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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Über die Kunst in England, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0205

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Über die Kunst in England

war der größte Landschaftsmaler. Und mit einem Blick
zu Reynolds: Aber der größte Porträtmaler, Gentlemen,
war er zugleich auch! Und diesmal war die Reihe grün
zu werden an Sir Joshua, beide aber wußten, daß dies
nur Worte waren. Der meisterlichere der Rivalen bleibt
Reynolds, doch etwas so lieblich-zartes wie den berühmten
»blue bv)-« Gainsboroughs findet man im ganzen Lebens-
werk des Akademiepräsidenten nicht.








ft ...




. -

Signora VarreUi.

Nach Tom Gainsborongh gcst. von I. Jones

Sehr anziehend würde es sein, auf Gainsborough's
Landschaftsmalerei einzugehen, man würde den Wechsel
der Zeiten im Urteil recht erkennen. Uns erscheinen
seine Landschaften zwar recht angenehm, aber in jener
vielfach ventilierten braunen Sauce schwimmend, die der
Horror unserer Jungen und das bequeme Ruhebett unserer
älteren Herren ist, noch immer ein wenig komponiert,
dekorativ, fast wie die bekannten Porträthintergrund-
landschaften, die man zwischen dem noch bekannteren Schaft

der Säule einer- und der roten Draperie andererseits
zu sehen gewohnt ist — wenn auch viel besser und oft
mit ganz freien Zuthaten, doch in jener Art und Weise:
und den Zeitgenossen kommen sie revolutionär vor, ganz
gewaltsam, herausfordernd! Man fand einen Realismus
in ihnen, den nicht jeder Gebildete verantworten zu
können glaubte, und eine Durchbrechung der Schranken
des Üblichen, vor der der gewähltere Geschmack zurück-
schaudern müsse! Man warf diesen
Landschaften etwas wie zuviel Treue
vor; so viel Aufrichtigkeit und armes
Volk als Staffage sei von Übel. Und
wenn man Gainsborough's Bauern mit
Millet's Bauern vergleicht, so spielen
seine, Gainsborough's, denn doch nur
mit der Armut ein Ballspiel. Doch
ein eminentes malerisches Gefühl schläft
in seinen Landschaften. Besonders eine
kleinere gefiel mir von ihm, die nicht
die dunkle Konvention der Baumgruppen-
einrahmung hat, wie die größeren Kom-
positionen und das ist ein Bach, durch
den Kühe geführt werden, bei Sonnen-
untergang; noch von recht unwahrschein-
licher Färbung, doch märchenhaft hübsch
und von der glücklichsten Handfertigkeit.
Reynolds sagte in seiner Rede zu seinen
Zeitgenossen, man sollte, wenn man über
zuviel Realismus in Gainsborough's Land-
schaften klage, doch nicht übersehen, daß
auch ein Bruchteil Poetisches in ihnen
wäre, wir Jetzigen sehen aber fast »nr
das Poetische und nehmen das Realistische
in ihnen kaum wie einen Hauch wahr.
Und dennoch bedeuteten sie für die da-
malige Zeit ein Wagnis. In ihrem Mini-
mum von Persönlichem lag schon eine
Welt von Aufruhr gegen das Claude
Lorrain'sche System, das in England
durch Wilson, den ich bereits nannte,
vertreten wurde. Gainsborongh muß als
Vater der englischen Landschaftsschule
angesehen werden. Ihm folgte Crome,
bereits unendlich freier, ein kleinerer Hob-
bema; diesem der herrliche kraftgenialische
Constable, diesem der elegantere Bo-
nington, beide nützten den französischen
Landschaftern der Schule von Fontaine-
bleau,. den französischen Landschaftern
von Fontainebleau folgen bekanntlich die
deutschen, und so ist die Kette ge-r
schlossen. Aber Gainsborongh gab den
Anstoß der Bewegung, der erste war
er; ob er au den Letzten Vergnügen
gefunden haben würde . . . das fühlen wir uns freilich
festzustellen außer stände.

3.

Wir haben die beiden Säulen, auf denen man das
Gebäude der englischen Kunst errichtet; jetzt kennen gelernt;
es erübrigt das Resümee zu ziehen. Die englische Kunst
ist ohne jene selbständige Vergangenheit, die wir bei fast
 
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