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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Norden, J.: Etwas von russischer Kunst und ihren Vertretern, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0266

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Etwas von russischer Kunst und ihren Vertretern. Von I. Nord en

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Ein Wiedersehen aller Irrundr. von !v. <L. Makowsky

Und die Geschmacksrichtung auch der Gesellschaft macht auf diesem Irrwege bedenkliche Fortschritte:
Perows „Prozession" erregte 1862 bei der Kritik und beim Publikum vielfach Anstoß und durfte schließlich
nicht mehr ausgestellt werden, vor Repins „Prozession" aber, auf der „Wanderausstellung" von 1883, mußte
man Queue bilden und die Kritik erhob das Bild fast einstimmig geradezu in den Himmel — wieder einmal
über Bravour technischer Ausführung das Zynische, das in der Behandlung des Stoffes liegt, ganz über-
sehend. Und kann man sich andererseits einen größeren Gegensatz denken, als zwischen Iwanows „Erscheinen
des Messias" und Repins „Iwan der Schreckliche und sein Sohn"? Jenes wurde 1858, dieses 1885 für eine
„Offenbarung" russischer Kunst gehalten!

Es wurde eben der „Wanderausstellung" erwähnt und ich komme hier auf das erst angedeutete Partei-
wesen inmitten der russischen Künstlerwelt zurück, das sich, wie gesagt, entwickelte unter dem Einstuß der
liberalen Strömung der sechziger Jahre, die auch an der Bedeutung der Akademie der Künste als des wahren
Zentrums russischen Kunstlebens zu rütteln und sie zu unterwühlen begann.

Wie sich in der Litteratur und Tagespreffe ein „Jung-Rußland" herausbildete, so auch in der Sphäre
der Kunst, die doch, sollte man denken, mit Politik und sozialen Tendenzen nichts zu thun hat. Zum Teil
freilich erschien das Gebühren der jungen Künstler, die gegen die Akademie Opposition machten, verständlich:
wenn sie das thaten, so traf dabei die Akademie selbst viel Schuld. Ihr „bureaukratischer" Geist, ihr perem-
torisches Protektions- und Traditionswesen, ihre strenge „Schule", die den Kunstjüngern gewissermaßen einen
Kanzleistil anerzog und ihnen eine Uniform aufzwängte — das vertrieb d i e Künstler, denen Palette und Pinsel
höher standen, als Kodex und Paragraphen, und denen Konvention und Schablone als ein zu hoher Preis für
Medaille und Diplome erschien. Die „freien" Künstler im wahren Sinne des Wortes waren es, die sich los-
trennten vom Mutterinstitut und ihre eigenen Wege zu wandeln begannen.

(Schluß im nächsten. Hefte)

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