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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Claros, B. L.: Ein Künstlerheim im Schwarzwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0321

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von B. L. Llaros

rotgefütterten schwarzen Manchesterkittel, der in großen Falten bis unter die Knie hinabreicht und von der schwarzen
Hose nur wenig sehen läßt. Das „Bruschttuach" (Weste), aus welchem oben der hoch aufgestellte Hemdkragen, der
mit einem schwarzen Halstuch umschlossen ist, hervorlugt, ist von gleichem Zeug. Die Kopfbedeckung besteht aus
einem breitrandigen schwarzen Filzhut. Zuweilen sieht man auch noch die lederne Kniehose bei einem von den „ganz
Alten". Charakteristisch ist, daß der Gntacher niemals weder Schnurrbart noch Vollbart trägt.

Die Frauen tragen eine schwarzseidcne glatt am Kopfe anliegende Haube, deren vorstehender Tüllschleier das
halbe Gesicht beschattet; — auf dieser Haube sitzt ein runder, auf der Außenseite weiß gefärbter und mit großen
schwarzen Wollrosetten verzierter Strohhut.

Leibchen, Rock und Schürze sind schwarz; —
von gleicher Farbe ist der rotgefütterte „Tscho-
ben" (Jacke), der aber gewöhnlich bei warmem
Wetter nicht getragen wird. Weit ausgeschnittene
Schuhe, die die weißen Strümpfe sehen lassen
und das „Goller" (eine Art Halsbergc) ver-
vollständigen das Kostüm.

Die Mädchen sind etwas farbiger gekleidet:

Die Wollrosetten auf dem Hute sind rot, das
Goller mit farbigen Stickereien geziert und in
die zwei herabhängcnden Zöpfe ist ein langes
farbiges Band eingcflochtcn. Der rote Hut und
die herabhängendcn Zöpfe (bei der Frau sind
dieselben unter der Haube) sind das Zeichen, daß
„die da" noch zu haben ist.

Während dieses Kostümstudiums sind wir
langsam bei der Kirche angelangt und finden
ein schwarzes Durcheinander, dazwischen rote und
weiße Flecken. Die alten Bauern, die sich die
ganze Woche über nicht gesehen, reichen einander
die Hände und „'s Wibcrvolk" hat viel Wichtiges
zu erzählen. Auch zwischen den „Ledigen" gibt
es mancherlei zu fragen und zu sagen. Da
kommt noch der schwarze Konrad daher und
schenkt halbverstohlen „de' Marey" eine Nelke,
die er den ganzen Weg über, wie der Schul-
meister seine Feder, hinter dem Ohr getragen, —
und „'s Marey" legt das Geschenk in ihr Ge-
sangbuch. — Dann läutet's zum zweitenmal,
und die Menge verliert sich im Gotteshaus; —
wir aber üben unsere Andacht heute im Freien
inmitten der schönen Natur. Bei dieser Ge-
legenheit kommen wir an einen Bauernhof
und besehen uns denselben etwas näher: Da
wohnt der „Stcinadesbauer", 1564 ist dies
Haus gebaut.

Auf einem niedrigen Steinuntersatz erhebt

sich das große, breite, mit langen Fensterreihen ,

und einer Galerie versehene Holzhaus. Der < i > ^

Rauch und die Sonne haben das Holz, tief-
braun gefärbt und es erscheint unter dem, hauptsächlich an der vorder» Seite des Hauses, weit vorspringenden
Strohdache samtartig schwarz. Wie die meisten Bauernhöfe, so ist auch dieser an eine Anhöhe gebaut, so daß der
Bauer mit dem Wagen direkt unters Dach auf die Bühne fahren kann. Die durch die vielen Fenster hell erleuchtete
Stube macht einen freundlichen Eindruck; da ist wieder der „Herrgottswinkel", in dem der große Tisch steht, rings
an der Wand ziehen sich Bänke hin, dort in der Ecke neben der Thür steht der große Kachelofen, Wände und die
gewölbte Decke sind von Holz. An der andern Seite des Hauses befindet sich das „Lcibgeding", ein ähnlicher Raum
wie dieser hier, nur kleiner. Dorthin zieht der alte Hofbauer mit seinem Weib, nachdem er an den Sohn den Hof
abgetreten hat.

Zwischen diesen beiden Räumen liegen die Schlafstuben des Bauern, die des Gesindes eine Stiege
höher. Es interessiert uns noch die Küche, aus welcher der Rauch, wegen des fehlenden Schornsteins, sich selbst
seinen Ausgang durch die Rauchkammer und die Fruchträume sucht, — dann treten wir wieder ins Freie,
freuen uns noch über den hübschen Garten und die fleißigen Bienen und lenken unsere Schritte zurück nach
dem Dorfe.

Beim Lindenwirt, wo der Bauer nach dem Gottesdienst seinen „Sonntagsschoppen" trinkt, kehren wir ein und
nehmen „Einen". Lange sitzen wir da und gerne würden wir länger bei den netten Menschen sitzen bleiben, unsere
 
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