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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Claros, B. L.: Ein Künstlerheim im Schwarzwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0317

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Lin Rünstlerheim im Schwarzwald

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Vom Bahnhof aus gehen wir am Bachbauer vorbei, lassen auch den Löwen, den wir von wegen der gut
zubereiteten Forellen und des vorzüglichen Durlachers schon von früher kennen, fürs erste liegen, — gehen auf der
prächtigen Straße, die sich wie eine große graue Schlange durch die saftig grünen Wiesen windet, weiter bis an die

untere Schmiede. Jetzt machen wir rechtsum,
kommen auf einen Fußweg und haben vor
uns, am Fuße eines mit großen Bäumen und
Feldern übersäten Hügels, das Bild eines aller-
liebsten, kleinen Schwarzwaldhäuschcns.

Das ist W. Hasemanns Heini und Künstler-
werkstatt. Noch freut man sich über die nette,
echt ländliche Umrahmung des Ganzen, über
den hübschen, mit Blumen und Gesträuch ge-
sättigten Garten rings um das Häuschen, dann
treten wir ein, um von neuem angenehm
überrascht zu werden. Zunächst befinden wir
uns in einem wirklichen Maleratelier, welches
zu beschreiben uns der geneigte Leser, da wir
annehmen, daß derselbe bei seinem Interesse
für die Kunst schon einmal Gelegenheit hatte
ein solches zu sehen, ersparen wird.

Eine besondere Eigentümlichkeit aber läßt
uns dies Atelier vor andern behaglicher und
interessanter erscheinen: Dreht man dem großen
Fenster den Rücken, so sieht man vor sich den
schönsten und malerischsten Teil einer Schwarz-
waldstube, — den sogenannten „Herrgotts-

Mis dem Gukachrr Rünstlrralbum. von Hermann Baisch Winkel". Da steht der große Familientisch.

ganz in der Ecke in einer Nische liegt die
alte Hausbibel, rechts und links zieht sich je eine Reihe blitzblank geputzter Fenster hin, die uns einen Ausblick auf
die sonnig grünen Wiesen gewähren und zugleich so viel Licht spenden, daß das ganze Interieur einen überaus
Hellen und freundlichen Eindruck hervorbringt. (Siehe Zeichnung von F. Völlmy.) Alle übrigen Räumlichkeiten,
so namentlich das Wohn- und Schlafzimmer machen ganz dieselbe freundliche Erscheinung. Es muß hier zu
Ehren des Architekten vr. Koßmann, in Karlsruhe, des Erbauers dieses idyllischen Heims, gesagt werden, daß er es
ganz meisterhaft verstanden und zuwege gebracht hat, neben den
sehr gut erfüllten Bedingungen eines Malerateliers dem Ganzen
den Bauernhaus-Charakter zu wahren.

Im Frühjahr oder Sommer, wenn die Maler ausschwirren,
kehrt auch Hasemann von Karlsruhe hierher zurück um seine lieb-
lichen Bilder und seine in weiten Kreisen bekannten Illustrationen
zu schaffen.

Aber nicht nur vom Malen und Zeichnen, —- das Häuschen
weiß auch von mancher frohen und ausgelassenen Gesellschaft zu
erzählen, und „d'Bube und Maidli" im Thal freuen sich lange
vorher schon auf das alle Jahr stattfindende Fest im „Molerhüsli".

Wenn dann die Zeit des Festes gekommen ist, wird das Atelier
ausgeräumt, damit es Platz gibt und beim Tanzen nichts „vcrheit"
wird. (Verheit heißt zerbrochen.) Einladungskarten sind hier nicht
von nöten; — wenn's „d'Chrischtin" weiß, so sagt sie's „d'r
Marey" und jede kommt dann im besten „Suntigsgwand", mit
lachendem Gesicht, und — mit ihrem Schatz. Der alte „Pfiferkonrad",
der „Trumbederschnider" und noch ein anderer sind für die Musik
bestellt. Das Bierfäßle steht im Garten vor dem Haus — das
Atelier ist bloß Tanzsaal. Nun geht es los und es hat den An-
schein als sollte daS Singen und Tanzen nie mehr aufhören.

Natürlich sind die Maler und die in Gutach weilenden Sommer-
frischler auch dabei und machen mit. Besonders interessant sind
die Gutacher Bauerntänze (eine Art Schuhplattler) und ganz sonder-
bar klingt die dazu aufgespielte Musik. Bis in die späte Nacht
hinein geht es fort, dann sagt jeder dem Gastgeber ein „Vergelts Aus Wilhelm Hase in a n n s Skizzeubuch
Gott" und das diesjährige „Molerfescht" ist aus.

Nach dieser kleinen Abschweifung, die uns der nachsichtige Leser gerne verzeiht, befinden wir uns immer noch in
Hasemanns Atelier. Kein Wunder! — man trennt sich nur ungern von einem so schönen Ort; — ja, wenn der Neid
keine so arge Sünde wäre, wir könnten schon geneigt sein, den Besitzer um sein sonniges und friedliches Heim zu beneiden.
 
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