mehr Respekt (da
"W8 hängt er) als vor meinem Vater. —
Sie war auch die praktische, — ging am
Hamburger Hafen mit unseren Kunst-
werken hausieren, und drehte den nor-
wegischen und schwedischen Schiffskapi-
tänen ein halbesDutzend unsererSchweizer-
landschaften nach
dem andern an.
Mit den Schuljahren kam natürlich auch die Lust
am Zeichnen; — über meine Richtung aber war ich mir
damals noch nicht klar; desto mehr jedoch mein Vater.
Denn wie's endlich mal zur Frage kam, was ich werden
wollte, und ich meinen Wunsch Maler zu werden äußerte,
hieß es seitens desselben: „Jung, alles darfst warrn, obernich
Moler." —Mein Vater redete, trotzdem wirKinder im Hanse
immer nur hochdeutsch sprachen, stets nur plattdeutsch zu
uns; meine Mutter aber nicht. Unser Alter schloß näm-
lich von seinen Erfah-
rungen als Dutzend-
maler, sowie landläu-
figen Ansichten, im all-
gemeinen auf die Künst-
ler, und äußerte denn
auch immer miss neue,
„De Kundstler sünd all
Hungerlihiehder". —
„Dann will ich Musiker
werden, Vater" war
meine Antw ort;—denn
Musik liebte ich auch!
— Das durfte ich.
Da lernte ich denn
zunächst, (ich war zwölf
Jahre alt) Geige, und
ein Jahr später Klavier.
— Ein Richard Wag-
ner steckte nun gerade
nicht in mir, wenn
ich auch mit vierzehn
Jahren ein halbes
Dutzend Tänze und
eine Phantasie über
das Mondscheinlied
komponiert habe; so-
gar für Violine mit
Klavierbegleitung.
Sind aber zum Heil
und Frommen aller
Musikfreunde Gott sei
Dank ungedruckt ge-
blieben.
Doch, St. Lukas
gibt sobald nicht nach. Die Dutzendbildermalerei florierte
damals sehr bei meinen Eltern, so daß „Karl mut helpen;"
ich durfte also auch pro Tag zwei Bilder malen. Und was
für welche — Montblanc, Jungfrau oder Pilatus u. s. w.
Ich entwarf und kleckste frisch drauf los, — die Namen
dafür fanden sich nachdem schon. Zur Belohnung
konnte ich dann abends die Hamburger Gewerbeschule
besuche», nachdem ich mir in der Gewerbeschule der Vor-
stadt Pauli noch zwei erste Preise erobert.
In dieser Zeit, Ende der
Sechziger, — ging also Musik
und Malerei bei mir ein-
trächtig neben einander; ich
übte Klavier und Geige, ab-
wechselnd mit Zeichnen und
Malen; spielte Sonntag abends
(meinen Lehrer vertretend) in
den Vorstadtlokalen vergnügt
sechs Stunden für einen Thaler,
gab Klavierunterricht, die
Stunde zu zwanzig Pfennige,
malte zwei bis vier Schweizerlandschaften L ein Thaler
pro Tag u. s. w.; — ja, 's war eine fröhliche Zeit.
In der Gewerbeschule
zog mein Eifer nun nach und
nach dieAusmerksamkeit meiner
Lehrer (Stilllebenmaler Hei-
merdinger, Maler Ehrich u.a.)
und infolgedessen auch des da-
maligen Direktors O- Jessen,
welcher jetzt Direktor der Ber-
liner Handwerkerschule ist, auf
sich, und — an einem
schönen Sonntagmorgen rückte
der gestrenge (aber für das
Wohl seiner Pfleglinge uner-
müdlich besorgte) Herr Direktor
mit den inhaltschweren Worten
heraus „so könne es nicht
^ länger gehen, (d. h. mit der
Dutzendbildermalerei), ob ich nicht Künstler werden wolle?"
— Daß mein Gesicht bei diesen Worten dem Gesichte
gewisser weißwolliger Vierfüßler mit gespaltenen Klauen
weit mehr glich, wie dem
eines zukünftigen Apelles,
—- davon bin ich fest über-
zeugt. — Nachdem unr-
eine wohlige Gänsehaut
den Rücken hinabgelanscn,
antwortete ich denn „ja,—
ich wohl,-aber mein
Vater?"—Nun den nahm
der Direktor auf sich, —
und das mit so gutem Er-
folge, daß, wie auch noch
die Hamburgischen Stipen-
dien, zu deren Erlangung
der Direktor behilflich sein
wollte, ins Feld geführt
wurden, mein Alter sich
besiegt gab; — ich war
sehr glücklich. — Weimar
wurde vom Direktor vor-
von damals bis heute
Mutter überhaupt viel mehr Respekt (da
"W8 hängt er) als vor meinem Vater. —
Sie war auch die praktische, — ging am
Hamburger Hafen mit unseren Kunst-
werken hausieren, und drehte den nor-
wegischen und schwedischen Schiffskapi-
tänen ein halbesDutzend unsererSchweizer-
landschaften nach
dem andern an.
