Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

DOI Artikel:
Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1888, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0342

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2S7


öer pariser Salon <888.

Frankreichs denn ganz aus der Übung gekommen, daß der
Künstler in ihnen nicht den Vorwurf für bildliche Dar-
stellung zu finden vermag? Biessys „Das Kind schläft",
eine Bäuerin, die den Schlaf ihres Kindes, welches ein
Sonnenstrahl streift, während sie selbst als Studie von
Schwarz auf Schwarz behandelt ist, ist in diesem Genre
eine der besseren Arbeiten. Ganz köstlich und ein kleines
ckek ci'cLuvrs ist Wilder Darlings, eines Amerikaners,
„Erster Besuch der Großmutter". Darling ist der Schüler
eines andern genialen Amerikaners, Henry Mosler, der
in Düsseldorf studiert hat und deutsche Innigkeit mit
französischer Faktur verbindet. Von diesem Geiste ist ein
gut Teil,anf Darling übergegangen. Das kleine Bild ist
nicht ängstlich sondern recht flott gemalt, die Profile
beider Frauen an der Wiege des Kindes lassen das wärmste
Interesse für
den Neuge-
bornen erken-
nen. »L'est
un travail
sincerer, es
ist ehrliche Ar-
beit, sagt man
heute zu einem
solchen B>lde,
kein falscher
Chic und kein
falsches Sen-
timent, dabei
in technischer
Beziehung ein
tüchtiges Kön-
nen und ein
Sinn für eine
warme und
dennoch ge-
mäßigte Far-
be. Mosler
selbst ist mit
zwei bedeu-
tenden Ge-
mälden im
Salon ver-
treten, von
denen das eine
eine Fort-
setzung der Szenen aus dem Leben der Apachen, mit
welchen er im vorigen Salon begonnen. Es gilt auch
von diesem Bilde alles, was ich darüber bei meiner
Besprechung des vorjährigen gesagt. Es ist eine fremde
Welt mit einem fremden Empfindungsleben, das sich in
einer fremden Physiognomik wiederspiegelt. Die Szene,
welche der Künstler sich dieses Mal zur Darstellung ge-
wählt, ist eine überaus grausame. Eine halbentblößte,
an einen mächtigen Julep-Baum gebundene Weiße bildet
das Ziel der Pfeile der Indianer, doch dergestalt, daß sie
dieses selbst nicht zu treffen suchen, sondern ihre Geschosse
nur möglichst nah an die Peripherie des Körpers, nament-
lich des Kopfes senden. Eine Jndianergruppe sitzt rauchend
am Feuer, eine andere, zwei sehr stolz dreinschauende
Männer, halb im Dunkel des Waldes verschwindend,
blicken fast mitleidig auf das weiße Opfer, dessen Leiden
durch mehrere blutdürstige Jndianerweiber, wahre Megären,

vie x-nst für Alle m

von Gtto Brandes

nur noch vermehrt werden. Das Bild ist sehr warm im
Tone, die Feuerreflexe sind sorgfältig studiert, die Büste
und der schmerzanklagende Kopf tüchtig modelliert. Mir
will aber scheinen, als ob das Bild ein wenig der Tiefe
ermangele. Doch die Leser werden später selbst hierüber
urteilen können. Das Bild kommt zur Ausstellung nach
München mit einem andern desselben Künstlers, das mir
persönlich lieber, weil es der Eigenart des jungen Meisters
bei weitem mehr entspricht. Sein stimmungsvolles „Ernte-
fest", ein Sonnenbild mit tanzenden Bauern im Hinter-
gründe und vier älteren, dem Tanz aufmerksam folgenden
Bäuerinnen im Vordergründe, die in breiter, flotter
Piuselführnng besonders gelungen sind, erregt hier all-
gemeines Aufsehen und wird zu den besten Arbeiten des
Salons gezählt.

Eine große
Anzahl von
Fischerfrauen,
Arbeiterinnen
und Bäuerin-
nen mit ihren
Kindern, die
sie stillen, in
den Schlaf
wiegen, mit
denen sie die
Heimkehr des
Vaters er-
warten oder
an seinem
Mahle auf
freiem Felde
teilnehmen,
bilden den
Vorwurf vie-
ler sehr tüchti-
ger Arbeiten.
Alle schlägt
aber Lher-
mittes „In
der Ernte".
Über die aus
Mann, Frau
und Kind be-
stehende
Gruppe ist ein

heiterer glücklicher Friede, wie aus einem Heiligenbilde
ausgegossen. Eine Frau sitzt auf einer goldenen Garbe
Stroh und stillt aus der gesunden üppigen Brust ihr
prachtvoll modelliertes Kind, während der Mann, der
junge Bauer, auf den Ellbogen gestützt, den Strohhut
auf dem Kopfe mit seinen Augen an Mutter und Kind
hängt. Das ist wenig und das ist unendlich viel, das
ist einfach und doch groß. Es sind wirkliche Landleute,
denen die Sonne die Haut gebräunt, das Schaffen in der
Erde die Muskel gehärtet und denen die gesunde Lust
einen gesunden Sinn gegeben hat. Es sind nicht Bauern
ä la Zola, sondern solche, die an Kopf und Herz gesund
sind. Es gewährt mir eine besondere Befriedigung, gerade
vor diesem Bilde immer eine Reihe Bewunderer zu finden.
Ist die Freude an dem Meisterwerk doch das beste
Zeichen, daß die Verketzerung der Landbevölkerung durch
Zola nur wenig Gläubige gefunden hat.

Nus der Kinderstube, von Maximilian Schäfer

Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin
Münchener )ubil.»Ausstellung

24
 
Annotationen