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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Gehrts, Karl: Von damals bis heute, [2]: eine wortreiche Bilder-Selbstgeschichte
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Das Debut des Malers Louis Gallait
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0160

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Von damals bis beute, von Karl Gebrts — Das Debnt des, Malers Louis Gallait

Ny

Faltenwurf am Leib sitzen
hat — sich geniert aufzu-
stehen, aus Angst, sein stil-
volles Gewandmotiv möchte
sich verschieben; — aber eben
so wenig denk ich's so rea-
listisch zu treiben, daß wenn
zwei vor meinem Bilde
stehen, auf welchem etwas
Misthaufen, natürlich plein
air, oder ähnliches gemalt
ist, — immer der eine vom
anderen meint, derselbe habe
Limburger Käse in der
Tasche! — „Der Sack ist
voll, Strick zu" sagt der

König in Bechsteins Märlein vom Hasenhüter, Sankt
Lukas auch, also — gut' Nacht.

— Gott sei Dank! —

Das Debüt des Malers Doms Sallait

Der vor kurzem in Brüssel verstorbene Maler
Gallait ist aus keineswegs glänzenden Verhältnissen hervor-
gegangen.

Als fünfzehnjähriger Knabe zeichnete er eines Tages
auf einem Pachthof bei Tvurnay zum Zeitvertreib das
Konterfei eines Knechtes an die Wand der Scheune.
Ein vorbeigehender, in Tournay ansässiger Maler (Hen-
nequin) sah die unverkennbares Talent kundgebende
Zeichnung, und da der Knabe ihm gefiel, erbot er sich,
ihm die erste künstlerische Vorbildung zu geben. Da die
Mutter, Inhaberin eines Tabakladens in der genannten
Stadt mittellos war, nahm er den jungen Gallait ganz
zu sich und gab ihm mehrere Jahre hindurch die erste
erfolgreiche Unterweisung. Später nahm ein anderer
Freund sich des jungen Künstlers an. Um diese Zeit
malte Gallait sein erstes bekannt gewordenes Bild: Christus
als Kinderfreund. Es sollte eine Studie sein, ohne daß
der Jüngling es sich träumen ließ, damit schon einen
künstlerischen Abschluß erreicht zu haben. Dieses Bild
war gerade fertig geworden, als in Gent eine größere
Kunst-Ausstellung stattfand. Gallait brannte vor Begierde,
diese zu sehen; aber wie sollte er, der Mittellose, die Reise-
kosten bestreiten? Endlich bat er seine Mutter um einen
Frank, um sein Glück in einer Lotterie zu versuchen.

Und Fortuna war ihm hold! Er gewann tausend Franks,
und die recht beschwerliche Reise nach Gent wurde ange-
treten. Eisenbahnen besaß selbst Belgien damals noch

nicht, und dazu herrschte Kriegszustand zwischen dem

südlichen Niederland und dem nördlichen. Kurz vor

Erreichung des Zieles traten denn auch noch besondere
Schwierigkeiten ein.

Vor den Thoren Gents angelangt, wurde Gallait
nebst Begleitern als Spion betrachtet, und man verweigerte
den Einlaß. So nahe der Erfüllung des herrschenden
Wunsches und doch so weit davon entfernt! Glücklicher-
weise erinnerte sich Gallait eines angesehenen Weinhändlers
der Stadt, der ihn inTournay kennen gelernt. Vordiesenließ
er sich führen. „Ach, der junge Gallait! Schnell das beste
Zimmer hergerichtet!" Die Wache gab sich zufrieden.
Nach kurzer nächtlicher Ruhe von den Strapazen der
Reise trieb es ihn andern Tags zur Ausstellung. „Sie
sind noch eben recht gekommen; heute ist der letzte Tag

und heute morgen findet auch die Preisverteilung statt."
— „So werde ich warten, bis diese vorüber ist;
meine Garderobe hält einer so ausgesuchten Feier nicht
Stand." Der Gastfrennd begriff nicht, wie Gallait
sich weigern konnte. „Aber Sie müssen unbedingt
hin! Wer soll denn den Preis für Sie in Empfang
nehmen?" — „Den Preis? Ich, der ich nichts ausgestellt
habe? Dem Kaufmann öffneten sich die Augen. „So
wissen Sie es wirklich nicht? Ihr Bild ist mit dem
ersten Preise gekrönt worden und ich schätze mich glücklich.
Sie zuerst beglückwünschen zu können." So war es.
Um die Bescheidenheit des Jünglings überhaupt auf keine
Probe stellen zu müssen, hatte sein Gönner in Tonrnay
durch Vermittelung des Weinhäudlers das erste Bild
Gallaits ans eigene Faust zur Ausstellung geschickt; es
trug die Palme des Sieges davon. Ungeahntes Glück!
Jetzt allerdings konnte er, mochte er nicht bei der Preis-
verteilung fehlen. Freilich die Garderobe! Doch der
Freund Half aus. Ein neues Kostüm mit goldblinkenden
Knöpfen machte ihn des Besuches des Ausstellungs-Salons
fähig. Das Diplom und 1000 Francs in der Tasche,
sah Louis Gallait eine bequemere Treppe zum Ruhmes-
himmel vor sich aufgebaut. Um sich seines Gewinnes
sinnlich erfreuen zu können, ließ er sich die erhaltenen
Bankbillete ln Fünffrankstücke umsetzen; so trug er einen
großen Beutel silberschwer der Heimat zu. Die Nachricht
von seiner Auszeichnung war ihm vorausgeeilt; man
schmückte einen Wagen aus und fuhr ihm vor die Stadt
entgegen. Erst wenige, ein kleiner Freundeskreis, wußten
darum; bald wurde auch hier und da eine Fahne aus-
gesteckt; das weitbeschwingte Gerücht hatte bald eine
größere Anzahl Einwohner mit seinen, Fittich berührt,
es wurde lebendiger vor dem Laden der Frau Gallait;
man kam nicht zu ihr; sie mußte aber vor ihre Thüre
eilen und die Nachbarin fragen, was es gebe. „Aber
beste Freundin, Ihr Sohn kommt ja mit dein ersten Preise
aus Gent!" — „Mein Sohn?" Die gute Frau, bestürzt,
beglückt, hatte nicht Zeit, lange den außerordentlichen
Fall zu erwägen: dort kam er schon, ihr lieber Louis,
von einer Schar umgeben, oben auf dem Wagen thronend,
den vollen Beutel in erhobener Hand. Das war das
Debüt des Malers Gallait. T. A.
 
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