Mit den Schuljahren kam natürlich auch die Lust
am Zeichnen; — über meine Richtung aber war ich mir
damals noch nicht klar; desto mehr jedoch mein Vater.
Denn wie's endlich mal zur Frage kam, was ich werden
wollte, und ich meinen Wunsch Maler zu werden äußerte,
hieß es seitens desselben: „Jung, alles darfst warrn, obernich
Moler." —Mein Vater redete, trotzdem wirKinder im Hanse
immer nur hochdeutsch sprachen, stets nur plattdeutsch zu
uns; meine Mutter aber nicht. Unser Alter schloß näm-
lich von seinen Erfah-
rungen als Dutzend-
maler, sowie landläu-
figen Ansichten, im all-
gemeinen auf die Künst-
ler, und äußerte denn
auch immer miss neue,
„De Kundstler sünd all
Hungerlihiehder". —
„Dann will ich Musiker
werden, Vater" war
meine Antw ort;—denn
Musik liebte ich auch!
— Das durfte ich.
Da lernte ich denn
zunächst, (ich war zwölf
Jahre alt) Geige, und
ein Jahr später Klavier.
— Ein Richard Wag-
ner steckte nun gerade
nicht in mir, wenn
ich auch mit vierzehn
Jahren ein halbes
Dutzend Tänze und
eine Phantasie über
das Mondscheinlied
komponiert habe; so-
gar für Violine mit
Klavierbegleitung.
Sind aber zum Heil
und Frommen aller
Musikfreunde Gott sei
Dank ungedruckt ge-
blieben.
Doch, St. Lukas
gibt sobald nicht nach. Die Dutzendbildermalerei florierte
damals sehr bei meinen Eltern, so daß „Karl mut helpen;"
ich durfte also auch pro Tag zwei Bilder malen. Und was
für welche — Montblanc, Jungfrau oder Pilatus u. s. w.
Ich entwarf und kleckste frisch drauf los, — die Namen
dafür fanden sich nachdem schon. Zur Belohnung
konnte ich dann abends die Hamburger Gewerbeschule
besuche», nachdem ich mir in der Gewerbeschule der Vor-
stadt Pauli noch zwei erste Preise erobert.
In dieser Zeit, Ende der
Sechziger, — ging also Musik
und Malerei bei mir ein-
trächtig neben einander; ich
übte Klavier und Geige, ab-
wechselnd mit Zeichnen und
Malen; spielte Sonntag abends
(meinen Lehrer vertretend) in
den Vorstadtlokalen vergnügt
sechs Stunden für einen Thaler,
gab Klavierunterricht, die
Stunde zu zwanzig Pfennige,
malte zwei bis vier Schweizerlandschaften L ein Thaler
pro Tag u. s. w.; — ja, 's war eine fröhliche Zeit.
In der Gewerbeschule
zog mein Eifer nun nach und
nach dieAusmerksamkeit meiner
Lehrer (Stilllebenmaler Hei-
merdinger, Maler Ehrich u.a.)
und infolgedessen auch des da-
maligen Direktors O- Jessen,
welcher jetzt Direktor der Ber-
liner Handwerkerschule ist, auf
sich, und — an einem
schönen Sonntagmorgen rückte
der gestrenge (aber für das
Wohl seiner Pfleglinge uner-
müdlich besorgte) Herr Direktor
mit den inhaltschweren Worten
heraus „so könne es nicht
^ länger gehen, (d. h. mit der
Dutzendbildermalerei), ob ich nicht Künstler werden wolle?"
— Daß mein Gesicht bei diesen Worten dem Gesichte
gewisser weißwolliger Vierfüßler mit gespaltenen Klauen
weit mehr glich, wie dem
eines zukünftigen Apelles,
—- davon bin ich fest über-
zeugt. — Nachdem unr-
eine wohlige Gänsehaut
den Rücken hinabgelanscn,
antwortete ich denn „ja,—
ich wohl,-aber mein
Vater?"—Nun den nahm
der Direktor auf sich, —
und das mit so gutem Er-
folge, daß, wie auch noch
die Hamburgischen Stipen-
dien, zu deren Erlangung
der Direktor behilflich sein
wollte, ins Feld geführt
wurden, mein Alter sich
besiegt gab; — ich war
sehr glücklich. — Weimar
wurde vom Direktor vor-